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VfGH vom 13.06.1988, B1213/87

VfGH vom 13.06.1988, B1213/87

Sammlungsnummer

11720

Leitsatz

Beschlagnahme eines Pkw, weil die im Ausland durchgeführte Reparatur nicht deklaiert wurde durch ein Organ der Zollwache in denkunmöglicher Anwendung des FinStrG; Verletzung des Eigentumsrechtes

Spruch

Die Bf. ist dadurch, daß ein Organ des Zollamtes Oberndorf am um etwa 11,40 Uhr einen ihr gehörenden PKW beschlagnahmte, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der Bf. zu Handen des Beschwerdevertreters die mit 11.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Die vorliegende, auf Art 144 (Abs1 zweiter Satz) B-VG gestützte Beschwerde wendet sich dagegen, daß Organe des Zollamtes Oberndorf am um 11,40 Uhr den der Bf. gehörenden PKW mit dem pol. Kennzeichen S 234.650 beschlagnahmten. Für diese - in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gesetzte Maßnahme habe keine gesetzliche Grundlage bestanden.

Die Bf. behauptet, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden zu sein und beantragt, diese Rechtsverletzung kostenpflichtig festzustellen.

b) Das Zollamt Oberndorf als bel. Beh. erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde begehrt wird.

2. Aufgrund des in der hier maßgebenden Hinsicht weitgehend übereinstimmenden Parteienvorbringens sowie der vorgelegten Verwaltungsakten (Akt des Zollamtes Oberndorf, Zl. 665/B3/1/87, des Zollamtes Salzburg als Finanzstrafbehörde erster Instanz, Str.L.Nr. 399-87 und der Finanzlandesdirektion für Salzburg, Zl. ZW-107/40-1987) stellt der VfGH folgenden Sachverhalt fest:

Die Bf. reiste am kurz nach 11,00 Uhr mit ihrem PKW BMW 323 i, pol. Kennzeichen S ..., aus der BRD über das Zollamt Oberndorf nach Österreich ein. Hiebei stellte das Zollorgan fest, daß sie den PKW in der BRD hatte reparieren lassen, ohne dies zu deklarieren. Der Beamte verfügte, da er die Bf. des Schmuggels (§35 Abs 1 Finanzstrafgesetz - FinStrG) verdächtigte, um etwa 11,40 Uhr die Beschlagnahme des PKW, des Zulassungsscheines und der Autoschlüssel. In der Beschlagnahmeverfügung werden hiefür folgende Gründe angeführt:

"Die umseits angeführten Gegenstände waren gem. § 89 Abs 2 FinStrG zu beschlagnahmen, weil sie gem. §§17 Abs 2, c FinStrG vom Verfall bedroht sind oder als Beweismittel im Finanzstrafverfahren in Betracht kommen. Die Beschlagnahme erfolgte wegen Gefahr im Verzug ohne bescheidmäßige Beschlagnahmeanordnung, weil zu besorgen war, daß ein Zuwarten bis zur Beibringung eines von der zuständigen Finanzstrafbehörde zu erlassenden schriftlichen Bescheides den Zweck der Maßnahme gefährdet hätte."

Am hob das Zollamt Oberndorf - nach Erlag des vom Zollamt eingeforderten Abgabenbetrages - die Beschlagnahme auf und folgte die beschlagnahmten Gegenstände am selben Tag der Bf. aus.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.a) Durch die bekämpfte Beschlagnahme wurde das Verfügungsrecht der Bf. über ihren PKW vorübergehend beschränkt; dieser Verwaltungsakt greift daher in ihr Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980, 9393/1982) dann verfassungswidrig, wenn er ohne jede Rechtsgrundlage erfolgt wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

b) Das einschreitende Zollorgan stützte die bekämpfte Maßnahme auf § 89 Abs 2 iVm § 17 Abs 2 litc FinStrG. Die bel. Beh. macht in der Gegenschrift geltend, die Beschlagnahme sei durch § 89 Abs 2 iVm § 35 Abs 4 und § 17 Abs 2 lita

FinStrG gerechtfertigt gewesen; außerdem sei sie durch § 25 Abs 3 des Zollgesetzes gedeckt gewesen.

Die angefochtene Beschlagnahme wurde vom Zollorgan ausdrücklich auf § 89 Abs 2 iVm § 17 Abs 2 litc FinStrG gegründet. Es ist der Behörde verwehrt, einen anderen als den ursprünglich herangezogenen Beschlagnahmegrund zur Deckung des bekämpften, in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ergangenen Verwaltungsaktes heranzuziehen (vgl. VfSlg. 9393/1982, S 352). Sohin ist nicht zu untersuchen, ob die vorgenommene Beschlagnahme des PKW auf andere gesetzliche Bestimmungen hätte gestützt werden können (Anzumerken ist, daß für die Behörde nichts zu gewinnen wäre, wenn die Zitierung des § 17 Abs 2 litc als bloßer Schreibfehler angesehen würde, weil das Heranziehen des § 17 Abs 2 lita FinStrG bewirkte, daß die vorliegende Beschwerde einem Anlaßfall zum Gesetzesprüfungsverfahren G114/87 u.a. Zlen. - Erk. vom - gleichzuhalten wäre.)

c) Zu klären ist also, ob die angefochtene Beschlagnahme in § 89 Abs 2 iVm § 17 Abs 2 litc FinStrG denkmöglich Deckung findet:

Dem § 89 Abs 1 FinStrG zufolge hat die Finanzstrafbehörde die Beschlagnahme von verfallsbedrohten Gegenständen und von Gegenständen, die als Beweismittel in Betracht kommen können, anzuordnen, wenn dies zur Sicherung des Verfalls oder zur Beweissicherung geboten ist.

§ 89 Abs 2 FinStrG bestimmt:

"Bei Gefahr im Verzug sind die Organe ... der Zollwache

... berechtigt, die im Abs 1 bezeichneten Gegenstände auch dann

in Beschlag zu nehmen, wenn eine Anordnung der Finanzstrafbehörde

nicht vorliegt. Die beschlagnahmten Gegenstände sind, falls nicht

nach § 90 Abs 1 zweiter Satz vorgegangen wird, der

Finanzstrafbehörde abzuführen."

Die Beschlagnahme wurde hier nicht von der Finanzstrafbehörde iS des § 89 Abs 1 FinStrG angeordnet, sondern unter Berufung auf § 89 Abs 2 leg.cit. von einem Zollwachebeamten ohne derartige Anordnung vorgenommen.

Das Zollorgan stützte die Beschlagnahme offenkundig auf die Z 4 des § 17 Abs 2 litc FinStrG:

"§17. (1) .......

(2) Dem Verfall unterliegen

a) ........

c) soweit dies im II. Hauptstück dieses Abschnittes

besonders vorgesehen ist" (in den Fällen der im § 38 Abs 1

aufgezählten schweren Finanzvergehen)

"1. ........

4. die zur Begehung des Finanzvergehens benützten Beförderungsmittel, wenn in ihnen Gegenstände des Finanzvergehens an Stellen verborgen waren, die für die Verwahrung üblicherweise nicht bestimmt sind, oder wenn das betreffende Finanzvergehen wegen der Beschaffenheit der beförderten Sachen ohne Benützung von Beförderungsmitteln nicht hätte begangen werden können."

Diese Voraussetzungen lagen hier aber - wie auch die bel. Beh. einräumt - keinesfalls vor. Nach Wortlaut und Sinn dieser Bestimmung kann auf sie - ohne daß dies einer weiteren Erörterung bedürfte - die Beschlagnahme eines PKWs nur deshalb, weil die im Ausland durchgeführte Reparatur nicht deklariert wurde, denkmöglich nicht gegründet werden.

Bei diesem Ergebnis braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob Gefahr im Verzug iS des § 89 Abs 2 FinStrG vorlag.

d) Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die bekämpfte, von einem Organ der Zollwache verfügte Beschlagnahme denkmöglich nicht auf § 89 Abs 2 iVm § 17 Abs 2 litc FinStrG gegründet werden kann. Da - wie dargetan - eine andere gesetzliche Bestimmung zur Deckung dieses Verwaltungsaktes nicht herangezogen werden kann, ist die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

2. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 1.000 S enthalten.