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OGH vom 03.09.1992, 7Ob575/92

OGH vom 03.09.1992, 7Ob575/92

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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Egermann, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** OHG, *****, vertreten durch DDr.Manfred König, Rechtsanwalt in Saalfelden, wider die beklagte Partei Gemeinde S*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Berger und Dr.Josef W.Aichlreiter, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Feststellung des Eigentums und Einverleibung des Eigentumsrechtes (Streitwert S 30.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 21 R 429/91-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Zell am See vom , GZ 5 C 118/91-21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.623,04 (darin enthalten S 603,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die der Klägerin seit gehörende Liegenschaft EZ 323 Grundbuch S***** grenzt an der Ostseite an die Ortsstraße der beklagten Gemeinde (EZ 229 desselben Grundbuches) im Bereich des Grundstückes Nr 1982. In den Jahren 1949/50 errichtete Josef B*****, der Ehegatte der Rechtsvorgängerin der Klägerin Anna B*****, auf der EZ 323 Grundbuch S***** ein Wohnhaus mit Fremdenzimmern. Entlang der Ostseite dieser Liegenschaft führte er schon im Sommer 1949 - als Begrenzung zum anschließenden Straßengrundstück Nr 1982 - eine kleine Mauer auf. Der Platz zwischen der östlichen Hauskante und der Begrenzungsmauer diente während der Bauarbeiten als Abstellplatz für Baumaschinen und -materialien. Später wurde er als Abstellfläche für Fahrzeuge und seit dem Ende der 50iger-Jahre vorwiegend als Terrasse zu Sitzzwecken verwendet. Im Winter wurde die Terrasse ua zum Aufstellen von Skiständern benützt. Die Eheleute B***** betrachteten die gesamte Fläche zwischen der Ostseite ihres Hauses und der erwähnten Begrenzungsmauer als Teil der Liegenschaft EZ 323 Grundbuch S*****.

Im Juni 1984 errichtete die Klägerin unterhalb der bestehenden Terrasse einen kellerartigen Anbau. Dem Bauansuchen war ein Lageplan beigelegt, in dem das Bauvorhaben als bis zur Gemeindestraße hin reichend (Grundstück Nr 1982) eingezeichnet war. Da der kellerartige Anbau bis an die Grundgrenze reichen sollte, erteilte der Bürgermeister mit der Baubewilligung die dafür erforderliche Genehmigung. Mit Bescheid vom wurden die Abstände der Terrasse zur gegenüberliegenden Randsteinkante mit 5,9 bis 5,6 m festgelegt. Nach der Durchführung der Bauarbeiten wurden die Terrasse und die Begrenzungsmauer wieder an der ursprünglichen Stelle errichtet.

Nach einer Ortsvermessung wurde bereits im Jahr 1967 ein Lageplan (GZ 11.507/65) erstellt, aus dem sich deutlich eine Abweichung der "Grenzmauer" von der Katastermappengrenze ergab. Daß die damalige Eigentümerin der Liegenschaft Anna B***** oder sonst Angehörige der Familie B***** davon Kenntnis erlangt hätten, konnte nicht festgestellt werden. Sämtliche Beteiligten, darunter auch der damalige Bürgermeister der Beklagten, waren im Glauben, daß die im Jahre 1949 errichtete Grenzmauer an der planmäßigen Grundstücksgrenze verläuft. Tatsächlich ragte diese Mauer - wie auch nunmehr der Kelleranbau und die an derselben Stelle errichtete Grenzmauer - am Nordostrand der Liegenschaft der Klägerin um 0,16 m und am Südostrand um 0,11 m in die Parzelle Nr 1982 hinein. Das ergibt eine Fläche von rund 8 m2.

Im Jahr 1990 erteilte Johann G*****, der Ehegatte einer Gesellschafterin der Klägerin, der seit 1982 die Bau- und Grundangelegenheiten der Klägerin besorgt, den Auftrag zur Vermessung der östlichen Grundgrenze der Liegenschaft EZ 323 Grundbuch S*****. Durch diese Vermessung erfuhr die Klägerin erstmals, daß der kellerartige Anbau und die - mittlerweile überdachte - Terrasse teilweise in das Grundstück Nr 1982 hinragen (Lageplan des Dipl.Ing.Heinrich H***** vom , GZl 2.928/90-1).

Die Klägerin begehrt gegenüber der Beklagten die Feststellung, daß sie durch Ersitzung und durch redliche Bauführung außerbücherliche Alleineigentümerin der im Lageplan des Dipl.Ing.Heinrich H***** vom , GZl 2.928/90, blau eingezeichnete Teilfläche des Grundstücks Nr 1982 EZ 229 Grundbuch S***** geworden und die Beklagte schuldig sei, in die lastenfreie Abschreibung dieser Teilfläche aus der EZ 229 Grundbuch S***** und Zuschreibung zu der im Alleineigentum der Klägerin stehenden Liegenschaft EZ 323 Grundbuch S***** einzuwilligen. Weiters beantragt die Klägerin, sie schuldig zu erkennen, der Beklagten binnen 14 Tagen ab Verbücherung des Eigentumsrechtes gemäß § 418 Satz 3 ABGB den gemeinen Wert der streitgegenständlichen Teilfläche von "jedenfalls S 48.000" (AS 65 und 165) zu ersetzen. Die Klägerin habe an dem strittigen Grundstücksteil sowohl durch Ersitzung als auch durch redliche Bauführung Eigentum erworben. Dieser sei seit 1950 nicht mehr als öffentlicher Weg (Straße) benützt worden. Die Beklagte habe bereits im Jahr 1950 die redliche Bauführung an der strittigen Teilfläche eingeräumt. Diese Rechteeinräumung sei durch den Baubewilligungsbescheid vom wiederholt worden. Wegen dieses Eigentumserwerbes habe die Beklagte nach der Ortsvermessung der Jahre 1965 bis 1967 keine Rückforderungsansprüche erhoben.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Der strittige Grundstreifen stehe als Ortsstraße (Gemeindestraße) im Gemeingebrauch. Für eine Ersitzung daran fehle es an der Rechtmäßigkeit und Redlichkeit des Besitzes der Klägerin und deren Rechtsvorgänger. Eine Ersitzung sei aber auch deshalb nicht möglich, weil die Ausübung von Nutzungsrechten an Gemeindestraßen durch das Salzburger Landesstraßengesetz verboten sei. Auch durch eine Bauführung könne an einer im Gemeingebrauch stehenden Liegenschaft Eigentum nicht erworben werden. Außerdem seien die jeweiligen Bauführer nicht gutgläubig gewesen. Schon im Zuge der Ortsvermessung sei der Rechtsvorgängerin der Klägerin bekannt geworden, daß die im Jahr 1949 hergestellte Grenzmauer zum Teil auf dem Straßengrundstück der Beklagten errichtet worden sei. Auch anläßlich der Bauführung im Jahre 1984 habe die Beklagte keine Zustimmung zur teilweisen Bebauung des Straßengrundstückes erteilt. Der Klägerin sei nur die Genehmigung erteilt worden, bis zur Grundgrenze heranzubauen. Die Festlegung der Abstände der Begrenzungsmauer zum gegenüberliegenden Gehsteigrand sei irrtümlich erfolgt. Die Beklagte sei von der Richtigkeit des von der Klägerin diesem Bauansuchen beigelegten Lageplanes ausgegangen. Die Klägerin habe nunmehr die Terrasse in Form eines Wintergartens verbaut. Auch dieser "Schwarzbau" schließe ihre Redlichkeit aus.

Das Erstgericht gab dem auf Feststellung des Eigentumsrechtes der Klägerin an dem strittigen Grundstücksteil gerichteten Begehren sowie dem Verbücherungsbegehren statt. Die Klägerin und ihre Rechtsvorgänger hätten diesen Grundstücksteil länger als 40 Jahre wie Eigentümer benützt. Der Beklagten sei der ihr obliegende Beweis deren Schlechtgläubigkeit nicht gelungen. Die Voraussetzungen für eine Ersitzung seien daher gegeben.

Das Berufungsgericht wies sämtliche Begehren der Klägerin ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Die Ersitzung eines Privatrechts sei zwar grundsätzlich auch am öffentlichen Gut möglich, sie sei aber ausgeschlossen, wenn die Ausübung von Nutzungsrechten daran verboten sei. Schon das - 1948 wiederverlautbarte - Salzburger Landesstraßengesetz 1933 habe in § 7 Abs 1 ein Ersitzungsverbot enthalten. Dieses sei durch die Novelle 1955 auf alle Fälle einer Sondernutzung ausgedehnt worden. Selbst wenn das Ersitzungsverbot erst im Jahr 1955 wirksam geworden wäre, hätten die Klägerin und ihre Rechtsvorgänger das Eigentumsrecht an dem strittigen Straßengrundstücksteil nicht ersitzen können, weil dann damals die 40-jährige Ersitzungszeit unterbrochen worden wäre. Aber auch ein Eigentumserwerb durch redliche Bauführung komme nicht in Betracht. Die Errichtung einer Grenzmauer im Jahr 1949 habe dabei außer Betracht zu bleiben, weil nur selbständige Bauwerke, nicht aber Grenzzäune und Grenzmauern unter die Bestimmung des § 418 ABGB fielen. Der Kelleranbau im Jahr 1984 erfülle allerdings diese Voraussetzung. Die Klägerin sei bei dieser im Grenzbereich einer Nachbarliegenschaft vorgenommenen Bauführung jedoch nicht als redlich anzusehen, weil sie sich nicht hinreichend informiert habe, ob sie auf eigenem oder auf fremdem Grund baut. Da im Zuge der Ortsvermessung schon im Jahr 1967 ein Lageplan erstellt wurde, auf dem die Abweichung der Katastergrenze zum Bestand der Grenzmauer ersichtlich gewesen sei, müsse davon ausgegangen werden, daß die Klägerin diese Abweichung durch Zuziehung eines Geometers hätte erkennen können. Die Klägerin habe sich aber lediglich auf den von ihrem Architekten verfaßten Lageplan gestützt, der nicht ausgereicht habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Gegenstand der Ersitzung ist nach § 1455 ABGB alles, was erworben werden kann. Diese Anordnung ist jedoch zu weit gefaßt. Ersitzbar sind nur private Vermögensrechte, die Gegenstand des Besitzes sein können. Dazu gehören jedenfalls auch Teilflächen eines einzelnen Grundstückes (Schubert in Rummel, ABGB Rz 1 f zu § 1455). Auch an öffentlichem Gut können Privatrechte, insbesondere Eigentum, durch Ersitzung erworben werden (Schubert aaO mit zahlreichen Judikaturhinweisen; Spielbüchler aaO Rz 5 zu § 287), sofern die Ausübung von Nutzungsrechten daran nicht ausdrücklich verboten ist (SZ 36/130; Klang2 IV 571; Schubert aaO; Spielbüchler aaO; Mader in Schwimann, ABGB Rz 7 zu § 1460; Pimmer in Schwimann aaO Rz 13 zu § 287).

Landes- und Gemeindestraßen stehen nach den Salzburger Landesstraßengesetzen im Gemeingebrauch. Über den Gemeingebrauch hinausgehende Sondernutzungen stehen nur demjenigen zu, der hiezu eine Bewilligung besitzt (Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht2 630; Walter-Mayer, Handbuch des besonderen Verwaltungsrechts2, 538; Adamovich, Handbuch des österreichischen Verwaltungsrechts5 II 91; Krzizek, Das öffentliche Wegerecht, 70 f). Die - im Ersitzungszeitraum geltenden - Salzburger Landesstraßengesetze (§ 7 Abs 1 Salzburger LandesstraßenG 1948 LGBl Nr 41, § 7 Abs 1 dieses Gesetzes idF der Landesstraßengesetznovelle 1955 LGBl Nr 57 sowie § 8 Abs 1 Salzburger Landesstraßengesetz 1972 LGBl Nr 119) sahen dazu jeweils übereinstimmend vor, daß jede Benützung von öffentlichen Straßen und der dazugehörigen Anlagen für andere Zwecke als zu Zwecken des Verkehrs sowie deren Änderung der Bewilligung der Straßenverwaltung bedarf. § 7 Abs 1 letzter Satz Salzburger Landesstraßengesetz 1948 enthält darüberhinaus die Anordnung, daß durch die besondere Inanspruchnahme der Straße aufgrund einer Bewilligung der Straßenverwaltung ein dingliches Recht nicht ersessen werden kann. Durch die Landesstraßennovelle 1955 wurde diese Bestimmung dahin abgeändert, daß die Worte "aufgrund einer Bewilligung der Straßenverwaltung" zu entfallen haben. Auch das derzeit geltende Salzburger Landesstraßengesetz 1972 enthält in § 8 Abs 1 letzter Satz die Bestimmung, daß durch die besondere Benützung der Straße ein Recht nicht ersessen werden kann. Ob nun die Anordnung, daß Sondernutzungen an Straßen der Bewilligung durch die Straßenverwaltung bedürfen, ein ausdrückliches Verbot solcher Sondernutzungen enthält, oder ob schon § 7 Abs 1 letzter Satz Salzburger Landesstraßengesetz 1948 als Verbot der Ersitzung im Wege nicht besonders bewilligter Sondernutzungen aufzufassen war, so daß schon zum Zeitpunkt der Inbesitznahme des streitgegenständlichen Grundstreifens durch die Rechtsvorgänger der Klägerin die Ersitzung (ua) des Eigentumsrechtes an Salzburger Landes- und Gemeindestraßen ausgeschlossen war, muß im vorliegenden Fall nicht geprüft werden. Zumindest hinderte die Salzburger Landesstraßennovelle 1955 - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat - durch die allgemeine Fassung eines Ersitzungsverbotes den weiteren Lauf einer allenfalls schon im Jahr 1949 begonnenen Ersitzungszeit (vgl dazu die zu einem gleichartigen Verbot in § 4 Abs 5 WRG ergangenen Entscheidungen EvBl 1979/213 und SZ 56/111).

Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, daß der bebaute Teil des Straßengrundstücks schon seit 1949 nicht mehr als Straße dienen konnte. Tatsächlich ist dieser Grundstreifen öffentliches Gut und für den Gemeingebrauch gewidmet. Wenn die geringfügige besondere Inanspruchnahme durch die Klägerin und ihre Rechtsvorgänger auch den Zweck der Widmung nicht wesentlich hinderte, so ist doch im Interesse der Allgemeinheit daran festzuhalten, daß öffentliches Gut durch privatrechtliche Akte nicht dem Gemeingebrauch entzogen werden kann, was aber durch die Errichtung der Grenzmauer als auch auf die Bauführung im Jahr 1984 geschehen ist. Mit Recht hat daher das Berufungsgericht Eigentumserwerb durch Ersitzung verneint.

Ob die Klägerin anläßlich der maßgeblichen Bauführung im Jahr 1984 redlich war, muß ebenfalls nicht geprüft werden. § 8 Abs 1 Salzburger Landesstraßengesetz 1972, wonach jede Benutzung von Straßen und der dazugehörigen Anlagen für andere Zwecke als für Zwecke des Verkehrs sowie deren Änderung der Zustimmung der Straßenverwaltung bedarf (Satz 1) und durch die besondere Nutzung der Straße kein Recht ersessen werden kann, verhindert nicht nur die Ersitzung von Rechten an Straßengrundstücken. Der Sinn der Vorschrift liegt vielmehr darin, das Entstehen von Privatrechten an den im Gemeingebrauch stehenden Straßen zu verhindern; sie steht daher auch dem Eigentumserwerb durch redliche Bauführung entgegen.

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.