OGH vom 09.07.1992, 7Ob574/92
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Schwarz und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Wolfgang P*****, vertreten durch Dr.Hilbert Seidel, Rechtsanwalt in Hallein, wegen S 204.622,44 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom , GZ 2 R 238/91-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom , GZ 13 Cg 236/90-11, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil, das in seinem Ausspruch über die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens als unangefochten unberührt bleibt, wird im übrigen dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 32.095,20 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 12.000 Barauslagen und S 3.349,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Kaufvertrag und Vergleich vom veräußerte die klagende Partei dem Beklagten ihr auf dem Grundstück des Käufers errichtetes Superädifikat um S 2,4 Mill. Da zwischen der Errichtung des Superädifikates und der Veräußerung nur 5 Jahre gelegen waren, war die klagende Partei zur Berichtigung des Vorsteuerabzuges um den auf die Errichtungskosten entfallenden anteiligen Umsatzsteuerbetrag verpflichtet. Sie stellte den aufgrund dieser Berichtigung an die Republik Österreich bezahlten Betrag von S 204.622,44 dem Beklagten nachträglich am in Rechnung.
Das Erstgericht wies das auf Bezahlung dieses Betrages sA gerichtete Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen wurden anläßlich eines Rechtsstreites zwischen den Parteien Vergleichsgespräche geführt. Hiebei wurde für den Kauf des Superädifikates durch den Beklagten von einem Kaufpreis in Höhe von S 2,3 bis 2,4 Mill. gesprochen. Vom damaligen Verfahrenshelfer des Beklagten wurde der klagenden Partei in der Folge mitgeteilt, daß eine Finanzierung in dieser Höhe gesichert sei. Von einer Mehrwertsteuer war nie die Rede; es wurde auch bei den weiteren Kaufverhandlungen über die Mehrwertsteuer nicht gesprochen. Von einem Mitarbeiter des Klagevertreters wurde ein Kaufvertrag und Vergleich verfaßt und dem Beklagten zur Unterfertigung übermittelt. Der Beklagte, der damals nicht mehr rechtsfreundlich vertreten war, unterfertigte den Vertrag am . Im Vertrag war eine Mehrwertsteuer nicht gesondert ausgewiesen. Der Beklagte bezahlte zwar den ihm von der klagenden Partei in Rechnung gestellten Mehrwertsteuerbetrag nicht, sein Steuerberater stellte jedoch beim Finanzamt den Antrag auf Vorsteuerrückerstattung. Der Beklagte erhielt unter Berücksichtigung eines offenen Saldos vom Finanzamt einen Betrag von S 190.000 rückerstattet.
Nach der Auffassung des Erstgerichtes sei der Verkäufer nicht berechtigt, vom Käufer aus irgendeinem Titel nachträglich Zuschläge zu dem vereinbarten Kaufpreis zu machen. Der Käufer dürfe darauf vertrauen, nicht mehr als den vereinbarten Kaufpreis bezahlen zu müssen. Im Kaufpreis sei regelmäßig auch die Umsatzsteuer eingeschlossen. Eine allfällige gesonderte Ausweisung der Umsatzsteuer erleichtere nur die Feststellung der Vorsteuer, die der seinerseits umsatzsteuerpflichtige Empfänger von seiner Umsatzsteuerschuld abziehen könne.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil lediglich in der Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens, änderte es jedoch im übrigen im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens ab. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig ist.
Das Berufungsgericht ging davon aus, daß die klagende Partei dem Beklagten mit der nachträglichen Rechnung vom nicht, wie das Erstgericht offensichtlich meint, die Umsatzsteuer aus dem Kauf des Superädifikates anlastete. Umsätze von Grundstücken, wozu auch der Kauf eines Superädifikates gehöre, seien, von dem hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmefall abgesehen, grundsätzlich umsatzsteuerfrei. Die nachträgliche Rechnungslegung der klagenden Partei stelle vielmehr einen Vorgang im Sinne des § 12 Abs 14 UStG dar. Danach sei ein Unternehmer, der ein Grundstück bzw ein Gebäude auf fremdem Grund steuerfrei liefere und deshalb eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges nach § 12 Abs 10 UStG vorzunehmen habe, berechtigt, dem Empfänger der Leistung die korrigierte Vorsteuer gesondert in Rechnung zu stellen. Sei der Empfänger, wie hier der Beklagte, ein Unternehmer, der die sonstigen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfülle, so könne er diesen Betrag nach § 12 Abs 14 letzter Satz UStG als Vorsteuer geltend machen. Diese Regelung sehe zur Vermeidung einer umsatzsteuerlichen Belastung von Grund und Boden im Fiktionswege ein Vorsteuerabzugsrecht des Grundstückserwerbers für jene Beträge vor, die der Lieferer aufgrund des steuerfreien Umsatzes nach § 12 Abs 10 UStG berichtigen müsse. Um diesen Vorsteuerabzug zu ermöglichen, werde der Lieferer des Grundstückes berechtigt, diese Beträge in der Rechnung an den Abnehmer gesondert auszuweisen. Dies habe die klagende Partei getan, und der Beklagte habe den Betrag beim Finanzamt als Vorsteuer geltend gemacht. Er habe somit die Vorsteuer lukriert, ohne die entsprechende Gegenleistung zu erbringen. Ob sich die Verpflichtung des Käufers zur Zahlung der berichtigten Umsatzsteuer an den Verkäufer schon aus § 12 Abs 14 UStG ergebe oder ob es hiefür einer gesonderten Vereinbarung bedürfe, könne dahingestellt bleiben, weil jedenfalls eine Vertragsergänzung zu dem Ergebnis führe, daß die Vertragspartner, hätten sie die vorzunehmende Vorsteuerkorrektur bedacht, im Sinne einer Ersatzpflicht übereingekommen wären; dies umso mehr, als der Käufer durch ein Vorgehen im Sinne des § 12 Abs 14 UStG in keiner Weise beschwert werde. Die Verweigerung der Zustimmung zu einer mit keinerlei Nachteilen verbundenen nachträglichen Vertragsänderung, die dem Vertragspartner Vorteile bringe, sei sittenwidrig. Auch unter diesem Gesichtspunkt könne die Verpflichtung des Beklagten zur Begleichung der ihm in Rechnung gestellten korrigierten Vorsteuer nicht zweifelhaft sein. Solange der Beklagte durch den Vorsteuerabzug profitiere, sich aber weigere, der klagenden Partei den ihm erstatteten Betrag zu bezahlen, sei er um diesen Betrag auch ungerechtfertigt bereichert. Das Argument des Beklagten, er habe seinerseits das Gebäude bereits wieder verkauft, was zu einer Vorsteuerabzugsberichtigung geführt habe, sei nicht stichhältig. Der Beklagte übersehe hiebei, daß er nach § 12 Abs 14 UStG seinerseits wieder die Möglichkeit habe, dem Käufer die korrigierte Vorsteuer gesondert in Rechnung zu stellen und dadurch eine Belastung zu vermeiden.
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Beklagten ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Auszugehen ist davon, daß, wie das Erstgericht richtig erkannt hat, der Käufer nur den vereinbarten Kaufpreis schuldet. Der vom Verkäufer geforderte Preis enthält auch die Umsatzsteuer, wenn nichts anderes vereinbart wurde bzw kein abweichender Handelsbrauch besteht (Aicher in Rummel2 Rz 17 zu § 1054; SZ 60/50; SZ 48/30). Richtig ist, daß Umsätze von Grundstücken, denen Gebäude auf fremdem Grund gleichstehen (§ 2 Abs 2 Z 2 GrEStG 1987; Kranich-Siegl-Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer III Anm 153 zu § 6) nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Gleichwohl kann ein solcher Vorgang zu einer umsatzsteuerlichen Belastung führen, wenn Vorsteuern für die Herstellung des Gebäudes, das der Unternehmer nach § 6 Z 9 lit a UStG steuerfrei liefert, aufgrund der Vorschriften des § 12 Abs 10 bis 12 UStG berichtigt werden müssen. Der von der klagenden Partei begehrte Betrag resultiert auch aus einer solchen Vorsteuerberichtigung. Dieser steuerrechtliche Vorgang ändert aber daran nichts, daß der Käufer grundsätzlich nur den vereinbarten Kaufpreis schuldet. Dem Standpunkt der klagenden Partei, sie sei gemäß § 12 Abs 14 UStG berechtigt, die Vorsteuerberichtigung zusätzlich zum vereinbarten Kaufpreis vom beklagten Käufer zu begehren, kann nicht gefolgt werden. Gemäß § 12 Abs 14 UStG ist ein Unternehmer, wenn er nach § 6 Z 9 lit a steuerfrei ein Grundstück liefert und aus diesem Grund ein Vorsteuerabzug nach § 12 Abs 3 dieses Gesetzes ausgeschlossen oder eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges nach § 12 Abs 10 bis 12 vorzunehmen ist, berechtigt, dem Empfänger der Lieferung den vom Vorsteuerabzug ausgeschlossenen oder aufgrund der Berichtigung geschuldeten Betrag - soweit er auf die Lieferung des Grundstückes entfällt - gesondert in Rechnung zu stellen. Dieser in der Rechnung gesondert ausgewiesene Betrag gilt für den Empfänger der Lieferung als eine für eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung gesondert in Rechnung gestellte Steuer (§ 12 Abs 1 Z 2 UStG). Durch diese Regelung sollen nach den Erläuterungen der Regierungsvorlage (715 BlgNR 16. GP) jene nachteiligen Folgen beseitigt werden, welche den Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom (VfSlg 10.405) bewogen haben, § 6 Z 9 lit a UStG als verfassungswidrig aufzuheben. Zur Vermeidung einer umsatzsteuerlichen Belastung von Grund und Boden im Unternehmerbereich sieht die Regelung des § 12 Abs 14 UStG im Fiktionswege ein Vorsteuerabzugsrecht des Grundrückserwerbers für jene Beträge vor, die der Lieferer aufgrund des steuerfreien Umsatzes nach § 12 Abs 3 UStG nicht als Vorsteuer abziehen kann oder die er aufgrund des steuerfreien Umsatzes nach § 12 Abs 10 bis 12 UStG berichtigen muß. Um diesen Vorsteuerabzug zu ermöglichen, wird der Lieferer des Grundstückes berechtigt, diese Beträge in der Rechnung an den Abnehmer gesondert auszuweisen (Kranich-Siegl-Waba, aaO Rz 253 f zu § 12). Regelmäßig wird nämlich bei richtiger betriebswirtschaftlicher Kalkulation die Umsatzsteuerbelastung im geforderten Kaufpreis berücksichtigt werden. Auch die Beträge, die der veräußernde Unternehmer gemäß § 12 Abs 14 UStG gesondert ausweisen darf, sind aber grundsätzlich nur ein Teil des Kaufpreises. Die Berechtigung zur gesonderten Ausweisung erfolgte nur aus umsatzsteuerrechtlichen Gründen. Der § 12 Abs 14 UStG hat daher auf die zivilrechtliche Leistungspflicht keinen Einfluß. Aus ihm folgt keineswegs, daß der Veräußerer jenen Betrag, der seinen umsatzsteuerlichen Nachteilen entspricht, zusätzlich zum vereinbarten Kaufpreis (der im Zweifel auch die Umsatzsteuer umfaßt) vom Käufer fordern darf (Arnold, Die gebühren- und verkehrssteuerrechtlichen Bestimmungen im AbgÄG 1985 in ZGV 1985, 23, 28 f). Hat daher der Veräußerer eine umsatzsteuerliche Belastung aus einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs durch falsche betriebswirtschaftliche Kalkulation oder aus welchen Gründen immer bei Festsetzung des Kaufpreises nicht berücksichtigt oder deren Ersatz nicht ausdrücklich vereinbart, kann er durch nachträgliche Ausweisung dieses Betrages im Sinne des § 12 Abs 14 UStG keine zusätzliche Zahlungspflicht des Käufers bewirken.
Auch nach Bereicherungsrecht ist der Anspruch der klagenden Partei nicht berechtigt. Das Bereicherungsrecht hat nur die Aufgabe, ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen, und es ist daher unzulässig, Verträge mit Hilfe des Bereicherungsrechtes zu korrigieren. Wer ein ungünstiges Geschäft abgeschlossen hat, kann seinen Nachteil nicht durch das Bereicherungsrecht ausgleichen (Koziol-Welser8 I 381; Rummel in Rummel ABGB Rz 5 vor § 1431). Es ist daher unerheblich, ob und in welchem Ausmaß der Beklagte allenfalls die Vorsteuer auf einen Rechtsnachfolger überwälzen kann. Ein solcher Vorteil des Beklagten beruht auf der freien Kaufpreisvereinbarung zwischen den Parteien. Es kann daher auch keine Rede davon sein, daß die nachträgliche Vertragsänderung für den Beklagten mit keinerlei Nachteil verbunden wäre. Aus der Entscheidung SZ 60/50 ist für den Standpunkt der klagenden Partei nichts zu gewinnen, weil der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt durch eine nachträgliche Gesetzesänderung gekennzeichnet war. Eine Vertragsergänzung setzt eine Vertragslücke voraus (Rummel aaO Rz 9 zu § 914). Die Vereinbarung eines bestimmten Kaufpreises (der im Zweifel auch die Umsatzsteuerbelastung des Verkäufers enthält) schließt die Annahme einer Vertragslücke aus. Ob allenfalls eine Vertragskorrektur nach den Regeln über den Kalkulationsirrtum möglich wäre, kann unerörtert bleiben, weil in dieser Richtung nicht einmal ein Sachvorbringen erstattet wurde.
Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.