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OGH vom 30.09.2014, 10ObS110/14w

OGH vom 30.09.2014, 10ObS110/14w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr.

Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ing. Thomas Bauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch MMag. Eva Kathrein, Rechtsanwältin in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Pensionserhöhung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 23 Rs 21/14f 23, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger, ein deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Deutschland, bezieht von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt eine Invaliditätspension samt Kinderzuschuss.

Mit Bescheid vom sprach die beklagte Partei aus, dass die Pension des Klägers ab mit dem Faktor 1,018 vervielfacht werde, sodass diese ab 70,86 EUR monatlich zuzüglich eines Kinderzuschusses für drei Kinder von 87,21 EUR, insgesamt daher 158,07 EUR monatlich, betrage.

Das Erstgericht wies die vom Kläger dagegen rechtzeitig erhobene und auf eine Vervielfachung der Pension ab mit dem Faktor 1,028 anstelle des Faktors 1,018 gerichtete Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, der von der beklagten Partei angewendete Vervielfachungsfaktor von 1,018 ab entspreche den gesetzlichen Vorgaben von § 108h Abs 1 erster Satz und Abs 5 ASVG iVm § 666 Abs 3 ASVG idF des Stabilitätsgesetzes 2012. Der Umstand, dass Ausgleichszulagen mit einem höheren Faktor als die Pensionsleistungen vervielfacht werden, stelle keine Diskriminierung des Klägers dar, da es sich bei Pensionsleistungen und Ausgleichszulage um unterschiedliche Leistungen mit unterschiedlichem Rechtscharakter und unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen handle.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte im Wesentlichen aus, dass die Pensionen aus der Pensionsversicherung gemäß § 108h Abs 1 ASVG mit Wirksamkeit ab 1. Jänner eines jeden Jahres nach dem vom Bundesminister für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz für jedes Kalenderjahr mit Verordnung festzusetzenden Anpassungsfaktor (§ 108f ASVG) zu vervielfachen seien. Durch § 666 Abs 3 ASVG idF des 2. Stabilitätsgesetzes 2012, BGBl I 2012/35, sei jedoch festgelegt worden, dass abweichend von § 108h Abs 1 erster Satz ASVG die Pensionen unter anderem im Kalenderjahr 2013 so zu erhöhen seien, dass der Anpassungsfaktor iSd § 108f ASVG im Kalenderjahr 2013 um einen Prozentpunkt (0,01) reduziert werde. Da der Anpassungsfaktor für 2013 1,028 betragen habe (vgl BGBl II 2012/387), bedeute dies für die Pension des Klägers einen Vervielfachungsfaktor von 1,018, wie er von der beklagten Partei zutreffend und vom Kläger in seiner Berufung inhaltlich auch nicht mehr bekämpft ermittelt worden sei.

Soweit der Kläger eine nach seiner Auffassung unionsrechtlich unzulässige Diskriminierung gegenüber Ausgleichszulagenbeziehern behaupte, weil die Ausgleichszulagenrichtsatzbeträge gemäß § 293 Abs 2 iVm § 108f ASVG mit dem durch das 2. Stabilitätsgesetz 2012 ungekürzten Anpassungsfaktor von 1,028 für 2013 erhöht worden seien, sei ihm Folgendes entgegenzuhalten:

Die Ausgleichszulage stelle eine Zusatzleistung zur Pension dar, die unabhängig von Beitragshöhe oder Versicherungsdauer ausbezahlt werde und ein vom Gesetzgeber garantiertes Mindesteinkommen im Pensionsalter darstelle, also wohl funktionell eine Art Mindestpension, rechtlich jedoch eindeutig als Leistung mit Fürsorgecharakter konzipiert sei. Aus unionsrechtlicher Sicht handle es sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl , Brey , Rn 33 ff; , Rs C 160/02, Skalka , Rn 22 ff) bei der Ausgleichszulage anders als bei der Invaliditätspension, die der Kläger beziehe um keine Leistung bei Invalidität iSd Art 3 Abs 1 lit c VO (EG) Nr 883/2004, sondern um eine beitragsunabhängige Geldleistung iSd Art 3 Abs 3 VO (EG) Nr 883/2004 iVm Anh X (früher: beitragsunabhängige Sonderleistung iSd Art 4 Abs 2a VO [EWG] Nr 1408/71). Die Ausgleichszulage sei danach als eine Sonderleistung einzustufen, weil sie die Alters oder Invaliditätsrente ergänze und Sozialhilfecharakter habe, soweit sie dem Empfänger im Fall einer unzureichenden Rente ein Existenzminimum gewährleisten solle sowie nach objektiven, gesetzlich festgelegten Kriterien gewährt werde. Die Ausgleichszulage sei weiters beitragsunabhängig, weil die Ausgaben einerseits zunächst von einem Sozialhilfeträger übernommen und diesem dann in voller Höhe vom betreffenden Bundesland erstattet werden, das die zur Finanzierung der Leistung erforderlichen Beträge aus dem Bundeshaushalt erhalte und andererseits die Beträge der Versicherten zu keiner Zeit in diese Finanzierung einbezogen werden. Die Ausgleichszulage, die also dem Empfänger im Falle einer unzureichenden Rente ein Existenzminimum gewährleiste, werde ohne jeden Beitrag des Versicherten vollständig durch die öffentliche Hand finanziert (EuGH Rs C 140/12, Brey , Rn 62; Rs C 160/02, Skalka, Rn 79).

Auch der Oberste Gerichtshof gehe in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass es sich bei der Ausgleichszulage um eine beitragsunabhängige Geldleistung iSd Art 3 Abs 3 VO (EG) Nr 883/2004 bzw (früher) um eine beitragsunabhängige Sonderleistung iSd Art 4 Abs 2a VO (EWG) Nr 1408/71 handle, auf die ausschließlich die durch Art 70 VO (EG) Nr 883/2004 (früher: Art 10a VO [EWG] Nr 1408/71) geschaffene Koordinierungsregelung anzuwenden sei. Nach dieser Koordinierungsregelung seien die beitragsunabhängigen Geldleistungen bzw Sonderleistungen nur vom jeweiligen Wohnsitzmitgliedstaat zu gewähren. Dies bedeute, dass auch aufgrund unionsrechtlicher Bestimmungen keine Verpflichtung zum Export der Ausgleichszulage in einem anderen EU Mitgliedstaat bestehe. Art 70 Abs 4 VO (EG) Nr 883/2004 schließe den Leistungsexport vielmehr insoweit aus (10 ObS 139/06y; 10 ObS 83/04k; RIS Justiz RS0116260 [T1]; Fuchs , Europäisches Sozialrecht 6 Art 70 Rz 19 ua).

Da somit die Ausgleichszulage als beitragsunabhängige Geldleistung iSd Art 3 Abs 3 VO (EG) Nr 883/2004 anders als die Invalidenrente des Klägers eine nicht exportierbare Leistung im Anwendungsbereich der VO (EG) Nr 883/2004 darstelle, könnten die Leistungen auch nach unionsrechtlichen Grundlagen nicht miteinander verglichen werden. Es sei daher einerseits möglich, dass die österreichische Rechtslage für den Bezug der Ausgleichszulage einen inländischen Aufenthalt (Wohnsitz) voraussetze, ohne gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art 18 AEUV zu verstoßen. Andererseits könne die österreichische Rechtslage andere Voraussetzungen zB für eine Anpassung zum Ausgleich des allgemeinen Geldwertverfalls vorsehen, ohne durch diese unterschiedliche Ausgestaltung in Konflikt mit Art 18 AEUV zu geraten.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision im Hinblick auf die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf die bereits vom Berufungsgericht zitierte und bei seiner Entscheidung berücksichtigte höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht zulässig.

Den Revisionsausführungen ist ergänzend noch Folgendes entgegenzuhalten:

1. Mit dem 2. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl I 2012/35, war als Beitrag der Pensionisten und Pensionistinnen zum sogenannten „Stabilitätspaket“ beschlossen worden, dass die Pensionserhöhung für 2013 um einen Prozentpunkt unter dem Anpassungsfaktor erfolgt (§ 663 Abs 3 ASVG). Da der Anpassungsfaktor 2,8 % betrug, wurden alle Pensionen einheitlich um 1,8 % erhöht.

2. § 293 Abs 2 ASVG regelt die regelmäßige (automatische) Anpassung der Ausgleichszulagenrichtsätze. Diese hat zu Beginn eines jeden Kalenderjahres mit dem Anpassungsfaktor nach § 108f ASVG zu erfolgen. Die Ausgleichszulagenrichtsätze wurden für das Jahr 2013 mit dem Anpassungsfaktor um 2,8 % erhöht.

2.1 In der Vergangenheit wurden die Richtsätze aber häufig (ad hoc) mit einem höheren Faktor angepasst. Dies hat im Verein mit anderen Maßnahmen bewirkt, dass in den letzten 20 Jahren die Ausgleichszulagenrichtsätze etwa doppelt so stark gestiegen sind wie die Pensionsanpassung im gleichen Zeitraum. Derartige soziale Staffelungen begegnen grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken ( Pfeil in SV Komm § 293 ASVG Rz 4 mwN).

3. Bei der Ausgleichszulage handelt es sich nach der bereits vom Berufungsgericht zitierten einheitlichen Rechtsprechung des EuGH und des Obersten Gerichtshofs um eine beitragsunabhängige Sonderleistung iSd Art 4 Abs 2a VO (EWG) Nr 1408/71 iVm Anh IIa dieser Verordnung bzw um eine beitragsunabhängige Geldleistung iSd Art 3 Abs 3 VO (EG) Nr 883/2004 iVm Anh X dieser Verordnung, welche nach Art 10a VO (EWG) Nr 1408/71 bzw Art 70 VO (EG) Nr 883/2004 nicht in einen anderen EU Mitgliedstaat zu exportieren ist (vgl auch 10 ObS 181/10f, ZAS 2013/7, 39 [ Kohlbacher ] mwN ua). Der Kläger hat daher unbestritten keinen Anspruch auf Gewährung der Ausgleichszulage.

4. Soweit der Kläger eine nach seiner Auffassung unionsrechtlich unzulässige Diskriminierung gegenüber Ausgleichszulagenbeziehern darin erblickt, dass die Ausgleichszulagenrichtsatzbeträge gemäß § 293 Abs 2 ASVG iVm § 108f ASVG für 2013 mit dem ungekürzten Anpassungsfaktor von 1,028 erhöht wurden, haben bereits die Vorinstanzen unter Hinweis auf die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung dargelegt, dass es sich bei der Invaliditätspension des Klägers um eine (auch) beitragsabhängige Leistung der sozialen Sicherheit bei Invalidität iSd Art 3 Abs 1 lit c VO (EG) Nr 883/2004 handelt, während die Ausgleichszulage eine beitragsunabhängige Geldleistung gemäß Art 3 Abs 3 iVm Art 70 VO (EG) Nr 883/2004 darstellt. Es handelt sich somit bei der Invaliditätspension des Klägers und bei der Ausgleichszulage auch unionsrechtlich um unterschiedliche Leistungen, die nicht von vornherein notwendigerweise eine Gleichbehandlung erfordern.

4.1 Bei der Ausgleichszulage handelt es sich, wie der EuGH bereits festgestellt hat, um eine Leistung, die dem Empfänger im Fall einer unzureichenden Pension ein Existenzminimum gewährleisten soll (, Skalka , Rn 26). Mit dieser Leistung wird daher ein legitimes Ziel der Sozialpolitik der Mitgliedstaaten verfolgt, das nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gemäß Art 4 Abs 1 RL 79/7/EWG des Rates vom zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit zu tun hat. Die Gewährung eines Einkommens in Höhe des sozialen Minimums bildet vielmehr einen integrierenden Bestandteil der Sozialpolitik der Mitgliedstaaten (vgl , Teuling , Rn 15 ff).

5. Es liegt daher entgegen der Rechtsansicht des Klägers keine unzulässige Diskriminierung aufgrund des Geschlechts iSd Art 4 Abs 1 RL 97/7/EWG des Rates vom zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit vor, weil alle Pensionen für 2013 einheitlich um 1,8 % erhöht wurden. Es liegt aber auch keine unzulässige Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit iSd Art 18 AEUV vor, weil auch ein österreichischer Pensionsbezieher, der beispielsweise wegen Bezugs einer zwischenstaatlichen Teilleistung, einer weiteren Pensionsleistung, wegen der Pension oder des Einkommens seines Ehepartners udgl keinen Anspruch auf Ausgleichszulage hat, für das Jahr 2013 so wie der Kläger nur Anspruch auf Pensionserhöhung um 1,8 % hat. Soweit der Kläger im Zusammenhang mit der Pensionserhöhung für 2013 schließlich auch einen Verstoß gegen das Recht auf Freizügigkeit iSd Art 21 Abs 1 AEUV und der „Freizügigkeitsrichtlinie“ RL 2004/38/EG geltend macht, sind seine Ausführungen für den erkennenden Senat nicht nachvollziehbar.

6. Da sich das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung somit auf bereits vorliegende, einheitliche höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen konnte und vom Kläger in seinen Revisionsausführungen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt wird, war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:010OBS00110.14W.0930.000