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OGH vom 23.03.2010, 10Ob20/10d

OGH vom 23.03.2010, 10Ob20/10d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Lorenzo P*****, geboren am , *****, vertreten durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung Bezirke 12, 13, 23, Rößlergasse 15, 1230 Wien), über den Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 553/09w-21, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Meidling vom , GZ 2 PU 141/09h 10, bestätigt wurde, den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts zu lauten hat:

„1. Dem Kind wird vom bis gemäß § 4 Z 5 UVG ein monatlicher Unterhaltsvorschuss in der Höhe von 112,70 EUR gewährt.

2. Der Präsident des Oberlandesgerichts Wien wird um die Auszahlung der Vorschüsse an die Zahlungsempfängerin ersucht.

3. Dem Unterhaltsschuldner wird aufgetragen, die Pauschalgebühr in Höhe von 56,35 EUR innerhalb von 14 Tagen zu bezahlen.

4. Dem Unterhaltsschuldner wird weiters aufgetragen, alle Unterhaltsbeträge - sonst hätten sie keine schuldbefreiende Wirkung - an das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (als gesetzlichen Vertreter des Kindes) zu zahlen.

5. Der Jugendwohlfahrtsträger wird ersucht, die bevorschussten Unterhaltsbeträge einzutreiben und, soweit eingebracht, monatlich dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien zu überweisen.

6. Das Mehrbegehren des Kindes auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen in einer weiteren Höhe von monatlich 9,39 EUR für den Zeitraum vom bis wird abgewiesen.“

Text

B e g r ü n d u n g :

Der am geborene Lorenz P***** ist der Sohn von Legosava P***** und Festim M*****. Dessen Vaterschaft wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Meidling vom rechtskräftig festgestellt. Über Antrag des Kindes erließ das Bezirksgericht Meidling am eine einstweilige Verfügung gemäß § 382a EO, mit der der Vater ab zur Leistung vorläufiger Unterhaltsbeiträge von 122,09 EUR monatlich verpflichtet wurde (ON 4). Die einstweilige Verfügung wurde dem Vater am zugestellt und ist rechtskräftig geworden.

Entsprechend dem am gestellten Antrag des Kindes (ON 5) bewilligte das Erstgericht Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 5 UVG in Höhe von 122,09 EUR monatlich für den Zeitraum vom bis .

Das Rekursgericht gab dem nur gegen die (über 112,70 EUR hinausgehende) Höhe des gewährten monatlichen Unterhaltsvorschusses gerichteten Rekurs des Bundes nicht Folge. Es teilte die Auffassung des Rekurswerbers, durch die Bezugnahme auf § 382a EO in § 4 Z 4 UVG werde klargestellt, dass keine über dem Grundbetrag der Familienbeihilfe liegenden Vorschüsse zu gewähren seien und daher für den Minderjährigen höchstens ein Unterhaltsvorschuss von 112,70 EUR begehrt werden könne. Das Erstgericht habe die Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 5 UVG aber aufgrund der einstweiligen Verfügung vom bewilligt, mit der ein vorläufiger Unterhalt gemäß § 382a EO in einer damit nicht in Einklang stehenden Höhe festgesetzt worden sei. In dem über § 8 Abs 2 FLAG hinausgehenden Zuspruch fehle der Provisorialentscheidung (zwar) auch nach Ansicht des Rekursgerichts die rechtliche Grundlage; die einstweilige Verfügung sei jedoch rechtskräftig geworden, obwohl dem Bund in diesem Verfahren keine Parteistellung und damit keine Beteiligungsmöglichkeit zugekommen sei. Da das Erstgericht die beantragten Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 5 UVG auf dieser Grundlage gewährt habe, könnten Bedenken gegen den zugrundeliegenden Titel in diesem Verfahrensstadium nicht aufgegriffen werden. § 7 Abs 1 UVG sehe nämlich explizit den Vorschussgrund des § 4 Z 5 UVG nicht vor und der Anwendungsbereich für begründete Bedenken iSd § 7 Abs 1 UVG sei bei einem Titel nach § 382a EO generell auszuschließen ( Neumayr in Schwimann I³ § 7 UVG Rz 9).

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Möglichkeit, die Höhe eines unrichtig festgesetzten Provisorialunterhalts gemäß § 382a EO im Verfahren zur Bewilligung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 5 UVG aus „auf rechtlichen Erwägungen beruhenden Bedenken“ zu reduzieren, fehle.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Bundes (ON 29) mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 4 Z 5 UVG in monatlicher Höhe von 112,70 EUR.

Die übrigen Verfahrensparteien haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.

Im Revisionsrekurs macht der Bund geltend, die Höhe sei von amtswegen zu beachten, auch wenn die einstweilige Verfügung unrichtigerweise auf einen anderen Betrag laute ( Neumayr in Schwimann I³ § 4 UVG Rz 103). Schon nach dem Gesetzeswortlaut sei ein Vorschuss nur insoweit zu gewähren, als der vorläufige Unterhalt nach § 382a EO nicht innerhalb eines Monats ab Zustellung bezahlt werde. Bezug genommen werde daher nicht auf den im konkreten Titel zugesprochenen Betrag, sondern auf den nach dem Gesetz zustehenden, der aber betragsmäßig begrenzt sei. Das sei gerechtfertigt, weil dem Präsidenten des Oberlandesgerichts (als Vertreter des Bundes) im Provisorialverfahren die Parteistellung fehle und auch keine dem § 7 UVG entsprechende Möglichkeit zur Geltendmachung von Bedenken gegen die Titelhöhe bestehe.

Diese Ausführungen sind berechtigt.

1. Vorschüsse nach § 4 Z 5 UVG (in der gemäß § 37 Abs 3 UVG hier noch anzuwendenden Fassung vor Inkrafttreten des FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75) sind zu gewähren, wenn der Unterhaltsschuldner den vorläufigen Unterhalt nach § 382a EO nicht rechtzeitig voll erbringt. Vorläufiger Unterhalt gemäß § 382a Abs 1 EO kann gemäß § 382a Abs 2 EO (in der gemäß § 414 EO hier noch anzuwendenden Fassung vor Inkrafttreten des FamRÄG 2009) „höchstens bis zum Grundbetrag der Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz bewilligt werden“.

2. Die Höhe des Vorschusses nach § 4 Z 5 UVG wird durch die einstweilige Verfügung nach § 382a EO determiniert. Durch die Bezugnahme auf § 382a EO in § 4 Z 5 UVG wird aber auch klargestellt, dass jedenfalls keine über dem „Grundbetrag der Familienbeihilfe“ liegenden Vorschüsse ausbezahlt werden können. Um die höhenmäßige Beschränkung effektiv werden zu lassen, ist sie im Vorschussverfahren von Amts wegen zu beachten, wenn die einstweilige Verfügung unrichtigerweise auf einen höheren Betrag lautet ( Neumayr in Schwimann , ABGB 3 I § 4 UVG Rz 103 mwN).

3. Dass diese Grundsätze für die Bewilligung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 5 UVG maßgebend sind, hat der zuständige Fachsenat des Obersten Gerichtshofs erst jüngst (10 Ob 81/09y und 10 Ob 11/10f jeweils vom ) ausdrücklich ausgesprochen. In diesen Entscheidungen wurde auch ausführlich begründet, weshalb die Wortfolge „bis zum Grundbetrag der Familienbeihilfe“ in § 382a EO (in der bis geltenden Fassung) so zu verstehen ist, dass darunter nur die in § 8 Abs 2 FLAG genannten, altersabhängigen Beträge zu verstehen sind, und die mit dem Bundesgesetz BGBl I 2008/31 eingeführte „13. Familienbeihilfe“ (§ 8 Abs 8 FLAG) nicht anteilig in den „Grundbetrag der Familienbeihilfe“ einzubeziehen ist.

4. Wie bereits in der Entscheidung 10 Ob 81/09y sind daher auch im vorliegenden Fall die Beschlüsse der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass das darauf gerichtete Mehrbegehren abgewiesen wird.