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VfGH vom 28.11.1997, B1204/97

VfGH vom 28.11.1997, B1204/97

Sammlungsnummer

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Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung der die Familienbesteuerung betreffenden Bestimmungen des EStG 1988 mit E v , G168/96 ua.

Die belangte Behörde hat dadurch, daß sie den für die Kinder geleisteten Unterhaltszahlungen die steuerliche Anerkennung versagt hat (zur steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen an Ehegatten vgl. VfSlg. 13067/1992, S 567, und VfSlg. 13297/1992), Gesetzesbestimmungen angewendet, die vom Verfassungsgerichtshof mit dem eben zitierten Erkenntnis aufgehoben wurden. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß sich ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers als nachteilig erweist.

Kostenzuspruch.

In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-- und Reisekosten in Höhe von S 3.360,20, die dem Beschwerdeführer für seine Teilnahme an den öffentlichen mündlichen Verhandlungen im Gesetzesprüfungsverfahren erwachsen sind, enthalten.

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit S 38.500,-- bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Der Beschwerdeführer bezog in den Jahren 1994, 1995 und 1996 Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit. Im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung für 1994, 1995 und 1996 beantragte er die Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seinen vier Kindern und seiner Ehefrau.

2. Mit den nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof gemäß Art 144 Abs 1 B-VG bekämpften, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der Finanzlandesdirektion für Kärnten wurde die Anerkennung dieser Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung unter Berufung auf § 34 Abs 7 Einkommensteuergesetz 1988 idF des SteuerreformG 1993, BGBl. 818, versagt.

Der Beschwerdeführer behauptet in seinen Beschwerden die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz, auf Eheschließung und Familiengründung gemäß Art 12 EMRK, auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK und auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie die Verletzung von Rechten wegen Anwendung eines für verfassungswidrig erachteten Gesetzes; weiters wird ein Verstoß gegen das Übereinkommen über die Rechte des Kindes, BGBl. 7/1993, geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der Bescheide, in eventu die Abtretung der Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof beantragt.

3. Die belangte Behörde hat weder die Verwaltungsakten vorgelegt noch eine Gegenschrift erstattet.

II.Die Beschwerden sind im Ergebnis begründet.

1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis G168/96 ua. vom die Worte "und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen" in § 20 Abs 1 Z 1 EStG 1988, BGBl. 400, § 33 Abs 4 Z 3,§ 34 Abs 7 Z 1 und § 57 Abs 2 Z 3 lita EStG 1988 idF BGBl. 312/1992 sowie § 33 Abs 4 Z 3 lita und § 34 Abs 7 Z 1 und 2 EStG 1988 idF BGBl. 818/1993 als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Gemäß Art 140 Abs 7 B-VG ist ein vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenes Gesetz im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind einem Anlaßfall (im engeren Sinn) jene Fälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung, bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in jenem des Beginns der nichtöffentlichen Beratung über eine in der Beschwerdesache präjudizielle Gesetzesstelle anhängig sind (vgl. VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).

3. Die hg. zu B1204/97 protokollierte Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am , die zu B2472/97 protokollierte am eingelangt. Der Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung im Normenprüfungsverfahren G168/96 ua. war der . Die Gesetzesaufhebung (vgl. Pkt. II.1.) wirkt daher auch für sie.

Die angefochtenen Bescheide sind (soweit sie den für Kinder geleisteten Unterhaltszahlungen die steuerliche Anerkennung versagten) in Anwendung von als verfassungswidrig aufgehobenen Bestimmungen ergangen (zur steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen an Ehegatten vgl. VfSlg. 13067/1992, S 567, und VfSlg. 13297/1992). Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß sich ihre Anwendung für den Beschwerdeführer als nachteilig erweist. Der Beschwerdeführer ist demnach durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden. Die Bescheide waren daher aufzuheben.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

5. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 88 VerfGG. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist der Ersatz der für die Antragstellung in der zu B2472/97 protokollierten Beschwerde entrichteten Gebühr gemäß § 17a VerfGG in Höhe von S 2.500,-- sowie Umsatzsteuer in Höhe von S 6.000,-- enthalten.

Fundstelle(n):
GAAAD-80112