VfGH vom 14.12.1992, B1204/90
Sammlungsnummer
13302
Leitsatz
Anlaßfallwirkung der Aufhebung des fünften Satzes in § 18 Abs 7 der Dienst- und GehaltsO der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956 mit E v , G117/92.
Überdies Verletzung im Gleichheitsrecht mangels Begründung der bekämpften Dienstbeschreibung. Der als Begründung gedachte Satz:
"Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens konnte eine als außergewöhnlich hervorragend zu beurteilende Leistung nicht nachgewiesen werden." enthält weder eine Darstellung des Sachverhaltes noch eine rechtliche Begründung.
Spruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Graz ist schuldig, der Beschwerdeführerin zu Handen ihres bevollmächtigten Vertreters die mit 15.000,-- S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Die Beschwerdeführerin stand in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt Graz. Die Beschreibungskommission (Senat I) setzte ihre Dienstbeschreibung für das Jahr 1987 (bei einer nach dem Gesetz möglichen Beurteilung mit "ausgezeichnet", "sehr gut", "gut", "minder entsprechend" und "nicht entsprechend") mit "sehr gut" fest.
2. Der von der Beschwerdeführerin dagegen erhobenen Beschwerde gab die Beschwerdekommission in Beschreibungsangelegenheiten nicht statt und bestätigte die Dienstbeschreibung
der Erstbehörde.
3. Gegen diese von der Beschwerdeführerin als Bescheid gewertete Erledigung richtet sich die vorliegende, auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger gesetzlicher Bestimmungen geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.
4. Die Beschwerdekommission in Beschreibungsangelegenheiten als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
5.a) Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlaß dieser Beschwerde mit Beschluß vom , B1204/90, gemäß Art 140 Abs 1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des zweiten und des dritten Satzes in Abs 6 sowie des Abs 7 des § 18 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, LGBl. 17/1957, idF der Gesetze LGBl. 26/1961, 26/1980 und 37/1989 (im folgenden: DGOBG) eingeleitet.
b) Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G117/92, wurde in § 18 Abs 7 DGOBG der fünfte Satz ("Die Mitglieder der Beschwerdekommission sind in Ausübung ihres Amtes an keine Weisungen gebunden.") als verfassungswidrig aufgehoben, im übrigen jedoch das Gesetzesprüfungsverfahren eingestellt. Außerdem wurde verfügt, daß die Aufhebung mit Ablauf des in Kraft tritt.
6.a) Gemäß Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG ist die als verfassungswidrig aufgehobene Bestimmung des § 18 Abs 7 DGOBG auf den Anlaßfall nicht mehr anzuwenden. Die Aufhebung berührt zwar weder die Zuständigkeit noch die Gesetzmäßigkeit der Zusammensetzung der belangten Behörde, bindet diese jedoch an die Weisungen der vorgesetzten Behörde. Es ist daher nicht von vornherein ausgeschlossen, daß die Anwendung der aufgehobenen Bestimmung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war. Demnach ist die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
b) Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid überdies im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Dieses Recht wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 12166/1989) durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde ua. dann verletzt, wenn die Behörde bei der Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat. Ein willkürliches Verhalten ist der Behörde ua. auch dann anzulasten, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (s. zB VfSlg. 9147/1981, 9726/1983, 10057/1984), was auch dann zutrifft, wenn die Behörde es unterlassen hat, sich mit den Gründen auseinanderzusetzen, die für und gegen die von ihr getroffene Entscheidung zu sprechen scheinen, sodaß sie gar nicht in die Lage kommt, Gründe und Gegengründe einander gegenüber zu stellen und dem größeren Gewicht der Argumente den Ausschlag geben zu lassen (s. etwa VfSlg. 8526/1979, 8674/1979, 8808/1980, 9665/1983, 10942/1986).
Ein solcher Fehler ist der belangten Behörde im vorliegenden Fall unterlaufen.
Sie hat sich nämlich, was die Begründung des angefochtenen Bescheides betrifft, mit folgender (einem Formular entnommenen) Aussage begnügt:
"Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens konnte eine als außergewöhnlich hervorragend zu beurteilende Leistung nicht nachgewiesen werden."
Dem angefochtenen Bescheid fehlt somit, zumal auch die Dienstbeschreibung der Behörde I. Instanz keine Begründung enthält (auf die die belangte Behörde hätte verweisen können), jegliche Begründung für die Auffassung, daß die Dienstbeschreibung der Beschwerdeführerin für das Jahr 1987 nicht mit "ausgezeichnet", sondern lediglich mit "sehr gut" festzusetzen sei.
Damit verstieß die belangte Behörde nicht bloß gegen die aus § 58 und § 60 AVG erfließende verfahrensrechtliche Verpflichtung, "die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen"; eine Verpflichtung, deren Erfüllung unerläßlich ist, um der Partei des Verwaltungsverfahrens die Geltendmachung ihrer Rechte, den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes aber die uneingeschränkte Wahrnehmung ihrer Kontrollaufgabe zu ermöglichen (vgl. dazu etwa auch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 1076/75 und 1226/75, 8 f., sowie vom , 1703/75; ferner etwa VwSlgNF 2407 A/1972, 1216 F/1955; ).
Vielmehr weist der angefochtene Bescheid, da der als Begründung gedachte, oben wiedergegebene Satz weder eine Darstellung des Sachverhaltes noch eine rechtliche Begründung enthält, ihm also jeglicher Begründungswert fehlt, einen in die Verfassungssphäre reichenden Mangel auf (s. etwa VfSlg. 10057/1984, 10997/1986).
Die Beschwerdeführerin ist somit durch den angefochtenen Bescheid auch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid war somit aufzuheben, ohne daß zu prüfen war, ob die Beschwerdeführerin auch noch in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist.
7. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VerfGG. In den zuerkannten Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 2.500,-- S enthalten.