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OGH vom 12.03.1992, 8Ob523/92

OGH vom 12.03.1992, 8Ob523/92

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter S*****, vertreten durch Dr. Gottfried Eypeltauer und Dr. Alfred Hawel, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Tiefgarage H***** Errichtungs- und Betriebsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Angelika Truntschnig, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 60.000,-- s. A. infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom , GZ 6 R 171/91-11, womit das Urteil des Landesgerichtes Linz vom , GZ 2 Cg 241/90-5, infolge Berufung der klagenden Partei aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger hat einen auf dem H*****platz in L***** errichteten Tabaktrafikkiosk in Bestand genommen. Die Beklagte errichtete auf (unter) diesem Platz eine Tiefgarage; die Bauarbeiten dauerten 14 Monate.

Der Kläger begehrt die Verurteilung der beklagten Gesellschaft mbH zur Zahlung von S 60.000 mit der Begründung, er sei durch die Auswirkungen der Bauarbeiten in seiner Verkaufstätigkeit stark behindert worden, dies habe zu Umsatzeinbrüchen geführt. Innerhalb des Zeitraums von November 1988 bis März 1990 sei ein monatlicher durchschnittlicher Umsatzrückgang von 96.000 S zu verzeichnen gewesen; daraus errechne sich ein Umsatzentfall von S 1,728.000 und damit ein durchschnittlicher Gewinnentgang von S 397.000, aus prozeßökonomischen Gründen werde lediglich ein Teilbetrag von 60.000 S geltend gemacht. Die von der Beklagten durchgeführten Bauarbeiten hätten das ortsübliche Ausmaß bei weitem überstiegen, die Staub- und Lärmentwicklung sei zum Teil derart massiv gewesen, daß an einigen Tagen kein oder nur ein unerheblicher Kundenverkehr zu verzeichnen gewesen sei. Durch die Errichtung von Absperrungen sei der gesamte Kundenverkehr umgeleitet worden; die Kunden hätten, um zum Verkaufskiosk des Klägers zu gelangen, einen abgesperrten Gang beschreiten müssen. Trotz der Absperrungen sei zwar grundsätzlich ein Zugang möglich gewesen, aber gerade die "Laufkunden" hätten keine Einkäufe mehr getätigt. Das Klagebegehren wurde ausdrücklich auf die Bestimmung des § 364 a ABGB gestützt, hilfsweise auch auf Schadenersatz.

Die Beklagte wendete ein, mit der Errichtung der Tiefgarage die N***** Gesellschaft mbH beauftragt zu haben; eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Staub- und Lärmentwicklung wurde bestritten. Die Absperrungen seien in Abstimmung mit den zuständigen Behörden und unter Berücksichtigung der Interessen aller Anrainer vorgenommen worden. Der Kläger sei nicht aktiv legitimiert, weil Ansprüche nach § 364 a ABGB nur der Eigentümer der Liegenschaft geltend machen könne, nicht auch ein Bestandnehmer. Eine allfällige Beeinträchtigung des Klägers sei nicht auf eine unzulässige Emission zurückzuführen. Die bei Bauarbeiten unvermeidlichen Emissionen von Staub und Lärm hätten das ortsübliche Maß keinesfalls überschritten. Überdies sei § 364 a ABGB überhaupt nicht anwendbar, da er sich nicht auf Emissionen, die bei Bauarbeiten entstehen, beziehe; solche Arbeiten fielen nicht unter den Begriff "sonstige behördlich genehmigte Anlage". Letztlich sehe § 364 a ABGB auch keinen Ersatz des entgangenen Gewinnes vor.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch folgende wesentliche Feststellungen:

Der H*****platz in L***** ist annähernd quadratisch, in seiner Mitte befindet sich ein relativ großer Park. Der Platz hat eine wichtige Funktion als Bushaltestelle für den innerstädtischen und den Überlandverkehr. Unterhalb des Straßenzuges ***** V*****-Straße/V*****straße und - L-förmig erweitert - etwa zur Hälfte unter dem Straßenzug D*****straße/H*****straße errichtete die Beklagte eine Tiefgarage. Im Innenwinkel dieser L-förmigen Tiefgarage liegt der Kiosk des Klägers. In diesem Bereich sind einige Haltestellen innerstädtischer Bus- und O-Bus-Linien.

Der Zugang zum Kiosk, der früher an der Ecke des Parks stand und somit nach allen Seiten hin frei zugänglich war, wurde während der Bauarbeiten durch Absperrungen und Abplankungen erheblich eingeschränkt. Die Bundespolizeidirektion L***** hat aufgrund der Bauarbeiten umfangreiche Verkehrsmaßnahmen angeordnet, unter anderem die Abplankung von Gehsteigen und Anbringung von Verkehrsschildern für Fußgänger. Das Bauvorhaben der Beklagten wurde mit Bescheid des Magistrates der Stadt L***** vom bewilligt, die von der Bundespolizeidirektion L***** angeordneten Maßnahmen wurden zum Bestandteil dieses Bescheides erhoben. Auch Bushaltestellen in unmittelbarer Nähe der Trafik des Klägers wurden verlegt. Eine Vielzahl von Kunden bestätigte schriftlich, während der Bauarbeiten zur Errichtung der Tiefgarage infolge der dadurch bedingten Emissionen (Lärm, Staub, Gefährdung, erschwerter Zugang) den Tabaktrafikkiosk des Klägers weniger oder nicht mehr aufgesucht zu haben.

Das Erstgericht kam zu dem Ergebnis, ein Ausgleichsanspruch nach § 364 a ABGB komme nur dann zum Tragen, wenn zufolge der behördlichen Genehmigung der Anlage der Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs. 2 ABGB versage. Die baubehördliche Bewilligung verpflichte noch nicht zur Duldung der Emissionen. Da sich die Baumaßnahmen über eine Dauer von 14 Monaten erstreckten, hätte der Kläger dagegen etwas unternehmen können. Dem Kläger sei auch kein ersatzfähiger Schaden entstanden, weil die Staub- und Lärmemissionen die Kunden beeinträchtigt hätten, nicht aber unmittelbar auch den Kläger.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Berufungsgericht die Meinung, auch dem Bestandnehmer stehe gegen die rechtswidrige Beeinträchtigung seines Bestandrechtes an einer unbeweglichen Sache durch Dritte eine Unterlassungsklage zu, er könne auch einen Ausgleichsanspruch nach § 364 a ABGB geltend machen. Dieser Anspruch richte sich nicht nur gegen den Eigentümer des Nachbargrundstückes, sondern auch gegen einen Dritten, der die Liegenschaft aufgrund eines Rechtsverhältnisses zum Grundeigentümer für seine eigenen Zwecke benütze und durch Vorkehrungen auf dem Nachbargrundstück unzulässige Störungen hervorgerufen habe; ein gewisser Zusammenhang zwischen Sachherrschaft und Emission müsse gegeben sein. Dieser Zusammenhang sei im vorliegenden Fall schon aufgrund des Firmenwortlautes der beklagten Partei als "Tiefgarage H*****platz Errichtungs- und Betriebsgesellschaft mbH" offenkundig. Das Handeln der Baufirma sei der Beklagten zuzurechnen, weil diese aufgrund des zwischen ihr und der Baugesellschaft bestehenden Vertragsverhältnisses imstande gewesen wäre, störende Einwirkungen zu verhindern.

Der Ersatzanspruch des § 364 a ABGB sei im vorliegenden Fall analog zu gewähren. Eine dem § 364 a ABGB vergleichbare Situation werde von der Rechtsprechung in den Fällen angenommen, in denen, wie im vorliegenden Fall, durch eine Baubewilligung der Anschein der Gefahrlosigkeit und damit der Rechtmäßigkeit der bewilligten Maßnahme hervorgerufen werde. Der Geschädigte habe einen Ersatzanspruch, weil er im Interesse des Nachbarn Eingriffe in sein Eigentum hinnehmen müsse, die über die normale Duldungspflicht des § 364 Abs. 2 ABGB hinausgingen. Voraussetzung für eine Analogie zu § 364 a ABGB sei, daß dem Geschädigten ein Abwehrrecht genommen werde, das ihm nach dem Inhalt seines Eigentums an sich zugestanden wäre. Eine solche Analogie sei auch dann angezeigt, wenn die Anlage eine besondere Gefahrensituation schaffe und für den Betreiber der Anlage allfällige Schadensfolgen objektiv kalkulierbar seien. Dann sei es ihm auch zumutbar, dafür Sorge zu tragen, daß aus dem Bestehen der Anlage dem Nachbarn kein Schaden erwächst. Dieselbe Situation liege vor, wenn bei auf ein einmaliges Ereignis zurückzuführende Einleitungen von Schadstoffen jede Unterlassungsklage zu spät käme. In einer ähnlichen Lage habe sich der Kläger befunden. Die baubehördliche Genehmigung der Errichtung der Tiefgarage habe eine Rechtslage geschaffen, die der bei behördlich genehmigten Anlagen so ähnlich sei, daß eine analoge Anwendung des § 364 a ABGB gerechtfertigt erscheine. Im vorliegenden Fall sei es höchst zweifelhaft, ob der Kläger im Falle der Geltendmachung eines Unterlassungsanspruches noch vor Beendigung der Baumaßnahmen einen Exekutionstitel erwirken hätte können. Zu berücksichtigen sei auch, daß aufgrund der zum Zeitpunkt der Baumaßnahmen herrschenden Judikatur ein von einem Bestandnehmer gestellter Unterlassungsanspruch gemäß § 364 Abs. 2 ABGB von vornherein aussichtslos gewesen wäre. Dem Kläger könne nicht im nachhinein aufgrund der nunmehr geänderten Rechtsprechung vorgeworfen werden, er habe keinen Unterlassungsanspruch geltend gemacht.

Der vom Kläger geltend gemachte Schaden - Kunden hätten sich durch Lärm- und Staubeinwirkungen davon abhalten lassen, beim Kläger einzukaufen, wodurch er Umsatzrückgänge erlitten habe - sei durchaus ersatzfähig. Der Ausgleichsanspruch nach § 364 a ABGB umfasse nämlich auch den entgangenen Gewinn, § 1324 ABGB sei nicht anzuwenden.

Das Erstgericht werde zu prüfen haben, ob die vom Kläger behaupteten Einwirkungen das nach den ortsüblichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten und die ortsübliche Benützung des Grundstückes dadurch wesentlich beeinträchtigt wurde. Dabei sei zu berücksichtigen, daß in Gegenden, in denen zur Befriedigung des Verkehrsbedürfnisses Straßen gebaut, erweitert, verbessert oder repariert werden müssen, die Nachbarn für die Dauer dieser Arbeiten Beeinträchtigungen durch die damit verbundenen Einwirkungen ertragen müssen, soferne diese das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß nicht übersteigen. Der Umstand, daß der Kiosk des Klägers nur erschwert zugänglich war, stelle keine Emission im Sinne des § 364 a ABGB dar; Staub- und Lärmentwicklung im Zusammenhang mit Bauarbeiten sei aber nicht untypisch. Zu berücksichtigen sei auch, daß beide Streitteile offenbar Rechte an derselben Liegenschaft ausübten, der Kläger auf der Liegenschaft, die Beklagte darunter. Es liege daher nahe, daß beide ihre Rechte von derselben Person ableiteten. In einem solchen Falle sei maßgeblich, ob der Vertrag zwischen dem Grundeigentümer und der Beklagten als Garagenbetreiber die Baumaßnahmen und die damit verbundenen Beeinträchtigungen des Klägers deckte oder ob die Beklagte von sich aus das Verfügungsrecht über ihre Rechte ausübte bzw. so ausdehnte, daß damit die Sphäre des Klägers in rechtswidriger Weise beeinträchtigt wurde. Es sei auch denkbar, daß der Grundeigentümer in Verletzung eines bestehenden Vertrages mit dem Kläger der Beklagten mehr Rechte eingeräumt habe, als er ihr angesichts der Vereinbarung mit dem Kläger einräumen hätte dürfen; in einem solchen Fall könne der Kläger bei Gutgläubigkeit der Beklagten gegenüber dieser keine Ansprüche geltend machen. Diese Frage werde das Erstgericht mit den Parteien erörtern müssen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Ersturteil im Sinne einer Klagsabweisung wiederherzustellen.

Die Beklagte begehrte in der Rekursbeantwortung, dem Rechtsmittel des Klägers keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Beklagte vertritt in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, die Entscheidung des verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes vom (JBl.1990, 447), wonach auch dem Bestandnehmer bei rechtswidriger Beeinträchtigung des Bestandrechtes an einer unbeweglichen Sache durch Dritte eine Unterlassungsklage zustehe, sei unrichtig, derartige Ansprüche könnten nur vom Eigentümer geltend gemacht werden. Auch Spielbüchler habe die Entscheidung ablehnend kritisiert. Keinesfalls aber könne dem Bestandnehmer ein Ausgleichsanspruch nach § 364 a ABGB zugebilligt werden. Auch in der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung JBl. 1991, 247 werde dem Bestandnehmer kein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch im Sinne des § 364 a ABGB zugebilligt.

Unrichtig sei auch die vom Berufungsgericht vorgenommene analoge Anwendung des § 364 a ABGB. In den vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen habe der Oberste Gerichtshof nur ausnahmsweise eine analoge Anwendung der zitierten Bestimmung akzeptiert, es sei ausgeführt worden, daß die Frage der tatsächlichen Gefährlichkeit der Handlung wesentlich sei und es gerade diese Gefährdung sein müsse, die dem Geschädigten keine Möglichkeit mehr lasse, den sonst zu Recht bestehenden Unterlassungsanspruch geltend zu machen. Im vorliegenden Fall hätten allfällige Emissionen während der Bauführung keine Gefährdung für den Kläger oder dessen Objekt bedeutet. Es sei auch unrichtig, daß dem Kläger keine anderen rechtlichen Möglichkeiten zur Verfügung gestanden seien; er hätte innerhalb der 14monatigen Bauzeit jedenfalls Unterlassungsansprüche geltend machen können und es sei auch eine vorbeugende Unterlassungsklage möglich gewesen. Auch die Bestimmungen der §§ 340 ff ABGB und des Art.XXXVII EGZPO würden einen ausreichenden Schutz bieten; die dort eingeräumten Möglichkeiten stünden auch dem Bestandnehmer zu. Allfällige Einwendungen gegen die Art und Weise der Bauführung hätte der Kläger auch im Bauverfahren geltend machen können. Eine direkte Anwendung des § 364 a ABGB sei ausgeschlossen, da es sich bei einer Baustelle nicht um eine behördlich genehmigte Anlage im Sinne des § 364a ABGB handle.

Schließlich sei dem Kläger kein realer Schaden, der einen Gewinnentgang zur Folge hatte, entstanden. Es werde ein bloßer Vermögensschaden behauptet, ein solcher sei auch nach § 364 a ABGB nicht zu ersetzen. Die Emissionen hätten auch nicht den Kläger unmittelbar betroffen, sondern lediglich seine Kunden; der Schaden des Klägers sei daher nur ein mittelbarer und als solcher nicht ersatzfähig.

Letztlich überschreite das Berufungsgericht seine Kompetenzen, wenn es dem Erstgericht Feststellungen über Tatsachen auftrage, über die der Kläger nicht einmal ein konkretes Vorbringen erstattet habe.

Dazu wurde erwogen:

Nach der Entscheidung des verstärkten Senates vom ,

7 Ob 654/89 (SZ 62/204 = JBl.1990, 447 = ecolex 1990, 82 =

EvBl.1990/73 = ImmZ 1990, 88 = RdW 1990,153 = WoBl 1990/21),

steht nunmehr auch dem Bestandnehmer gegen die rechtswidrige Beeinträchtigung des Bestandrechtes an einer unbeweglichen Sache durch Dritte eine Unterlassungsklage gegen den Störer zu. Von dieser Ansicht, die im Einklang mit der in der Entscheidung zitierten herrschenden Lehre steht, abzugehen, besteht trotz der Kritik von Spielbüchler (in JBl.1991, 449 f) kein Anlaß. In Weiterentwicklung dieser Rechtsprechung wurde ausgeführt, daß dem Bestandnehmer nicht nur ein Abwehranspruch gegen Immissionen zusteht, vielmehr könne er auch Schadenersatzansprüche gegenüber Dritten geltend machen (JBl.1991, 247 = ecolex 1990, 604). Auf der Grundlage dieser Entscheidungen, wonach es sich beim Bestandrecht um ein Recht mit starken dinglichen Elementen handelt, ist es schließlich auch nur konsequent, dem Bestandnehmer auch Ausgleichsansprüche nach § 364 a ABGB gegenüber dem Dritten zuzuerkennen (siehe Rummel, ecolex 1990, 75).

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung ist ein vom Verschulden unabhängiger Ausgleichsanspruch in den Fällen des § 364 Abs. 2 ABGB und des § 364 b ABGB allgemein zuzubilligen, wenn sich ausreichende Anhaltspunkte für eine Analogie zu § 364 a ABGB ergeben (ecolex 1990, 604; SZ 60/265; SZ 58/121, 1 Ob 675/88 ua).

§ 364 a ABGB regelt einen der Enteignung verwandten Tatbestand. Der Geschädigte hat deshalb einen Ersatzanspruch, weil er im Interesse des Nachbarn Eingriffe in sein Eigentum hinnehmen muß, die über die normale Duldungspflicht des § 364 Abs. 2 ABGB hinausgehen. In analoger Anwendung des § 364 a ABGB hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, daß ein nachbarrechtlicher Ausgeichsanspruch stets dann zu gewähren ist, wenn dem Gescädigten ein Abwehrrecht, das ihm wegen Bestehens einer an sich gefährlichen Situation nach dem Inhalt seines dinglichen Rechts sonst zugestanden wäre, genommen ist. Eine analoge Situation wird auch dann angenommen, wenn durch die Baubewilligung der Anschein der Gefahrlosigkeit und damit der Rechtmäßigkeit der bewilligten Maßnahme hervorgerufen und dadurch die Abwehr zwar nicht rechtlich ausgeschlossen, aber faktisch derart erschwert wird, daß der Nachbar die Maßnahme praktisch hinnehmen muß. In solchen Fällen hat die baubehördliche Bewilligung wie eine behördliche Anlagegenehmigung im Sinne des § 364 a ABGB die tatsächliche Wirkung, daß der Grundnachbar die anscheinend gefahrlose Maßnahme hinnehmen muß (1 Ob 675/88; 1 Ob 46/88; SZ 59/5; SZ 56/158). Das gilt insbesondere auch für die Folgen des Einsatzes von Baumaschinen (SZ 51/47). Es muß sich allerdings um unmittelbar von der Anlage ausgehende Einwirkungen, sogenannte Emissionen, die für den Betrieb der Anlage typisch sind, handeln (SZ 61/7). Bei einem Verstoß gegen § 364 a ABGB hat der gefährdete Nachbar neben einem Unterlassungsanspruch einen sich aus der Gefährdung ergebenden Ausgleichsanspruch nicht nur gegen den Eigentümer des Grundstücks, sondern gegen jeden, der die Beeinträchtigung durch eine wenn auch behördlich genehmigte Anlage herbeiführt, der also das Grundstück für eigene Zwecke benützt und dadurch Störungen hervorruft (ecolex 1991, 454; ecolex 1990, 604; MietSlg.39.025 uva). Der Störer hat dabei ein schädigendes Verhalten des von ihm mit einer Bauführung beauftragten Baumeisters und dessen Leute zu vertreten (SZ 45/132). Im vorliegenden Fall konnte der Kläger damit rechnen, die Aufträge der Baubehörde werden so gehalten werden und damit seine Interessen als Nachbar so weit gesichert sein, daß keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Emissionen auftreten. Zutreffend hat diesbezüglich das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß in einem geschlossenen Siedlungsgebiet in wechselnder Folge bauliche Maßnahmen stattfinden müssen und die von diesen ausgehenden, baubedingten Emissionen grundsätzlich als ortsüblich anzusehen sind (SZ 56/158; JBl.1971, 571). Dazu kommt, daß der Kläger als Bestandnehmer zum Zeitpunkt der Durchführung der Bauarbeiten einen nachbarrechtlichen Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs. 2 ABGB nicht mit Aussicht auf Erfolg geltend machen konnte. Die Entscheidung des verstärkten Senates, mit dem dem Bestandnehmer erstmals ein derartiger Unterlassungsanspruch gegenüber dem Dritten eingeräumt wurde, erging am und ihre ersten Publikationen erfolgten in den Zeitschriften ecolex und RdW Nr. 2/1990, also etwa Mitte Februar 1990. Da der Zeitraum, für den der Kläger einen Verdienstentgang geltend macht, mit März 1990 endet, kann ihm nicht vorgehalten werden, er hätte einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte geltend machen müssen. Entgegen der im Rekurs vertretenen Ansicht hätte der Kläger auch nicht mit einer Bauverbotsklage im Sinne der §§ 340 ff ABGB vorgehen können. Auch hinsichtlich einer derartigen Klage hätte es ihm nach der damaligen Rechtsprechung als bloß obligatorisch Berechtigten an der Aktivlegitimation gemangelt (siehe Spielbüchler in Rummel2, Rz 5 zu § 340).

Die im Rekurs vertretene Ansicht, dem Kläger sei ein "bloßer" Vermögensschaden entstanden, ist zwar zutreffend, doch ist auch ein solcher Schaden nach § 364 a ABGB zu ersetzen. Der dem Nachbarn zustehende Ausgleichsanspruch umfaßt das gesamte subjektive berechtigte Interesse, also vor allem auch den entgangenen Gewinn (MietSlg.37.022; Koziol, Haftpflichtrecht2 II 324). Der Geschädigte kann aber nur den Ersatz jenes Schadens begehren, der gerade durch die über das zu duldende Maß hinausgehende Immission hervorgerufen wird (Koziol aaO; Spielbüchler in Rummel2, Rz 9 zu § 364 a).

Der im Rekurs von der Beklagten vertretenen Ansicht, der Kläger habe keine ausreichenden Behauptungen über die Schadensursachen aufgestellt, kann nicht gefolgt werden. Bereits in der Klage wurde ausgeführt, die von der Beklagten durchgeführten Bauarbeiten seien bei weitem über das ortsübliche Ausmaß hinausgegangen und es sei beispielsweise die Staub- und Lärmentwicklung zum Teil derart massiv gewesen, daß an einigen Tagen kein oder nur ein erheblich eingeschränkter Kundenverkehr zu verzeichnen war. Es seien aber auch Absperrungen errichtet worden. Das Berufungsgericht hat diesbezüglich zutreffend ausgeführt, daß lediglich die Staub- und Lärmemissionen zu einem Ersatzanspruch des Klägers führen könnten, nicht aber auch die mit den Baumaßnahmen verbundenen Absperrungen.

Zusammenfassend folgt daraus, daß die vom Berufungsgericht aufgezeigten Ergänzungen des Verfahrens erster Instanz notwendig sind, sodaß dem Rekurs der Beklagten ein Erfolg zu versagen war.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs. 1 ZPO.