OGH vom 21.11.2012, 15Os124/12t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Dr. Michel Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Scheickl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Koljo V***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der erpresserischen Entführung nach § 102 Abs 2 Z 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Koljo V***** und Goran M***** sowie über die sie betreffende Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom , GZ 602 Hv 2/12f 103, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten Koljo V***** und Goran M***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden und auch rechtskräftige Schuldsprüche weiterer Angeklagter enthaltenden Urteil wurden Koljo V***** und Goran M***** des Verbrechens der erpresserischen Entführung nach § 102 Abs 2 Z 2 StGB, Letztgenannter als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach haben in Wien zwischen und
I./ Koljo V***** unter Ausnützung der ohne Nötigungsabsicht Dritter vorgenommenen Entführung des Hristo P*****, welcher dadurch, dass ihn Tanja K***** durch die Vorgabe, ein Suchtgiftgeschäft abschließen zu wollen, nach W***** gelockt hatte, wo Hristo P***** in ein von Peter S***** gelenktes Fahrzeug stieg, wobei unmittelbar danach auch V***** und M***** zustiegen, Hristo P***** durch Versetzen von zahlreichen Faustschlägen gegen dessen Kopf und Körper am Verlassen des Fahrzeugs hinderten, während der abgesondert verfolgte Angel L***** im Bereich des Fahrzeugs Aufpasserdienste leistete, wobei Hristo P***** auf Aufforderung und in Begleitung von V***** und M***** kurzzeitig wieder das Fahrzeug verließ, um die Genannten zu seinem Suchtgiftbunker in der Nähe der F***** zu führen, wobei danach V*****, M***** und L***** den Hristo P***** wieder gewaltsam zum Fahrzeug des S***** zurückbrachten, ihn im Fahrzeug festhielten und mit dem von S***** gelenkten Fahrzeug zur Wohnung W***** brachten, ihn in die Wohnung schleppten, wobei sie ihn an den Armen festhielten und seinen Kopf zu Boden drückten und in weiterer Folge in der Wohnung gefangen hielten, wo ihm K***** für den Fall, dass er nach dem Vorfall zur Polizei gehen würde, eine falsche Anzeige wegen Vergewaltigung androhte und ihm Teile der Haare abschnitt, ihm V*****, M***** und L***** wiederholt Schläge ins Gesicht versetzten und mit dem Umbringen sowie mit einer Vergewaltigung drohten, entführt wurde, Dritte, nämlich dessen Vater Georgi P***** und dessen Bruder Dimitar P*****, zu einer Handlung, und zwar zur Übergabe eines Bargeldbetrags in der Höhe von 7.000 Euro an den unbekannten Mittelsmann „Donco“, zu nötigen versucht, indem sowohl V***** als auch auf dessen Aufforderung das Tatopfer Hristo P***** selbst wiederholt Georgi P***** und Dimitar P***** telefonisch in Bulgarien kontaktierten und im Gegenzug für die Freilassung die Bezahlung eines Betrags von 7.000 Euro an „Donco“ forderten, wobei V***** gegenüber dem Vater des Tatopfers mehrmals mit den Äußerungen, dass er seinen Sohn nie wiedersehen und er ihn totschlagen werde, sofern eine Zahlung unterbleibe, dessen Tötung androhte;
II./ Goran M***** dadurch, dass er durch Schläge, Drohungen mit dem Tod und Überwachung des Hristo P***** verhinderte, dass dieser die Wohnung verlässt, zur Ausführung der unter Punkt I./ genannten strafbaren Handlung des Koljo V***** beigetragen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die vom Angeklagten V***** auf Z 6 und 9 und vom Angeklagten M***** auf Z 6, jeweils des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden. Sie erweisen sich als nicht berechtigt.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Koljo V*****:
Soweit die Fragenrüge (Z 6) eine Eventualfrage nach schwerer Nötigung (§§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB) reklamiert und darauf verweist, dass es dem Angeklagten nach seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung „daran gelegen sei, dass er seine Schulden bezahlt erhält und zwar vom vermeintlichen Opfer und dessen Familie“, wird verkannt, dass der Tatbestand des § 102 Abs 2 StGB keinen auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz des Täters verlangt (vgl Schwaighofer in WK² § 102 Rz 19).
Die weiters Eventualfragen nach „Drohung, Körperverletzung und Freiheitsentziehung“ begehrende Fragenrüge zeigt mit dem bloßen Verweis auf die „im Strafverfahren erfolgten Aussagen“ nicht prozessordnungsgemäß auf, durch welche in der Hauptverhandlung konkret vorgebrachten Tatsachen (§ 314 Abs 1 StPO) die urgierten weiteren Fragestellungen indiziert gewesen wären (RIS Justiz RS0100860, RS0117447, RS0119417; Ratz , WK StPO § 345 Rz 23, 42 ff).
Unter Z 9 bringt der Rechtsmittelwerber vor, die Antwort der Geschworenen auf die gestellten Fragen wäre undeutlich und in sich widersprechend, weil sie die ihn betreffende Hauptfrage 1 nach dem Verbrechen der erpresserischen Entführung nach § 102 Abs 1 StGB mit einem Stimmenverhältnis von 2 : 6 verneinten, die Eventualfrage nach Abs 2 des § 102 StGB jedoch mit einem Abstimmungsverhältnis von 8 : 0 bejahten, was bedeute, „dass auch die Geschworenen, die bei der Hauptfrage 1 mit Ja gestimmt haben, nunmehr auch die Eventualfrage mit Ja beantwortet haben“.
Damit wird jedoch Nichtigkeit im Sinn der Z 9 nicht dargestellt. Inwiefern die aus der mehrheitlichen Verneinung einer Hauptfrage resultierende einhellige Bejahung einer Eventualfrage Undeutlichkeit bzw Widersprüchlichkeit des Wahrspruchs (Z 9) zur Folge haben sollte, wird von der Beschwerde nicht dargelegt und entzieht sich sohin einer meritorischen Erwiderung (vgl RIS Justiz RS0101159).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Goran M*****:
Die Fragenrüge (Z 6) bringt vor, der Angeklagte hätte zugestanden, das Opfer zweimal geohrfeigt zu haben, und zitiert seine eigene Aussage, während des Aufenthalts in der gegenständlichen Wohnung über mehrere Tage diese zwischendurch für mehrere Stunden verlassen, den Erstangeklagten angefleht, das Opfer laufen zu lassen, dessen Anweisungen aber dennoch befolgt zu haben, und verweist auf eine Unterhaltung zwischen V***** und Hristo P***** über die Rückzahlung von geschuldetem Geld und Telefonate des V***** mit Verwandten des Opfers, in denen mitgeteilt wurde, sie müssten „das Geld zahlen“, „da das Opfer sonst umgebracht“ werde.
Dabei ist ungeachtet des von M***** in der Hauptverhandlung geäußerten Eindrucks, er habe gedacht, die Telefonate wären mit P***** ausgemacht nicht nachvollziehbar, inwiefern eine solche Verantwortung ein die begehrte Stellung von Eventualfragen nach (vorsätzlicher) Körperverletzung und Freiheitsentziehung nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung ernsthaft indizierendes Verfahrensergebnis darstellen sollte (vgl Ratz , WK StPO § 345 Rz 23).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.