OGH vom 07.05.2019, 10ObS11/19v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Werner Pletzenauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei DI G*****, vertreten durch Mag. Doris Braun, Rechtsanwältin in Graz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84–86, vertreten durch Dr. EvaMaria BachmannLang und Dr. Christian Bachmann, Rechtsanwälte in Wien, wegen Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld (Streitwert 2.574 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 34/18a15, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 8 Cgs 171/17k5, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 418,78 EUR (darin enthalten 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger beantragte für seinen am geborenen Sohn einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld. Für den Zeitraum vom 23. November bis wurde Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von 2.574 EUR (66 EUR täglich) zuerkannt und ausbezahlt.
Anhand des rechtskräftigen Einkommenssteuerbescheids für 2011 ergibt sich ein Gesamtbetrag der Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit in Höhe von 0 EUR für den Anspruchszeitraum (§ 8 Abs 1 Z 1 erster und vierter Satz KBGG) 1. bis . Die beklagte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft schrieb dem Kläger im Jahr 2011 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 15.358,44 EUR vor.
Die Beklagte widerrief mit Bescheid vom die Zuerkennung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes für den Zeitraum vom 23. November bis und verpflichtete den Kläger zum Ersatz der bezogenen Leistung von 2.574 EUR.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Feststellung, dass der Rückforderungsanspruch der Beklagten nicht zu Recht bestehe. Er habe im Dezember 2011 weder Erwerbseinkünfte aus selbständiger Arbeit bezogen noch Sozialversicherungsbeiträge bezahlt.
Die Beklagte meint hingegen, dass die Einkünfte von 0 um die insgesamt im Jahr 2011 vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge zu erhöhen seien. Damit überschreite der Kläger die für das Jahr 2011 bestehende Zuverdienstgrenze von 5.800 EUR um insgesamt 9.558,44 EUR.
Das Erstgericht folgte dem Standpunkt der Beklagten, wies das Klagebegehren ab und verpflichtete den Kläger zur Rückzahlung des vom 23. November bis bezogenen Kinderbetreuungsgeldes.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und stellte fest, dass der Anspruch der Beklagten auf Rückforderung des Kinderbetreuungsgeldes nicht zu Recht bestehe. Bei selbständig Erwerbstätigen seien zwar grundsätzlich die nach der Zuordnung auf den Anspruchszeitraum entfallenden Einkünfte auf einen Jahresbetrag hochzurechnen und die im betreffenden Kalenderjahr vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge hinzuzurechnen. Die Rechtsprechung rechtfertige diese Addition damit, dass es sich bei den Sozialversicherungsbeiträgen um steuermindernde Ausgaben und damit um bloße Durchlaufposten handle. § 8 Abs 1 Z 2 KBGG in der Fassung BGBl I 2011/139, der eine pauschale Erhöhung um 30 % der im betreffenden Kalenderjahr vorgeschriebenen Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung vorsehe, sei erst für Geburten nach dem anzuwenden. Der Kläger habe die Einkünfte ordnungsgemäß zugeordnet und im maßgeblichen Zeitraum Dezember 2011 keine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielt. Die gebotene Hochrechnung auf den Jahresbetrag führe dazu, dass keine Einkünfte aus selbständiger Arbeit für das Jahr 2011 vorlägen. Es könne nicht Intention des Gesetzgebers sein, selbständig Erwerbstätige, deren vom Anspruchszeitraum auf das Kalenderjahr hochgerechnete Einkünfte 0 betragen, durch Anrechnung der auf Grundlage früherer Einkünfte ermittelten und im Jahr des Kinderbetreuungsgeldbezugs vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge vom Bezug des einkommens-abhängigen Kinderbetreuungsgeldes auszuschließen. Bei gleicher Ausgangslage würden den Einkünften unselbständiger Arbeitnehmer nach § 8 Abs 1 Z 1 KBGG keine Sozialversicherungsbeiträge hinzugerechnet werden. Sozialversicherungsbeiträge seien nach dem klaren Wortlaut des § 8 Abs 1 Z 2 KBGG nur Einkünften aus Betätigungen, die Grundlage für Beiträge in der gesetzlichen Sozialversicherung darstellen, hinzuzurechnen. Da der Kläger im maßgeblichen Zeitraum keine derartigen Einkünfte erzielt habe, bestehe auch keine Grundlage für die Hinzurechnung der im Jahr 2011 vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge. Damit habe der Kläger die für das Jahr 2011 bestehende Zuverdienstgrenze von 5.800 EUR nicht überschritten.
Die Revision sei zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage noch nicht befasst habe, ob bei Ermittlung des Gesamtbetrags der maßgeblichen Einkünfte gemäß § 8 Abs 1 Z 2 in der Fassung BGBl I 2009/116 die im Jahr des Kinderbetreuungsgeldbezugs vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge auch dann zu berücksichtigen seien, wenn keine Einkünfte aus Betätigungen, die Grundlage für Pflichtversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung darstellen, bezogen wurden.
Rechtliche Beurteilung
Die – beantwortete – Revision der beklagten Partei ist aus dem vom Berufungsgericht angegebenen Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
1.1 Die Anspruchsberechtigung für das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens ist seit der Novelle BGBl I 2009/116 in § 24 KBGG geregelt. Nach § 24 Abs 1 Z 3 KBGG in der hier nach § 50 Abs 3 KBGG noch anzuwendenden Fassung BGBl I 2009/116 hat ein Elternteil Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld, sofern er während des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes keine Erwerbseinkünfte erzielt, wobei sich ein Gesamtbetrag an maßgeblichen Einkünften (§ 8 Abs 1) vor nicht mehr als 5.800 EUR pro Kalenderjahr nicht schädlich auswirkt, und er keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhält.
1.2 Diese Zuverdienstgrenze von 5.800 EUR wurde mit BGBl I 2011/139 für Bezugszeiträume ab (§ 50 Abs 3 KBGG) auf 6.100 EUR und mit BGBl I 2016/53 für Bezugszeiträume ab (§ 50 Abs 13 KBGG) auf 6.800 EUR erhöht. Abgesehen davon blieb der Wortlaut des § 24 Abs 1 Z 3 KBGG unverändert.
1.3 Der Wortlaut des § 24 Abs 1 KBGG bezeichnete – bereits seit der Novelle BGBl I 2009/116 – nur solche Erwerbseinkünfte als für die Beurteilung der Zuverdienstgrenze für das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens maßgeblich, die des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes erzielt werden. Diese Absicht des Gesetzgebers kommt auch in den Gesetzesmaterialien zur Einführung des Kinderbetreuungsgeldes als Ersatz des Erwerbseinkommens mit der Novelle BGBl I 2009/116 klar zum Ausdruck (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 4 und 17): „Während des Bezuges des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes ist ein Zuverdienst nur in sehr geringem Ausmaß erlaubt (daher deutlich reduzierte Zuverdienstgrenze), dies aufgrund der Einkommensersatzfunktion der Leistung [...]. Da das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld ein (teilweiser) Ersatz für den Entfall des früheren Einkommens ist, ist folglich eine weitere Anspruchsvoraussetzung, dass während des Bezugs der Leistung keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, da es sonst zu unsachlichen und nicht gewollten Ergebnissen käme (zB dass die Summe des Einkommensersatzes plus des Zuverdienstes über den zu ersetzenden Einkünften liegt). Lediglich Einkünfte aus einer (aktiven) Erwerbstätigkeit bis zu 5.800 EUR sind unschädlich, diese Zuverdienstgrenze entspricht der sozialversicherungsrechtlichen Geringfügigkeitsgrenze (man kann also bei ganzjährigem Bezug des KBG 14 mal die Geringfügigkeitsgrenze verdienen).“
2.1 § 24 Abs 1 Z 3 KBGG verweist für den Begriff des „Gesamtbetrags der maßgeblichen Einkünfte“ (so wie § 2 Abs 1 Z 3 KBGG für das pauschale Kinderbetreuungsgeld) auf § 8 Abs 1 KBGG.
2.2 Diese Bestimmung lautete in der Stammfassung des KBGG, BGBl I 2001/103:
„§8. (1) Der maßgebliche Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs 1 Z 3) ist wie folgt zu ermitteln:
1. Soweit im Gesamtbetrag der Einkünfte g
2. Andere Einkünfte (§§ 21 bis 23 sowie § 27 bis 29 EStG 1988) einschließlich jener, die der Steuererhöhung nach § 97 EStG 1988 unterliegen, sind mit jenem Betrag zu berücksichtigen, der in die Ermittlung des Einkommens für das betreffende Kalenderjahr eingeht. Einkünfte aus Betätigungen, die Grundlage für Pflichtbeiträge in der gesetzlichen Sozialversicherung darstellen, sind um die darauf entfallenden vorgeschriebenen Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung zu erhöhen. Wird eine Betätigung vor Beginn des Anspruchszeitraumes (Z 1) beendet oder nach Ende des Anspruchszeitraumes begonnen, sind nur jene Einkünfte zu berücksichtigen, die während des Anspruchszeitraumes angefallen sind. Im Fall eines derartigen Nachweises sind die während des Anspruchszeitraumes angefallenen Einkünfte auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Z 1 vorletzter Satz ist anzuwenden.“
2.3 Der VfGH (G 128/08 ua) sah die durch Anknüpfung der anderen Einkünfte an das Jahreseinkommen (§ 8 Abs 1 Z 2 KBGG) unterschiedliche Behandlung der Einkommensarten als verfassungskonform an und trat der Heranziehung des steuerrechtlichen Einkommensbegriffs für Zwecke der Bemessung familienfördernder Leistungen aus verwaltungsökonomischen Überlegungen nicht entgegen. Eine alternative, vom Steuerrecht losgelöste Ermittlung des „tatsächlichen Einkommens“ allein für Zwecke des KBGG wäre nur mit einem unverhältnismäßig hohen administrativen Ermittlungsaufwand im Einzelfall zu verwirklichen.
2.4 § 8 Abs 1 Z 1 vierter Satz KBGG lautet in der auf Bezugszeiträume ab anzuwendenden (§ 50 Abs 6 KBGG) Fassung BGBl I 2013/117: „Besteht der Anspruch auf Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes für den ganzen Kalendermonat, so zählt dieser Kalendermonat zum Anspruchszeitraum, andernfalls ist dieser Kalendermonat nicht in den Anspruchszeitraum einzubeziehen.“
2.5 § 8 Abs 1 Z 2 KBGG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl I 2009/116 (§ 50 Abs 2 KBGG) lautet wie folgt:
„Andere maßgebliche Einkünfte (§§ 21 bis 23 EStG 1988) sind mit jenem Betrag zu berücksichtigen, der in die Ermittlung des Einkommens für das betreffende Kalenderjahr eingeht. Einkünfte aus Betätigungen, die Grundlage für Pflichtbeiträge in der gesetzlichen Sozialversicherung darstellen, sind um die im betreffenden Kalenderjahr vorgeschriebenen Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung zu erhöhen. Wird eine Betätigung vor Beginn des Anspruchszeitraums (Z 1) beendet oder nach Ablauf des Anspruchszeitraums begonnen, bleiben die aus einer solchen Betätigung bezogenen Einkünfte außer Ansatz. Wird nachgewiesen, in welchem Ausmaß Einkünfte vor Beginn oder nach Ende des Anspruchszeitraums angefallen sind, sind nur jene Einkünfte zu berücksichtigen, die während des Anspruchszeitraums angefallen sind. Im Falle eines derartigen Nachweises sind die während des Anspruchszeitraums angefallenen Einkünfte auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Z 1 vierter Satz ist anzuwenden.“
2.6 Nach den Gesetzesmaterialien ist von der Steuerbemessungsgrundlage (Bruttoeinkünfte minus Sozialversicherungsbeiträge) auszugehen. Diesem Betrag sind die Sozialversicherungsbeiträge hinzuzuschlagen, weil sie in der Regel einen Durchlaufposten darstellen. Diese Berechnungsweise beruht auf dem Gedanken der größtmöglichen Gleichbehandlung der Eltern mit unterschiedlichen Einkommensarten im Hinblick auf das Ergebnis der Berechnung unter Berücksichtigung der steuerrechtlichen Gewinnermittlungsarten und dem uneinheitlichen österreichischen Sozialversicherungssystem (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 13).
2.7 § 8 Abs 1 Z 2 zweiter Satz KBGG lautet in der auf Geburten nach dem anzuwendenden (§ 50 Abs 2 KBGG) Fassung BGBl I 2011/139: „Einkünfte aus Betätigungen, die Grundlage für die gesetzliche Sozialversicherung sind, sind um 30 % zu erhöhen.“
2.8 Die Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1522 BlgNR 24. GP 4) führen dazu aus, dass sich die Zuverdienst-Berechnungsformel grundsätzlich bewährt habe, sich jedoch Probleme mit der geringen Zuverdienstgrenze im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der selbständigen Tätigkeit bzw des Gewerbebetriebs ergeben hätten. Die Vorschreibung der nach der Rechenformel hinzuzuschlagenden Sozialversicherungsbeiträge bei Selbständigen erfolge nämlich auf Grundlage früherer Einkünfte und sei daher aufgrund dieser hohen früheren Einkünfte entsprechend hoch. Durch einen pauschalen Zuschlag solle die Aufrechterhaltung der Tätigkeit bzw des Betriebs erleichtert werden.
3.1 Das KBGG verwendet in Ansehung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes unterschiedliche Begriffe. § 24 Abs 1 Z 3 KBGG stellt nach seinem klaren Wortlaut für die Überschreitung der Zuverdienstgrenze nicht auf ein Jahreseinkommen (auf das Kalenderjahr stellt hingegen § 2 Abs 3 KBGG für das pauschale Kinderbetreuungsgeld ab), sondern auf die (Bezugszeitraum) erzielten Einkünfte ab und regelt eine Anspruchsvoraussetzung für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld (10 ObS 146/17v).
3.2§ 8 KBGG regelt hingegen, welche Einkünfte als maßgebliche Einkünfte für die Beurteilung des Erreichens der in § 24 Abs 1 Z 3 KBGG angegebenen Grenze heranzuziehen und wie diese zu ermitteln sind (10 ObS 27/14i; 10 ObS 146/17v).
3.3 Für die Ermittlung ist nach dem Wortlaut des § 8 KBGG der Anspruchszeitraum, der nach der Definition des § 8 Abs 1 erster Satz KBGG die Kalendermonate mit Anspruch auf Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes erfasst, maßgeblich. § 8 Abs 1 Z 1 vierter Satz KBGG, der nach § 8 Abs 1 Z 2 letzter Satz KBGG auch auf die Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit anzuwenden ist, schränkt den Anspruchszeitraum auf die vollen Kalendermonate ein, die innerhalb des Bezugszeitraums liegen. Nach dem Wortlaut des § 8 Abs 1 Z 1 und 2 KBGG bleiben somit innerhalb des Bezugszeitraums liegende „Rumpfmonate“ unberücksichtigt. Auch die Zuordnungserklärung bzw der Zuordnungsnachweis (§ 8 Abs 1 Z 2 vierter Satz KBGG) erfasst ausschließlich den Anspruchszeitraum, damit nur die vollen Kalendermonate.
4.1 Der Kläger hat für das am geborene Kind im Zeitraum vom 23. November bis einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von 66 EUR täglich bezogen. Er grenzte seine Einkünfte nach dem Anspruchszeitraum im Sinn des § 8 Abs 1 Z 1 und 2 KBGG für das Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. Jänner bis ab. Nach seiner Aufstellung (Beilage B: Beilage zur Einkommenssteuererklärung) erzielte er in diesem Zeitraum abzüglich Betriebsausgaben, Freibeträgen etc Einkünfte von 41.263,51 EUR. Im Anspruchszeitraum vom 1. bis hatte er unstrittig keine Einkünfte und keine Ausgaben. Der rechtskräftige Einkommenssteuerbescheid setzte den Gesamtbetrag der Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit für diesen Anspruchszeitraum mit 0 fest.
4.2 Die Addition der im Jahr 2011 vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge nach § 8 Abs 1 Z 2 Satz 2 und Satz 5 KBGG in der Fassung BGBl I 2009/116 würde im Sinn der Beklagten hier zum Überschreiten der Zuverdienstgrenze von 5.800 EUR führen. Diese Berechnungsformel auf den Bezug von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld anzuwenden bedeutet, dass selbständig Erwerbstätige trotz Einstellung bzw Einschränkung ihrer Tätigkeit und Reduktion der Einkünfte auf (im Extremfall) 0 während der Betreuung des Kindes im Bezugszeitraum das bezogene Kinderbetreuungsgeld immer zurückzahlen müssen, wenn ihnen im Kalenderjahr des Bezugs Sozialversicherungsbeiträge vorgeschrieben werden, die aufgrund der Höhe der früheren Einkünfte die Zuverdienstgrenze übersteigen. Dieses von der Beklagten gewünschte Ergebnis widerspricht eindeutig der vom Gesetzgeber beabsichtigten Funktion des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgelds als (zumindest teilweiser) Einkommensersatz. Dass die Formel Einkünfte im Anspruchszeitraum umgerechnet auf das Kalenderjahr zuzüglich der im Bezugsjahr insgesamt vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld nicht in jedem Fall anzuwenden ist, verdeutlichen die Gesetzesmaterialien: Danach entspricht die unschädliche Zuverdienstgrenze von 5.800 EUR der bei ganzjährigem Bezug 14 mal verdienten sozialversicherungsrechtlichen Geringfügigkeitsgrenze.
4.3 In diesem Sinn ist der Verweis in § 24 Abs 1 Z 3 KBGG auf § 8 Abs 1 (einschließlich Z 2 zweiter Satz) KBGG zu lesen: Wenn der selbständig erwerbstätige Elternteil im (nicht ganzjährigen) Anspruchszeitraum Einkünfte (ohne Abzug der Sozialversicherungsbeiträge) erzielt, die umgerechnet auf das Kalenderjahr die Geringfügigkeitsgrenze übersteigen, sind die im betreffenden Kalenderjahr insgesamt vorgeschriebenen Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung hinzuzuschlagen.
4.4 Die Beklagte will hingegen ausschließlich auf die Tätigkeit abstellen, wenn diese als Erfüllung eines gesetzlichen Tatbestands im Sinn des § 2 Abs 1 Z 1–3 GSVG (hier: Angaben des Klägers zu seiner Eigenschaft als geschäftsführender GmbHGesellschafter) unabhängig von der tatsächlichen Erzielung von Einkünften zur Einbeziehung in die Pflichtversicherung und entsprechender Vorschreibung von Sozialversicherungsbeiträgen führt. Sie fordert eine gänzliche Einstellung der Tätigkeit, die Zurücklegung der Funktion als Geschäftsführer bzw eine Ruhendmeldung der Gewerbeberechtigung der GmbH.
4.5 Mit der Forderung nach einer gänzlichen Einstellung der selbständigen Tätigkeit im Bezugs oder Anspruchszeitraum übersieht sie, dass während des Bezugszeitraums aus einer aktiven Erwerbstätigkeit erzielte Einkünfte den Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld nach dem eindeutigen Wortlaut des § 24 Abs 1 Z 3 KBGG nur bei Überschreitung der Zuverdienstgrenze ausschließen. Der Gesetzgeber wollte die Bezieher von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld, unabhängig ob diese selbständig oder unselbständig erwerbstätig waren, nicht zur gänzlichen Aufgabe ihrer Tätigkeit im Bezugszeitraum zwingen, sondern sicherstellen, dass sich die Bezieher ausreichend der Betreuung des Kindes widmen können.
4.6 Die für das Vorliegen des Rückforderungstatbestands behauptungs und beweispflichtige (RISJustiz RS0086067 [T4]) Beklagte hat die Rückforderung im angefochtenen Bescheid ausschließlich darauf gestützt, dass der Kläger mit seinem Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit im Jahr 2011 die Zuverdienstgrenze des § 24 Abs 1 Z 3 KBGG überschritten habe. Damit macht sie den Rückforderungstatbestand des § 31 Abs 2 Satz 2 KBGG geltend. Daran ist das Gericht gebunden, ein anderer Rechtsgrund ist nicht zu prüfen (10 ObS 146/17v mwN). Es ist nur zu beurteilen, ob die geltende Zuverdienstgrenze objektiv überschritten wurde.
4.7 Die Beklagte rechtfertigte die Rückforderung ausschließlich mit der Berücksichtigung der im Jahr 2011 vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge, wendet sich aber nicht gegen das Ergebnis, die maßgeblichen Einkünfte mit 0 anzusetzen. Ihre Argumentation ist aus den dargelegten Gründen nicht gerechtfertigt.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 2 Z 2 lit a ASGG.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:010OBS00011.19V.0507.000 |
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