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OGH vom 24.04.1996, 9Ob2089/96p

OGH vom 24.04.1996, 9Ob2089/96p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier, Dr.Petrag, Dr.Bauer und Dr.Steinbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.Peter Christian V*****, Sachverständiger *****, vertreten durch Dr.Rainer Kurbos, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei R*****-Leasing GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, und die auf Seite der beklagten Partei beigetretene Nebenintervenientin A***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Karl Krawagna und Dr.Walter Wolf, Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, wegen S 146.893,60 und Feststellung (Revisionsstreitwert: S 20.000), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom , GZ 6 R 117/95-102, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom , GZ 40 Cg 72/93g-95, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das im übrigen als unangefochten unberührt bleibt, wird dahin abgeändert, daß das Begehren auf Zuspruch von 20 % Umsatzsteuer aus 8,5 % Zinsen aus S 572.551 vom bis , aus 8,5 % Zinsen aus S 396.551 vom bis , aus 8,5 % Zinsen aus S 380.551 vom bis , aus 9,3 % Zinsen aus S 380.551 vom bis , aus 9,3 % Zinsen aus S 118.634,40 seit , sowie aus 4 % Zinsen aus S 28.259,20 seit , abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.407,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 571,20 Umsatzsteuer und S 1.980 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil sprach das Berufungsgericht dem Kläger eine restliche Honorarforderung für die Erstellung eines Gutachtens in der Höhe von S 118.634,40 sowie einen Betrag von S 28.259 als Schadenersatzanspruch für verschuldete Prozeßkosten samt Zinsen und je 20 % Umsatzsteuer aus den Zinsen zu.

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung richtet sich ausschließlich dagegen, daß das Berufungsgericht Umsatzsteuer aus den Verzugszinsen zugesprochen hat. Es wird der Antrag gestellt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Begehren auf Umsatzsteuer aus den Zinsen abgewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes bisher inhaltlich zum Einfluß des EU-Rechts auf einen Anspruch auf Umsatzsteuer für Verzugszinsen als Entschädigung wegen verspäteter Zahlung der geschuldeten Leistung Stellung nahm.

Die Revision ist auch berechtigt.

Bisher vertraten der Oberste Gerichtshof (SZ 52/42, 7 Ob 529/88, 5 Ob 558/93, 1 Ob 538/94 ua) wie auch der Verwaltungsgerichtshof (VWSlg 2925 [F], 6187 [F] = ÖJZ 1988, 150 = Anw 1987/2675) einheitlich den Standpunkt, daß Verzugszinsen, wie Ziel- und Stundungszinsen als "Zahlungszuschläge" Entgeltbestandteile sind und daher die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage erhöhen.

Zu 9 ObA 1038/95 erblickte der Oberste Gerichtshof bei der Zuerkennung der Umsatzsteuer aus Verzugszinsen keinen Widerspruch zur Judikatur des EuGH (Rs 222/81 = Anw 1983, 414 = HS 13.210), weil es dort nur darum ging, daß die zur umsatzsteuerpflichtigen Klageforderung aus einer erbrachten Leistung gerichtlich zugesprochene Zinsen nicht als Gegenwert für diese Leistung anzusehen waren, sondern als Entschädigung wegen der Verspätung der Zahlung, die nicht im Zusammenhang mit der Leistung steht. Im zu entscheidenden Fall war die zur Besteuerungsgrundlage nach Art 8 Abs 1 lit a der Zweiten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuer ergangene Entscheidung schon deshalb nicht anzuwenden, weil bei der dort vorliegenden Schadenersatzleistung für die Verursachung eines Schadens oder ein Einstehenmüssen für einen solchen keine "Leistung" vorliegt. Wenn Schadenersatz gewährt oder anerkannt wird, wird nicht deshalb geleistet, weil vom Schadenersatzempfänger eine Lieferung oder Leistung empfangen wurde, sondern aus anderen Gründen (ÖBA 1995, 307 mwN).

Laut Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen vom umfaßt nach dem zitierten Urteil des EuGH die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage nicht die gesetzlichen Verzugszinsen. Dieser Rechtsprechung des EuGH wird ab dem EU-Beitritt Österreichs (ab ) von der österreichischen Finanzverwaltung Rechnung getragen.

Mit Inkrafttreten des Beitrittsvertrages wurde Österreich am Mitglied der EU. Das unmittelbar anwendbare Gemeinschaftsrecht genießt Anwendungsvorrang gegenüber widersprechendem nationalen Recht (Fischer/Köck, Europarecht2, 113 f). Den Entscheidungen des EuGH wird eine allgemein rechtsbildende Kraft zugeschrieben (Kohlegger, Einwirkungen des "Vorabentscheidungsverfahrens" auf das österreichische Zivilverfahren, ÖJZ 1995, 761 [820], Kucsko-Stadlmayer, Der Vorrang des EU-Rechts vor österreichischem Recht, ecolex 1995, 338). Diese Normen, und zwar sowohl die im Beitrittszeitpunkt bestehenden als auch die, die in Zukunft erlassen werden, haben daher in Österreich innerstaatliche Geltung.

Im Sinne der Entscheidung des EuGH ist daher auch der Begriff des Entgelts in § 4 UStG auszulegen. Er umfaßt daher nicht die Zinsen, die durch gerichtliche Entscheidung deswegen zuerkannt werden, weil die Zahlung des Entgelts für eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht bei Fälligkeit erbracht worden ist (so auch Takacs, Verzugszinsen und Umsatzsteuer, RdW 1995, 123; Fucik, Keine Umsatzsteuer aus den Zinsen, RZ 1995/275).

Demgemäß besteht der Anspruch auf 20 % Umsatzsteuer aus den Zinsen nicht zu Recht, wobei bei der weiters geltend gemachten Schadenersatzforderung kein Leistungsaustausch und demnach ohnehin echter, nicht der Umsatzsteuer unterliegender Schadenersatz vorliegt (ÖBA 1995, 307), sodaß schon aus diesem Grunde keine Anspruchsberechtigung auf Umsatzsteuer aus den Zinsen besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Fundstelle(n):
NAAAD-79911