OGH vom 06.12.2017, 13Os137/17x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig und Dr. Oberressl in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schuber als Schriftführer in der Strafsache gegen Mario S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 12 Hv 110/16x des Landesgerichts Wels, über die Grundrechtsbeschwerde des genannten Angeklagten gegen die Verfügung des Vorsitzenden vom nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Gegen Mario S***** ist zu AZ 12 Hv 110/16x des Landesgerichts Wels ein Strafverfahren im Stadium der Hauptverhandlung anhängig. Am verfügte der Vorsitzende des Schöffengerichts in diesem Verfahren die Personenfahndung zur Ermittlung des Aufenthalts des genannten Angeklagten (ON 1 S 1ae; ON 279). Aufgrund dieser Fahndung wurde S***** am (von Beamten der Polizeiinspektion Vöcklamarkt) und am (von Beamten des Stadtpolizeikommandos Schwechat) jeweils einer Personenkontrolle unterzogen (ON 314 und ON 318). Mit Verfügung des Vorsitzenden vom wurde die Fahndung widerrufen (ON 322).
Mit seiner am eingebrachten Grundrechtsbeschwerde wendet sich der Genannte gegen die erwähnten polizeilichen Anhaltungen. Diese, deren erste „ca. 1,5 Stunden lang“ gedauert habe, hätten (grund-) rechtswidrige Freiheitsentziehungen bedeutet. Sie seien darauf zurückzuführen gewesen, dass der Vorsitzende des Schöffengerichts schon die Ausschreibung zur Personenfahndung (aus Sicht des Beschwerdeführers) zu Unrecht angeordnet, es aber jedenfalls zu Unrecht unterlassen habe, sie „bei Wegfall der Voraussetzungen“ zu widerrufen. Damit wird – immerhin – deutlich genug eine richterliche Verfügung (§ 1 Abs 1 GRBG) bekämpft.
Rechtliche Beurteilung
Unabhängig von der Frage ihrer Rechtzeitigkeit (§ 4 Abs 1 GRBG) ist die Beschwerde indes bereits aus folgenden Gründen unzulässig:
Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof steht gemäß § 1 Abs 1 GRBG nur wegen eine strafgerichtliche Entscheidung oder Verfügung erfolgte Verletzungen des Grundrechts auf persönliche Freiheit (nach Erschöpfung des Instanzenzugs) zu.
Die mit Verfügung (§ 35 Abs 2 zweiter Fall StPO) des Vorsitzenden angeordnete (§ 210 Abs 3 iVm § 169 Abs 1 StPO) Personenfahndung nach § 168 Abs 1 StPO ist (bloß) auf die Ermittlung des Angeklagten gerichtet und umfasst demnach (gerade) keine Eingriffe in das vom Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit und von Art 5 MRK geschützte Grundrecht.
Werden solche von der die Anordnung vollziehenden Kriminalpolizei (§ 18 StPO;Vogl, WK-StPO § 169 Rz 17 ff) dennoch gesetzt, geschieht dies nicht „durch“ (§ 1 Abs 1 GRBG) die strafgerichtliche Verfügung, sondern in Überschreitung derselben (vgl Kier in WK2 GRBG § 1 Rz 24). Sie wären somit nicht dem Gericht, sondern der Verwaltungsbehörde zuzurechnen und daher – als Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt – (nicht mit Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof, sondern) gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 BVG mit Beschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht zu bekämpfen (vgl ; Fabrizy, StPO13§ 106 Rz 1b; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 7.1075).
Im Übrigen greifen nur Freiheitsentziehungen, nicht aber bloß kurzfristige Freiheitsbeschränkungen – wie sie Kontrollen infolge aufrechter Personenfahndung zur Aufenthaltsermittlung regelmäßig darstellen – in das angesprochene Grundrecht ein (RIS-Justiz RS0117311 11 Os 139/02; 17 Os 51/14z; Grabenwarter/Pabel, EMRK6§ 21 Rz 6 je mwN; Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK4 Art 5 Rz 9 ff).
Die Beschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00137.17X.1206.000 |
Schlagworte: | Strafrecht;Grundrechtsbeschwerden; |
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