OGH vom 28.06.2005, 10Ob19/03x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bank ***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Wolfram Themmer, Dr. Martin Prunbauer und Dr. Josef Toth, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1.) Veronika H*****, und 2.) Edgar S*****, beide *****, vertreten durch Dr. Andreas Cwitkovits, Rechtsanwalt in Wien, wegen 145.345,67 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 12 R 181/02d-23, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 18 Cg 181/00w-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Mit Schreiben vom stockte die klagende Bank einen Kredit der Erstbeklagten, zu dessen Besicherung der Zweitbeklagte die Haftung als Bürge und Zahler übernommen und die Erstbeklagte im Jänner 1996 das Gemälde „Weite waldige Landschaft mit berittener Soldatenschar" von Jan Brueghel d.J und Pieter Snayers verpfändet hatte, um 800.000 S auf 2,800.000 S auf. Als Bedingung für die Aufstockung verlangte die Klägerin darin die Verpfändung der Gemälde „Zeltlager mit Pferden und Figuren" von Franz Adam und „Bucht von Amalfi" von Leo von Klenze sowie die Übernahme der Haftung als Bürge und Zahler durch den Zweitbeklagten. In diesem Schreiben führte die Klägerin aus, dass sie keine Haftung für etwaige Schäden, die durch unsachgemäße Lagerung entstehen könnten, übernehme. Bei der Verpfändung des Gemäldes von Jan Brueghel d.J. und Pieter Snayers hatte die Klägerin keine Haftung für etwaige Schäden durch unsachgemäße Lagerung übernommen. Mit Erklärung vom übernahm der Zweitbeklagte - der Ehemann der Erstbeklagten - die Haftung als Bürge und Zahler für diesen Kredit, dessen Laufzeit zuletzt bis verlängert wurde. In ihrem Schreiben vom an die Klägerin führte die Erstbeklagte aus: „Wir kommen zurück auf das mit Ihnen vor kurzem geführte Gespräch und möchten Ihnen hiemit bestätigen, dass Ihre Bank keine Haftung für die Sicherheit und den Zustand der sich bei ihnen befindlichen Gemälde übernimmt. Das Risiko wird ausschließlich von uns getragen."
Die Klägerin begehrt von der Erstbeklagten die Rückzahlung des Kredites mit einem Teilbetrag von 145.345,67 EUR samt 8 % vereinbarten Zinsen seit und nimmt den Zweitbeklagten aus seiner Haftung als Bürge und Zahler für diese Verbindlichkeit in Anspruch. Die Kredit- und Pfandbestellungsverträge seien im Rahmen des Geschäftsbetriebes der Galerie der Erstbeklagten abgeschlossen worden. Allfällige Schäden der Gemälde seien nicht während der Verwahrung durch die Klägerin entstanden. Die Erstbeklagte habe die Klägerin überdies von jeder Haftung für Schäden, die durch unsachgemäße Lagerung des Gemäldes von Jan Brueghel d.J. und Pieter Snayers entstehen könnten, entbunden und diesen Haftungsausschluss mit Schreiben vom bestätigt. Die Aufrechnung widerspreche den vereinbarten allgemeinen Bedingungen für Bankgeschäfte; nach Punkt 7 und Punkt 63 der AGB 1979 sei eine Aufrechnung ausgeschlossen.
Die Beklagten beantragten, das Klagebegehren abzuweisen. Sie bestritten zuletzt den Bestand der Klagsforderung nicht mehr und erklärten, mit den Ansprüchen auf Ersatz der am Gemälde von Jan Brueghel d.J. und Pieter Snayers entstandenen Schäden und der eingetretenen Wertminderung bis zur Höhe des Klagsbetrages aufzurechnen. Sie hätten die Klägerin mehrmals darauf hingewiesen, dass die Luftfeuchtigkeit in den Räumen, in denen die verpfändeten Gemälde gelagert bzw aufgehängt worden seien, und auch die übrigen Konditionen wie insbesondere die Raumtemperatur nicht sachgerecht seien und zu Schäden an den Gemälden führten. In zumindest einem Fall sei das „Gemälde" von der Klägerin direkt über dem Warmluftauslass der Raumheizung aufgehängt und die Tafel dadurch beschädigt worden. Da die Klägerin über die notwendigen Rahmenbedingungen für die Aufbewahrung, Lagerung und das Aufhängen der Gemälde informiert gewesen sei, die Bedingungen, insbesondere die Luftfeuchtigkeit und die Raumtemperatur jedoch wissentlich nicht gewährleistet habe, treffe sie zumindest ein grobes Verschulden an den an den Gemälden aufgetretenen Schäden. Infolge unsachgemäßer Aufbewahrung des Gemäldes von Jan Brueghel und Pieter Snayers durch die Klägerin seien Sprünge entstanden, die eine beträchtliche Wertminderung des Gemäldes bewirkten. Aus grobem Verschulden der Klägerin habe dieses Gemälde in der Gewahrsame der Klägerin massive Schlagstellen und zwei lange Kratzer erlitten, die zu einer weiteren Wertminderung geführt hätten. Die Höhe der am Gemälde von Jan Brueghel d.J. und Pieter Snayers und an anderen Gemälden ausschließlich aus grobem Verschulden der Klägerin entstandenen Schäden und Wertminderungen erreichten zumindest den Klagsbetrag. Das Gemälde von Jan Brueghel d.J. und Pieter Snayers sei seinerzeit bei der Klägerin im Büro eines Vorstandsmitgliedes direkt über der Warmluftheizung gehangen. Die Beklagten hätten das Vorstandsmitglied mehrmals auf das ungünstige Raumklima und die unvorteilhafte Hängung aufmerksam gemacht. Die massiven Schlagstellen, die Sprünge und die Risse in der Eichentafel könnten nur durch das grob fahrlässige Hantieren und die grob fahrlässige Hängung bei der Klägerin verursacht worden sein. Die Beklagten hätten inzwischen die Schäden einer Restaurierung unterzogen, was aber nichts daran ändere, dass eine dauernde Wertminderung eingetreten sei. Die aufgewendeten Restaurierungskosten sowie der verursachte Wertverlust würden aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung eingewendet. Die Gemälde stünden im Eigentum der Beklagten. Die Ankäufe seien ebenso wie die Kreditvereinbarungen nicht im Betrieb ihres Unternehmens abgeschlossen und abgewickelt worden. Das in den AGB enthaltene Aufrechnungsverbot halte einer Gültigkeitsprüfung nach § 864a ABGB nicht stand. Der Haftungsausschluss sei sittenwidrig und benachteilige die Beklagten gröblich.
Das Erstgericht sprach aus, dass die Klagsforderung mit 145.345,67 EUR samt 8 % Zinsen seit zu Recht und die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe, und erkannte „die beklagte Partei" schuldig, der Klägerin 145.345,67 EUR samt 8 % Zinsen seit zu zahlen. Es traf über die eingangs wiedergegebenen noch folgende Feststellungen:
Die Beklagten betreiben in Österreich eine Galerie, wobei der gewährte Kredit zum Ankauf von Bildern, die in der Galerie gezeigt werden sollten, diente. Das verpfändete Bild von Jan Brueghel d.J. und Pieter Snayers hing „zumindest teilweise" in den Büroräumlichkeiten des Vorstandes der Klägerin. Im Schreiben vom teilte die Erstbeklagte dem Vorstand mit, es sei ihr dringender Wunsch, die Gemälde von Leo von Klenze, Jan Brueghel d.J. und Franz Adam in ihrer Galerie zu zeigen. In der Folge versuchten die Beklagten die Gemälde zu verkaufen, um ihre Verbindlichkeiten abdecken zu können. Auf Ersuchen der Erstbeklagten gab die Klägerin „das Gemälde" (Anmerkung: gemeint das Gemälde von Jan Brueghel d.J. und Pieter Snayers) am heraus. Die Erstbeklagte verpflichtete sich, dieses Gemälde spätestens am zurückzustellen. Mit Schreiben vom () teilte „die beklagte Partei" der Klägerin mit, dass sich das Gemälde zur Stabilisierung bei einem Restaurator befinde, um die Sprungbildung richtig restaurieren zu können.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Beklagten hätten die zugezählte Darlehensvaluta zum Betrieb ihrer Galerie genutzt, sodass sie nicht als Verbraucher im Sinn des Konsumentenschutzgesetzes anzusehen seien. Eine Freizeichnungsklausel sei nur dann sittenwidrig, wenn die Haftung für krasse, grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen werde. Die Beweislast hiefür habe der Geschädigte zu tragen. Die Beklagten hätten einen solchen Beweis nicht angetreten. Allein die Behauptung durch unsachgemäße Raumtemperatur sei das Gemälde beschädigt worden, weise in keiner Weise auf krasse grobe Fahrlässigkeit der Klägerin hin. Die Gegenforderung sei nicht einmal der Höhe nach beziffert worden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es bestätigte das angefochtene Urteil mit der Maßgabe, dass es die Kompensationseinwendung der Beklagten abwies. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Vereinbarung der allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen 1979 sei unstrittig. Für Verbrauchergeschäfte normiere Punkt 63 dieser Bedingungen, dass der Kunde nur insoweit aufrechnen dürfe, als seine Forderungen in rechtlichem Zusammenhang mit seinen Verbindlichkeiten, gegen die er aufrechne, stünden oder gerichtlich festgestellt oder von der Kreditunternehmung anerkannt seien und in derselben Währung bestünden und die Verpflichtungen überstiegen. Diese Bestimmung entspreche dem § 6 Abs 1 Z 8 KSchG. Ein dem KSchG entsprechendes Kompensationsverbot in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank sei nicht ungewöhnlich. Damit müsse ein Kunde rechnen. Ein solches Aufrechnungsverbot halte daher auch einer Prüfung gemäß § 864a ABGB stand. Da die Schadenersatzforderungen der Beklagten mit den Forderungen der Klägerin aus dem Kreditverhältnis nicht in rechtlichem Zusammenhang stünden, sie noch nicht gerichtlich festgestellt und von der Klägerin nicht anerkannt worden seien, sei das Aufrechnungsverbot den Beklagten gegenüber unabhängig davon wirksam, ob sie die Kreditverträge als Verbraucher geschlossen hätten oder nicht. Da der Bestand der Klagsforderung nicht mehr strittig und die geltend gemachte Aufrechnung vertraglich ausgeschlossen worden sei, sei das Ersturteil mit der Maßgabe zu bestätigen gewesen, dass die Kompensationseinwendung abgewiesen werde. Auf die weiteren (rechtlichen) Argumente der Berufungswerber zur Aufrechnung müsse nicht weiter eingegangen werden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, jene im klageabweisenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragte in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die außerordentliche Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist - wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergeben wird - zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist; sie ist im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass zwischen den Streitteilen die Anwendung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen in der Fassung vom vereinbart war. Punkt 7 dieser Bedingungen lautet:
„Unterhält der Kunde mehrere Konten, so kann die Kreditunternehmung in allen Fällen Forderungen gegen Verbindlichkeiten aufrechnen, der Kunde aber nur insoweit, als seine Forderungen von der Kreditunternehmung anerkannt sind, in derselben Währung bestehen, und die Verpflichtungen übersteigen. Die Kreditunternehmung ist jedoch nicht verpflichtet, bei der Zinsenverrechnung auf den Bestand mehrerer Konten Rücksicht zu nehmen. Sie ist berechtigt, den Saldo einzelner Konten selbständig geltend zu machen."
Für Verbrauchergeschäfte bestimmt Punkt 63 dieser Bedingungen Folgendes:
„Punkt 7 findet mit der Maßgabe Anwendung, dass der Kunde nur insoweit aufrechnen darf, als seine Forderungen in rechtlichem Zusammenhang mit seinen Verbindlichkeiten, gegen die er aufrechnet, stehen oder gerichtlich festgestellt oder von der Kreditunternehmung anerkannt sind und in derselben Währung bestehen und die Verpflichtungen übersteigen." Diese Regelung geht auf § 6 Abs 1 Z 8 KSchG zurück, der Vertragsbestimmungen für unverbindlich erklärt, nach denen „das Recht des Verbrauchers, seine Verbindlichkeiten durch Aufrechnung aufzuheben, für den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmers oder für Gegenforderungen ausgeschlossen oder eingeschränkt wird, die im rechtlichen Zusammenhang mit der Verbindlichkeit des Verbrauchers stehen, die gerichtlich festgestellt oder die vom Unternehmer anerkannt worden sind" (Avancini in Krejci, Handbuch zum Konsumentenschutzgesetz 603; vgl 3 Ob 569/82).
Punkt 7 der genannten Geschäftsbedingungen ist - wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 3 Ob 569/82 ausgesprochen hat - so zu verstehen, dass es dem Kunden der Kreditunternehmung vertraglich untersagt ist, gegen eine Forderung, die die Kreditunternehmung aus dem einen von mehreren Konten ableitet, mit einer Forderung aufzurechnen, die der Kunde der Kreditunternehmung aus einem anderen von mehreren Konten ableitet (vgl Schinnerer/Avancini, Bankverträge³ I 251 f; Iro in Avancini/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht I Rz 4/120). Daraus wird aber klar, dass der Aufrechnung mit der von den Beklagten geltend gemachten Forderung aus der Beschädigung des Gemäldes „Weite Landschaft ..." gegen die Klagsforderung das vereinbarte Aufrechnungsverbot - entgegen der Auffassung der Klägerin und des Berufungsgerichts - nicht entgegen steht, wird doch die Gegenforderung nicht kontomäßig erfasst.
Entgegen der Ansicht des Erstgerichts ist die Gegenforderung nicht unbestimmt (zum Bestimmheitserfordernis zB 6 Ob 126/04d mwN; Deixler-Hübner in Fasching/Konecny² III § 391 ZPO Rz 31 mwN). Aus dem Gesamtzusammenhang des Vorbringens der Beklagten lässt sich ableiten, dass aus der eingehend beschriebenen Beschädigung des Gemäldes „Weite Landschaft ..." ein Schaden in Höhe des Klagsbetrags entstanden sei. Die Aufrechnung scheitert daher auch nicht an einer Unbestimmtheit der eingewendeten Gegenforderung.
Der Pfandgläubiger haftet für verschuldete Wertminderung der Pfandsache, doch kann die Haftung vertraglich bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit (§ 879 ABGB) beschränkt werden (Hofmann in Rummel³, ABGB § 459 Rz 3 und 5). Da das Berufungsgericht auf Grund einer unzutreffenden Rechtsansicht die Beweiswürdigungsrüge der Beklagten, mit der sie die Feststellung des Erstgerichts bekämpften, der Kredit habe zum Ankauf von Bildern gedient, die in der Galerie der Beklagten gezeigt werden sollten, unerledigt ließ und die Frage, ob ein Verbrauchergeschäft vorliegt, für den Umfang des vereinbarten Haftungsausschlusses für durch unsachgemäße Lagerung des verpfändeten Gemäldes bei der Klägerin entstandene Beschädigungen von rechtlicher Bedeutung ist (vgl § 6 Abs 1 Z 9 KSchG), war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an dieses zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.