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VfGH vom 14.03.1991, B1170/88

VfGH vom 14.03.1991, B1170/88

Sammlungsnummer

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Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung des ArtVI Abs 2 Versorgungsrechts-ÄnderungsG 1988 mit E v , G225/88 ua.

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zu Handen des Beschwerdevertreters die mit 11.000,-- S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die vorliegende, auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof richtet sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales, mit dem vom Beschwerdeführer geltend gemachte Ansprüche aus einer behaupteten Dienstbeschädigung nach dem Heeresversorgungsgesetz (im folgenden: HVG), BGBl. 27/1964, idF des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988, BGBl. 614/1987, abgewiesen wurden.

Dieser Beschwerde liegt im wesentlichen folgendes Geschehen zugrunde:

Der Beschwerdeführer hatte, als er den ordentlichen Präsenzdienst leistete, während eines Ausganges am auf dem Rückweg in die Kaserne mit seinem Personenkraftwagen einen Verkehrsunfall erlitten, bei dem er schwer verletzt wurde. Die Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (s. dazu §§76 bis 81 HVG) wies mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom den Antrag des Beschwerdeführers auf Anerkennung der bei diesem Unfall erlittenen Gesundheitsschädigungen als Dienstbeschädigung, Zuerkennung einer Beschädigtenrente und Gewährung eines Familienzuschusses ab, wobei sie gleich der Behörde I. Instanz davon ausging, daß die Voraussetzungen für einen Versorgungsanspruch nach § 1 HVG (in der damals maßgeblichen Fassung des ArtI Z 1 der 14. Novelle, BGBl. 226/1980) - nämlich daß die mit der Zurücklegung des Weges verbundenen Gefahren die wesentliche Ursache für den Eintritt des Unfalles waren -, im Falle des Beschwerdeführers deswegen nicht vorlägen, weil nicht diese Gefahren, sondern die Übermüdung des Beschwerdeführers die wesentliche Ursache für den Unfall gewesen sei.

Der Berufungsbescheid wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 84/09/0047, VwSlg. 12351 A/1986, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat im Gegensatz zur belangten Behörde die Auffassung, daß ein fahrlässiges Verhalten des Soldaten beim Lenken eines Kraftfahrzeuges auf einem Weg iS des § 1 Abs 1 liti HVG den ursächlichen Zusammenhang iS des § 1 Abs 1 HVG idF der 14. Novelle nicht ausschließe, weshalb der Unfall des Beschwerdeführers - unabhängig von dessen Verschulden - auf die mit der Zurücklegung des Weges verbundenen Gefahren zurückzuführen sei. Der Verwaltungsgerichtshof vermöge, so führte er näher aus, der mit der 14. Novelle vorgenommenen Ergänzung des HVG nicht die nach dem Inhalt der Erläuterungen zur betreffenden Regierungsvorlage (298 BlgNR 15. GP, Zu ArtI Z 1 und 2 (§1 Abs 1 und 2)) offenkundig angestrebte Bedeutung beizumessen, nämlich bei grob fahrlässig verursachten Schäden die Versorgungsberechtigung zu versagen.

Der Gesetzgeber nahm das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zum Anlaß, um durch ArtII Z 1 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 den § 1 Abs 1 dritter Satz HVG neu zu fassen (vgl. dazu die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das Versorgungsrechts-Änderungsgesetz 1988, 329 BlgNR 17. GP, Zu ArtII Z 1 (§1 Abs 1 dritter Satz HVG)). Diese Neufassung ist gemäß ArtVIII Abs 2 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 mit in Kraft getreten. ArtVI Abs 2 dieses Gesetzes bestimmt jedoch, daß § 1 Abs 1 HVG in der ab geltenden Fassung auch auf Versorgungsansprüche anzuwenden ist, die vor dem geltend gemacht worden sind.

Nach dem Inkrafttreten dieser Regelung erließ die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren den (Ersatz-)Bescheid vom , mit dem sie den erstinstanzlichen Bescheid unter Berufung auf die Neufassung des § 1 Abs 1 dritter Satz HVG neuerlich bestätigte.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die eingangs erwähnte, auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie der Sache nach die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes - nämlich des nach Ansicht des Beschwerdeführers wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz verfassungswidrigen ArtVI Abs 2 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 - geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Die Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales als belangte Behörde hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof beschloß aus Anlaß der gegen diesen (Ersatz-)Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales gerichteten Beschwerde, gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen die Verfassungsmäßigkeit des ArtVI Abs 2 des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 614, mit dem versorgungsrechtliche Bestimmungen geändert werden - Versorgungsrechts-Änderungsgesetz 1988, zu prüfen.

Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G225/88 ua. Zlen., hob er die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz als verfassungswidrig auf.

III. 1. Die belangte Behörde hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach der Lage des Falles offenkundig, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.404/1985).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

2. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 3 VerfGG in

nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 1.000,-- S enthalten.

Fundstelle(n):
AAAAD-79723