OGH vom 22.10.2002, 10Ob189/02w

OGH vom 22.10.2002, 10Ob189/02w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dubravko H*****, 2. Herta H*****, beide: *****, vertreten durch Dr. Hannes Pflaum ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. Franz L*****, 2. Edith L*****, beide: *****, vertreten durch Dr. Frank Riel ua, Rechtsanwälte in Krems/Donau, und die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Parteien 1. R***** BaugesmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Mario Noe-Nordberg, Rechtsanwalt in Waidhofen/Thaya, 2. J***** GesmbH, *****, vertreten durch Lederer &

Keider, Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen EUR 197.410,26 = S

2,716.424,46 sA und Feststellung (Streitwert EUR 1.962,17 = S

27.000), über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 13 R 72/01f-41, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ausschließlich die Frage, ob der Ersatzanspruch der Kläger für Schäden, die durch die von den Nebenintervenienten ausgeführte Gebäudeerrichtung (Aushub und Neubau) auf dem den Beklagten gehörenden Nachbargrundstück entstandenen sind, verjährt ist. Dies wurde vom Berufungsgericht verneint.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 1489 erster Satz ABGB ist jede Entschädigungsklage in drei Jahren von der Zeit an verjährt, zu welcher der Schade und die Person des Beschädigers dem Beschädigten bekannt wurde, der Schade mag durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag verursacht worden sein. Diese Gesetzesbestimmung wird vom Obersten Gerichtshof in stRsp dahin interpretiert, dass die dreijährige Verjährungsfrist mit dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, in dem der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen so weit kennt, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (RIS-Justiz RS0034524; vgl auch RS0034374).

Die Kenntnis muss dabei den ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalt umfassen, insbesondere auch die Kenntnis des Ursachenzusammenhanges zwischen dem Schaden und einem bestimmten, dem Schädiger anzulastenden Verhalten, in Fällen der Verschuldenshaftung daher auch jene Umstände, aus denen sich das Verschulden des Schädigers ergibt (RIS-Justiz RS0034951 [T1, T 2, T 4 bis T 7], zuletzt etwa 6 Ob 150/00b

= ZVR 2002/14; 1 Ob 64/00v = JBl 2001, 384 = ÖBA 2001/990 = EvBl

2001/118; 7 Ob 249/01w = ecolex 2002/66, 171; Dietrich/Tades ABGB35 § 1489 E 80, 81 jeweils mwN). Der den Anspruch begründende Sachverhalt muss dem Geschädigten zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch soweit bekannt sein, dass er in der Lage ist, das zur Begründung seines Ersatzanspruches erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten (1 Ob 64/00v = JBl 2001, 384 = ÖBA 2001/990 = EvBl 2001/118 mwN; RIS-Justiz RS0034366 und RS0034524; Schubert in Rummel ABGB2 Rz 4 zu § 1489; Mader in Schwimann ABGB2 VII Rz 9 und 11 zu § 1489). Bloße Mutmaßungen über die angeführten Umstände genügen hingegen

nicht (1 Ob 64/00v = JBl 2001, 384 = ÖBA 2001/990 = EvBl 2001/118; 7

Ob 249/01w = ecolex 2002/66, 171 jeweils mwN).

Nach ständiger oberstgerichtlicher Judikatur darf sich der Geschädigte zwar nicht einfach passiv verhalten und es darauf ankommen lassen, dass er von der Person des Ersatzpflichtigen eines Tages zufällig Kenntnis erhält; wenn er die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann, gilt die Kenntnisnahme schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre (RIS-Justiz RS0034327; zuletzt: ecolex 2002/66 [krit Helmich]; vgl auch RS0034335), wobei (zur Frage der Erkundigungspflicht) auf die Umstände des konkreten Falles abzustellen ist (RIS-Justiz RS0113916). Die Erkundigungspflicht des Geschädigten, die sich auf die Voraussetzungen einer erfolgversprechenden Anspruchsverfolgung schlechthin und nicht nur auf die Person des Schädigers erstreckt (vgl RIS-Justiz RS0034327), darf aber auch nicht überspannt werden (7 Ob 249/01w mwN; RIS-Justiz RS0034327).

Die Beklagten ziehen diese, bereits vom Berufungsgericht dargestellten Grundsätze nicht in Zweifel und gestehen in ihrer Zulassungsbeschwerde auch ausdrücklich zu, dass die Verjährungsfrist dann "erst" mit dem Einlangen eines Sachverständigengutachtens beginnt, wenn der geschädigte Laie ohne Beiziehung eines Sachverständigen die Schadensursachen oder die ein Verschulden des Schädigers begründenden Umstände nicht erkennen könne. Diese Voraussetzungen lägen hier aber nicht vor, weil den Klägern bereits am bekannt gewesen sei, dass die aufgetretenen Bauschäden durch den Neubau auf dem Nachbargrundstück verursacht worden seien. Da das Gutachten Neugebauer "offenbar nur die Sanierungsmaßnahmen definieren" sollte, weiche der Standpunkt des Berufungsgerichtes, dass die Verjährungsfrist trotz Kenntnis des Schadens, des Schädigers und der wesentlichen Schäden (Seite 4 der ao Revision) nicht zu laufen beginne, von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ab. Dem ist vorerst zu erwidern, dass das Berufungsgericht die bekämpfte Auffassung (kein Verjährungsbeginn trotz Kenntnis des Schadens, des Schädigers "und der wesentlichen Schäden" [?]) gar nicht vertritt. Außerdem wird übersehen, dass die Beurteilung, wann die notwendige "Kenntnis" iSd § 1489 ABGB konkret eintritt, ebenso wie die Frage, wo die Grenzen der Erkundigungspflicht des Geschädigten liegen (SZ 69/251; RIS-Justiz RS0113916), stets von den Umständen des Einzelfalles abhängt und in der Regel keine darüber hinausgehende Bedeutung entfaltet (SZ 63/37; ecolex 1994, 537; RdW 1996, 470; 2 Ob 178/98k; 10 Ob 244/99a; 9 Ob 278/00y; 5 Ob 32/01v ua; RIS-Justiz RS0034374 [T25, T 31]; RS0034524 [T22, T 23]). Nach ständiger Rechtsprechung ist in einem solchen Fall nur dann eine erhebliche Rechtsfrage zu bejahen, wenn eine krasse Fehlbeurteilung vorliegt, die zu einem unvertretbaren Ergebnis führt (9 Ob 278/00y; vgl RIS-Justiz RS0042405, RS0044088), was die Beklagten aber - zu Recht - nicht einmal behaupten; hat Oberste Gerichtshof doch bereits festgehalten hat, dass in der Beurteilung, wonach (selbst bei Vorliegen eines Privatgutachtens) keine Verjährung des Leistungsbegehrens eintritt, solange - wie hier - der Schadensumfang noch nicht feststeht, ein Abweichen von den Grundsätzen der Rechtsprechung nicht zu erblicken ist (RIS-Justiz RS0034327 [T4] = 9 Ob 192/01b).

Von einer krassen Fehlbeurteilung, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte kann daher auch im vorliegenden Fall keine Rede sein:

Wie bereits das Berufungsgericht aufzeigt, ist nach den getroffenen Feststellungen davon auszugehen, dass am im Haus der Kläger im Beisein eines (Bau-)Ingenieurs und eines Statikers (zunächst noch) "Spione aus Gips" zur Beobachtung der aufgetretenen Risse gesetzt wurden, um die Schadensentwicklung zu beobachten und um das - ohne Beiziehung eines Sachverständigen für die Kläger als Laien nicht erkennbare - Schadensausmaß zu ermitteln (Seite 15 des Ersturteils bzw Seite 19 der Berufungsentscheidung). Nach den weiteren Feststellungen der Vorinstanzen zur Frage des Verjährungsbeginnes forderten die Kläger mit Schreiben vom die Erstnebenintervenientin auf, ihnen die anlässlich der Beweissicherung im April 1995 gemachten Fotos zwecks genauer Feststellung der Schäden zu übermitteln. Etwa zeitgleich wandten sie sich an einen ihnen Bekannten Juristen sowie an einen Bausachverständigen, um sich Rat für die weitere Vorgangsweise einzuholen. Am führten sie ua im Beisein eines befreundeten Architekten eine Besichtigung durch, wobei Setzungsrisse, teilweise nicht mehr funktionstüchtige Fenster und Türen und eine unsachgemäße Pölzung der Feuermauer festgestellt wurden, durch welche zusätzliche Sicherungsmaßnahmen erforderlich geworden wären. Darüber wurde der Stadtgemeinde am gleichen Tag Mitteilung gemacht. Nach mehrmaligem Drängen fand am eine Bauverhandlung statt, bei welcher auch das über Auftrag der Kläger erstattete Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. N*****, welches auf die genannten Bauschäden durch die Bauführung, deren Einzelursachen und die zusetzenden Maßnahmen bezug nahm, erörtert wurde. Vom genannten Sachverständigen wurde in der Bauverhandlung auch festgestellt, dass die Bauschäden auf den unsachgemäßen Aushub der Baugrube zurückzuführen seien. (Seite 15 bis 17 des Ersturteils). Damit ist es aber nicht zu beanstanden, wenn sich das Gericht zweiter Instanz der erstgerichtlichen Beurteilung (es komme allein auf den objektiven Umstand an, dass den Klägern die Schadensursache und die Haftpflichtigen [gem § 364b ABGB], also der anspruchsbegründende Sachverhalt zur Geltendmachung der auf die Aushubarbeiten zurückzuführenden Bauschäden, bereits unmittelbar nach Beginn der Aushubarbeiten [] erkennbar gewesen sei) nicht angeschlossen hat; lassen die festgestellten Umstände doch - ohne jeden Bruch mit der dargestellten Judikatur - das in der Berufungsentscheidung erzielte Ergebnis zu, dass die Verjährungsfrist im vorliegenden Fall (erst) am mit Kenntnisnahme der Kläger vom Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. N***** begonnen hat, weil das Ausmaß des Schadens für die Kläger als Laien ohne Beiziehung eines Sachverständigen nicht erkennbar gewesen sei. Die Beklagten zeigen daher keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung (gemäß § 502 Abs 1 ZPO) auf, weshalb die Revision zurückzuweisen ist.