OGH vom 04.12.2019, 15Os121/19m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schrott als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann G***** wegen mehrerer Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Geschworenengericht vom , GZ 706 Hv 2/19w-120, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Johann G***** dreier Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am in B*****
I./ seinen Bruder Ernst G***** durch einen Schuss aus einer zweiläufigen Schrotflinte getötet, indem er aus dem unmittelbaren Nahebereich einen Schuss gegen die rechte Schädelhälfte vor dem rechten Ohr des Sitzenden abgab, wodurch es zu einem Bruch des Schädeldachs und der Schädelbasis sowie einer weitgehenden Destruktion des rechten Hinterhaupts- und Scheitellappens und des Hirnstamms kam und Ernst G***** an Atem- und Hirnlähmung verstarb;
II./ seinen Vater Johann G***** durch einen Schuss aus einer zweiläufigen Schrotflinte getötet, indem er einen Schuss aus kurzer Distanz gegen dessen linke Augenregion abgab, wodurch es zu einer Aufplatzung der Schädelhöhle und [einem] Austritt des Gehirns kam und Johann G***** an Atem- und Hirnlähmung verstarb;
III./ seine Stiefmutter Margarethe M***** durch Schüsse aus einer zweiläufigen Schrotflinte getötet, indem er zwei Schüsse aus einer Distanz von wenigen Metern gegen ihre rechte Körperseite abgab, die Waffe nachlud, an sie herantrat und einen weiteren Schuss gegen ihre rechte Gesichtshälfte abgab, wodurch es zu einem Durchschuss der Gesichts- und Halsregion, Schussverletzungen an der rechten und linken Brust, einer Durchschussverletzung der rechten Hand samt Schussbruch des rechten Ellenbogens, einer Aufsprengung der Schädelbasis und der Halswirbelsäule sowie zu einer Aufreißung der Weichteilstrukturen des Halses, insbesondere der Luft- und Speiseröhre und der großen Blutgefäße kam und Margarethe M***** an Atem- und Hirnlähmung verstarb.
Die Geschworenen bejahten die anklagekonform nach Mord (§ 75 StGB) gestellten Hauptfragen I./–III./ und ließen demgemäß die Eventualfragen I./–III./ in Richtung Totschlag (§ 76 StGB) unbeantwortet.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Angeklagten aus § 345 Abs 1 Z 8 und 10a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.
Die Instruktionsrüge (Z 8) bringt vor, aufgrund der Bejahung aller Hauptfragen könne „nicht (…) davon ausgegangen werden“, dass sich die Laienrichter auch mit der (schriftlich erteilten) Rechtsbelehrung zu den Eventualfragen und damit mit den Tatbestandsmerkmalen der „allgemeinen Begreiflichkeit“ und der „heftigen Gemütsbewegung“ auseinandergesetzt hätten. Darin liegt allerdings nicht der Bezugspunkt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes.
Indem der Angeklagte weiters ausführt, da sich die Geschworenen über die vorstehenden Begriffe bereits bei Beantwortung der Hauptfrage im Klaren hätten sein müssen, sei die zu den Hauptfragen erteilte Rechtsbelehrung „irreführend unvollständig“ geblieben, orientiert er sich nicht am Wesen der Rechtsbelehrung. Diese ist stets als Ganzes zu beurteilen (RIS-Justiz RS0100695). Die Geschworenen haben bei der Prüfung der ihnen insgesamt vorliegenden Fragen die ihnen hierzu – für jede gestellte Frage gesondert (§ 321 Abs 2 StPO; RIS-Justiz RS0100804) – erteilte Belehrung als Einheit zur Kenntnis zu nehmen. Die den Geschworenen durch die Eventualfrage gebotene Alternative wird durch die Rechtsbelehrung als Ganzes bekannt gemacht und ist auch aus dem Fragenschema deutlich sichtbar. Weil die Instruktionsrüge demnach nicht vom Wesen der Rechtsbelehrung ausgeht, ist sie auch insoweit nicht prozessförmig (RIS-Justiz RS0119071).
Nicht am Verfahrensrecht angelehnt ist auch die Kritik des Angeklagten an einer nach seiner Ansicht irreführend unvollständigen Rechtsbelehrung zu den Eventualfragen. Zur gesetzmäßigen Ausführung einer Rüge, welche die Instruktion zu einer zufolge Bejahung der Hauptfrage unbeantwortet gebliebenen (nur für den Fall der Verneinung der Hauptfrage und bei deren Bejahung also konkret nicht gestellten) Eventualfrage betrifft, ist auch darzulegen, inwiefern sich die behauptete Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung auf die Beantwortung der Hauptfrage ausgewirkt haben soll (RIS-Justiz RS0101091 [T5, T 6]).
Diesen Kriterien wird das Rechtsmittel nicht gerecht, indem es behauptet, bei richtiger Belehrung zu den Eventualfragen hätten die Geschworenen die Eventualfragen I./–III./ bejaht.
Die Tatsachenrüge (Z 10a) vernachlässigt das Wesen dieses Nichtigkeitsgrundes, der in seiner prozessualen Reichweite durch Art 91 Abs 2 B-VG – wonach über die Schuld die Geschworenen alleine (§ 329 StPO) zu entscheiden haben – beschränkt ist und dessen Wirkungsbereich erst dort beginnt, wo die Grenze der freien Beweiswürdigung überschritten wird. Der genannte Nichtigkeitsgrund liegt demnach nur vor, wenn ein objektiver Beobachter auf Grund aktenkundiger Beweisergebnisse die Lösung der Schuldfrage vernünftigerweise zu teilen nicht im Stande wäre (RIS-Justiz RS0118780 [T13 und T 16], RS0119583 [T7]).
Der Beschwerdeführer verweist einerseits auf Passagen in der Anklageschrift (ON 81 S 9) und in den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen (ON 65 S 43 iVm ON 117 S 135, 139 f, 147), wonach er [der Angeklagte] sich zum Tatzeitpunkt „zweifellos in einem Zustand sehr heftiger Erregung, innerer Anspannung und Wut“ befunden habe, und andererseits auf seine Verantwortung in der Hauptverhandlung (ON 117), wonach ihm zusammengefasst aufgrund verschiedener herabsetzender Äußerungen der Tatopfer „das Ganze in diesem Moment [...] zu viel geworden“ sei, er „Schluss“ habe machen müssen und auch Selbstmordgedanken gehabt habe. Weiters bezieht er sich auf die Aussage seiner als Zeugin vernommenen Ehefrau zur „Vorgeschichte und der konfliktgeladenen Beziehung zum [als Familientyrann und Despot wahrgenommenen] Vater“ (ON 117 S 3 ff, 101 ff) und auf Ausführungen des zuvor genannten Experten zur fehlenden Akzeptanz seiner Person durch seinen Vater (ON 117 S 141 f). Schließlich betont er, dass sich die Familienmitglieder auf die Seite seines Vaters gestellt hätten bzw ihm [dem Angeklagten] in den Rücken gefallen seien. Damit vermag die Beschwerde keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch zu den Hauptfragen I./–III./ festgestellten entscheidenden Tatsachen zu wecken.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO). Über dessen Berufung wird das Oberlandesgericht zu entscheiden haben (§§ 344, 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00121.19M.1204.000 |
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