OGH vom 20.11.2018, 10ObS108/18g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Günter Hintersteiner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. F*****, vertreten durch Dr. Burghard Seyr, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Feststellung von Versicherungszeiten, über den Rekurs und die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen den Beschluss und das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 25 Rs 6/18w-21, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 75 Cgs 73/17w-11, teils abgeändert und das Verfahren teils unterbrochen wurden, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Der Rekurs wird zurückgewiesen.
2. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
1. In seinem Teilurteil stellte das Berufungsgericht die Anzahl der Versicherungsmonate mit 103 (44 Beitragsmonate der Pflichtversicherung – Erwerbstätigkeit, 59 Ersatzmonate) fest (Spruchpunkt II.1) und wies das Mehrbegehren des Klägers, die von ihm „nachgewiesenen Schul-, Studien- und Ausbildungszeiten“ in einem weitergehenden Umfang festzustellen, ab (Spruchpunkt II.2). Mit Beschluss unterbrach es das Verfahren iSd § 74 ASGG hinsichtlich des Begehrens des Klägers, seine als Rechtsanwaltsanwärter zugebrachten Zeiten vom November 1990 bis Oktober 1997 und weitere 12 Monate der mit der Pflege seiner Mutter zugebrachten Zeiten, als Versicherungszeiten festzustellen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Frage der Versicherungsberechtigung im Verwaltungsweg (Spruchpunkt III).
Rechtliche Beurteilung
2. Der Rekurs gegen einen Unterbrechungsbeschluss des Berufungsgerichts ist nicht zulässig (RIS-Justiz RS0037125). Eine Ausnahme von diesem Anfechtungsausschluss besteht nur dann, wenn der Beschluss die weitere Prozessführung abschneidet, wie im Fall der Ablehnung der Fortsetzung des Verfahrens nach Unterbrechung durch Konkurseröffnung (1 Ob 200/98p, RIS-Justiz RS0037125 [T3]) oder bei Zurückweisung der Berufung ohne Sachentscheidung als Folge der Unterbrechung (6 Ob 276/01h, RIS-Justiz RS0115945, RS0037125 [T4]). Der hier gefällte Beschluss nach § 74 Abs 1 ASGG unterliegt den Anfechtungsbeschränkungen des § 519 Abs 1 ZPO (10 ObS 114/90, SSV-NF 4/69). Da der Beschluss des Berufungsgerichts die weitere Prozessführung hinsichtlich eines konkret umschriebenen Teilbegehrens nicht abschneidet, ist der Rekurs des Klägers gegen die angeordnete Unterbrechung jedenfalls unzulässig.
3. Ein nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO mit Nichtigkeit sanktionierter Widerspruch liegt vor, wenn einzelne Teile des Spruchs einander logisch ausschließen (RIS-Justiz RS0042171; RS0041306). Im Fall einer Undeutlichkeit sind die Entscheidungsgründe mitzuberücksichtigen (vgl RIS-Justiz RS0000300).
3.1 Eine Nichtigkeit des Teilurteils liegt hier nicht vor. Aus der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts (III.4.2 und 5) ergibt sich klar, dass die Abweisung im Teilurteil nur jene Schul- und Studienzeiten erfasst, die über die in § 227 Abs 1 Z 1 ASVG normierten Höchstersatzzeiten hinausgehen und für die der Kläger keine Beiträge geleistet hat. Die (unanfechtbare) Unterbrechung betrifft hingegen die Tätigkeit des Klägers als Rechtsanwaltsanwärter von November 1990 bis Oktober 1997 und ist nicht den in Spruchpunkt II.2 genannten „Ausbildungszeiten“ zuzuordnen.
4. Neutrale Zeiten sind Zeiten, die nicht Versicherungszeiten sind und daher nicht leistungswirksam sind (§ 234 Abs 1 ASVG). Es handelt sich um Zeiten, während derer der Versicherte gegen seinen Willen oder ohne eigenes Verschulden aus in seiner Person gelegenen Gründen gehindert war, der Versicherung anzugehören. Sie werden vom Gesetzgeber zu Gunsten des Versicherten als nicht schädliche (= neutrale) Zeiten anerkannt, wenn dafür berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen, die nicht so gravierend erscheinen, dass eine Zuordnung zu den Ersatzzeiten erforderlich wäre, wie etwa Zeiten eines Bezugs einer Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (10 ObS 91/17f). § 234 ASVG zählt die neutralen Zeiten taxativ auf (10 ObS 35/98i, RIS-Justiz RS0109687).
4.1 Nach den Feststellungen der Vorinstanzen versuchte der Kläger nach Beendigung seiner Erwerbstätigkeit am jahrelang vergeblich, eine Anstellung zu finden. Er war bis 2003 beim AMS gemeldet und suchte dieses nach jahrelanger Erfolglosigkeit bei der Arbeitssuche nicht mehr auf. Seine Untätigkeit in einem Zeitraum von 2003 bis 2012, die der Berücksichtigung als neutrale Zeit iSd § 234 Abs 1 Z 6 lit b ASVG entgegensteht (vgl 10 ObS 49/05m, SSV-NF 19/46) rechtfertigt er in der Mängelrüge der außerordentlichen Revision mit seiner (erst 2012 diagnostizierten) schweren Erkrankung, der Betreuung seiner Mutter und der psychischen Belastung durch die jahrelang erfolglose Arbeitssuche. Eine konkrete zeitliche Zuordnung nimmt er dabei nicht vor. Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit wirft er Erst- und Berufungsgericht vor, seine Tätigkeit bzw die Gründe für seine Untätigkeit nicht erörtert zu haben. Diese das erstinstanzliche Verfahren betreffende Mangelhaftigkeit hat das Berufungsgericht bereits verneint (S 25), weshalb sie im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden kann (RIS-Justiz RS0043061). Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor dem Berufungsgericht oder eine erhebliche Rechtsfrage zeigt der Kläger mit dieser Argumentation nicht auf (§ 510 Abs 3 ZPO).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00108.18G.1120.000 |
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Fundstelle(n):
MAAAD-79625