VfGH vom 22.09.2008, B1158/08
Sammlungsnummer
18527
Leitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch objektive Willkür bei der Besetzung einer Direktorenstelle an einer Höheren Bundeslehranstalt; keine ausreichende Bescheidbegründung
Spruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.340,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführerin steht in einem
öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Sie ist an der Höheren Bundeslehranstalt (HBLA) für Tourismus in Krems als Professorin tätig. Die Beschwerdeführerin bewarb sich - mit weiteren Personen - fristgerecht um die im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom ausgeschriebene Stelle eines Direktors an der genannten Schule.
Im Verfahren zur Besetzung dieser Stelle erstattete das Kollegium des Landesschulrates für Niederösterreich der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur einen Besetzungsvorschlag, in dem der Mitbewerber, mit dem die ausgeschriebene Stelle in der Folge besetzt wurde, an erster und die Beschwerdeführerin an zweiter Stelle gereiht war.
2.1. In weiterer Folge wurde dieser Mitbewerber auf Vorschlag der genannten Bundesministerin mit Entschließung des Bundespräsidenten zum Direktor der HBLA für Tourismus in Krems ernannt, wovon der erfolgreiche Bewerber mit (Intimations-)Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom in Kenntnis gesetzt wurde. Dieser Bescheid lautet wie folgt:
"Sehr geehrter Herr Prof. ...!
Der Bundespräsident hat Sie mit Entschließung vom 26. April
2005 ... gemäß §§2 bis 5 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl.
Nr. 333/1979, mit Wirksamkeit vom zum Direktor der Höheren Bundeslehranstalt für Tourismus 3500 Krems/Donau, Langenloiser Straße 22, auf eine Planstelle der Verwendungsgruppe L1 im Planstellenbereich der Sozialakademien-Lehranstalten für Tourismus, Sozialberufe und wirtschaftliche Berufe des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur ernannt.
Gemäß § 57 Abs 1 Gehaltsgesetz 1956, in der derzeit geltenden Fassung, gebührt Ihnen zu Ihren Dienstbezügen der Verwendungsgruppe L1 eine Dienstzulage, deren Höhe sich nach den Bestimmungen des § 57 Abs 2 litb leg.cit. im Zusammenhalt mit der Schulleiter-Zulagenverordnung 1966, BGBl. Nr. 192, in der derzeit geltenden Fassung, richtet.
Die Ernennung ist gemäß § 207h Abs 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, in der derzeit geltenden Fassung, zunächst für einen Zeitraum von 4 Jahren wirksam.
In diesen Zeitraum werden Ihnen die Zeiten im Ausmaß von 10 Monaten gemäß Abs 2 leg.cit. eingerechnet.
Es ist mir eine besondere Freude, Sie hievon mit meinen besten Glückwünschen in Kenntnis zu setzen."
2.2. Mit einem weiteren Bescheid der genannten Bundesministerin vom wurde die Bewerbung der Beschwerdeführerin um die genannte Direktorenstelle abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid der Bundesministerin erhob die Beschwerdeführerin gemäß Art 144 Abs 1 B-VG Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B900/05, wurde dieser Bescheid wegen Verstoßes gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz aufgehoben.
3. In der Folge erhob die Beschwerdeführerin Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof u.a. mit der Begründung, in ihrem Recht auf bescheidmäßige Erledigung ihrer Bewerbung verletzt worden zu sein. Der Verwaltungsgerichtshof wies diese mit Beschluss vom , 2007/12/0196, zurück, weil die Entscheidung, welcher Bewerber zu bestellen sei, durch die Zustellung des unter Pkt. 2.1. genannten (Intimations-)Bescheides vom an den ernannten Mitbewerber getroffen worden sei; die Zustellung der im Bestellungsverfahren ergangenen Entscheidung an die Beschwerdeführerin könne nicht durch die Erhebung einer Säumnisbeschwerde erzwungen werden.
4. Daraufhin beantragte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom beim Landesschulrat für Niederösterreich die Zustellung des (Intimations-)Bescheides vom . Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin sodann am zugestellt.
5. Gegen den (Intimations-)Bescheid vom richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
Die Beschwerdeführerin bringt dazu u.a. Folgendes vor:
"Der Behörde ist ein willkürliches Verhalten unter anderem dann vorzuwerfen, wenn sie es verabsäumt hat, in einem für die Bewerberauswahl entscheidenden Punkt Pros und Kontras hinsichtlich einzelnen KandidatInnen darzustellen, einander gegenüberzustellen und gegeneinander abzuwägen. Diese Abwägungen bzw. Erwägungen der Behörde müssen aus der Begründung hervorgehen, also: nachvollziehbar sein (vgl.: VfSlg 16.906/2003; VfSlg 17282/2004; u.a.m.).
Gerade diese Nachvollziehbarkeit ist im gegenständlichen Fall
nicht einmal ansatzweise vorhanden ... .
...
[D]ie belangte Behörde [hat] in ... objektiver Willkür ...
einen ... Bescheid zu Gunsten des [Mitbewerbers] erlassen ... . Die
damit getroffene Besetzungsentscheidung ist ... nicht objektiv und
grob willkürlich erfolgt ... ."
Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur als die im verfassungsgerichtlichen Verfahren belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, in eventu abzuweisen. Begründend führt sie im Wesentlichen aus, dass kein Rechtsanspruch auf Ernennung im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis bestehe und eine solche gemäß § 10 Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984 - DVG, BGBl. 29 (WV), keiner Begründung bedürfe. Die Beschwerdeführerin sei durch den ihre Bewerbung abweisenden (vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen) Bescheid, nicht jedoch durch die Ernennung des Mitbewerbers beschwert.
Auch der ernannte Mitbewerber erstattete eine Äußerung, in der er die Zurückweisung oder Abweisung der Beschwerde und ihm "in jedem Falle einen gesetzlichen Kostenersatz in angemessener Höhe samt der gesetzlichen Umsatzsteuer zuzusprechen" beantragt. Er bringt dazu im Wesentlichen vor, die Ernennung eines Bewerbers inkludiere die Abweisung der anderen Bewerbungen und bedürfe insoweit einer Begründung, welchem Erfordernis die belangte Behörde aber in ihrem die Bewerbung der Beschwerdeführerin abweisenden Bescheid nachzukommen versucht habe. Mit der Aufhebung dieses Bescheides durch den Verfassungsgerichtshof sei bereits auf die Verletzung der Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz erkannt worden, womit diese nicht berechtigt sei, eine zweite dahingehende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu verlangen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde ist zulässig.
1.1. Verwaltungsakte des Bundespräsidenten, die auf Vorschlag eines Bundesministers ergehen und von diesem gegenzuzeichnen sind (Art67 Abs 1 und 2 B-VG), sind im Verfahren nach Art 144 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof von diesem Bundesminister zu vertreten. In Fällen dieser Art ist somit die Bekämpfung des (Intimations-)Bescheides der Bundesministerin bzw. des Bundesministers - und nicht etwa (auch) der Entschließung des Bundespräsidenten - zulässig (vgl. VfSlg. 17.184/2004).
Soweit die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur in der von ihr erstatteten Gegenschrift die Auffassung vertritt, die Beschwerdeführerin sei durch den hier bekämpften Bescheid nicht beschwert, ist ihr Folgendes entgegenzuhalten:
Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 17.184/2004 und die dort zitierte Vorjudikatur) ist dann, wenn sich aus den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen ergibt, dass im Falle des Zustandekommens eines entsprechenden Besetzungsvorschlages des zuständigen Organs nur eine Person ernannt werden darf, die in den Besetzungsvorschlag aufgenommen ist - was hier im Hinblick auf Art 81b Abs 2 zweiter Satz iVm Art 81b Abs 1 lita B-VG zutrifft -, das Bestehen einer Verwaltungsverfahrensgemeinschaft der in den Vorschlag aufgenommenen Personen und deren Parteistellung anzunehmen; der Umstand, dass über die Besetzung nicht gegenüber allen Parteien des Verwaltungsverfahrens in einem einzigen Bescheid entschieden wurde, ändert daran nichts.
Damit geht aber auch das Vorbringen des Mitbewerbers, die Beschwerdeführerin sei nach Aufhebung des ihre Bewerbung abweisenden Bescheides durch den Verfassungsgerichtshof nicht zur Bekämpfung des den Mitbewerber ernennenden Bescheides berechtigt, ins Leere.
1.2. Auch an der Rechtzeitigkeit der Beschwerde besteht kein Zweifel:
Die Beschwerde wurde am überreicht. Wie aus dem - in dieser Hinsicht seitens der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur unbestrittenen - Beschwerdevorbringen hervorgeht, wurde der angefochtene Bescheid der Beschwerdeführerin erst am zugestellt. Da die Beschwerdefrist iSd § 82 Abs 1 VfGG erst mit Zustellung und nicht schon mit der (bloßen) Kenntniserlangung vom Inhalt eines Bescheides in Gang gesetzt wird, wurde die Beschwerde rechtzeitig eingebracht, ohne dass untersucht zu werden braucht, wann der Beschwerdeführerin der angefochtene Bescheid zur Kenntnis gelangt ist (vgl. zB VfSlg. 17.184/2004, 17.246/2004).
2. Die Beschwerdeführerin wirft der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur vor, sie durch den bekämpften Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt zu haben. Damit ist die Beschwerdeführerin - im Ergebnis - im Recht.
In der Entscheidung betreffend die Auswahl eines der in den bindenden Dreiervorschlag des Landesschulrates aufgenommenen Bewerber müssen die Erwägungen jedenfalls transparent gemacht werden, da nur so die rechtsstaatlich gebotene Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts möglich ist. Der Verfassungsgerichtshof verweist in diesem Zusammenhang auf seine ständige Rechtsprechung, wonach die Behörde verpflichtet ist, Gründe und Gegengründe einander gegenüberzustellen und dem größeren Gewicht der Argumente den Ausschlag geben zu lassen (vgl. etwa VfSlg. 8674/1979, 10.942/1986, 12.476/1990). Dies gilt auch dann, wenn der Bescheid - wie im vorliegenden Fall - in einem spezifischen Zusammenwirken (Vorschläge, Entscheidung, Intimation) verschiedener oberster Organe der Bundesverwaltung zu Stande kommt (vgl. VfSlg. 17.246/2004 mwH).
Nun enthält der bekämpfte Bescheid aber keinerlei Begründung. Dies stellt objektiv einen in die Verfassungssphäre reichenden, vom Verfassungsgerichtshof aufzugreifenden Fehler dar (s. VfSlg. 17.246/2004; zuletzt ). Das in der Gegenschrift der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur enthaltene Vorbringen, dass kein Rechtsanspruch auf Ernennung im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis bestehe und eine solche gemäß § 10 DVG nicht zu begründen sei, ändert daran nichts (vgl. VfSlg. 15.826/2000; 16.431/2002).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,-- sowie Eingabengebühr (§17a VfGG) in der Höhe von € 180,-- enthalten.
Dem beteiligten Mitbewerber waren die begehrten Kosten schon deshalb nicht zuzusprechen, weil er im Verfahren unterlegen ist und die Beschwerdeführerin obsiegt hat (vgl. VfSlg. 13.160/1992).
4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.