OGH vom 06.06.1989, 15Os120/88
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Maurer als Schriftführer in der Strafsache gegen Alfred E*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3 und § 15 StGB und anderen strafbaren Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Alfred E*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom , GZ 12 Vr 3187/86-174, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, und des Verteidigers Dr. Cronenberg, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten E***, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Alfred E*** wird in ihrem noch unerledigten Teil Folge gegeben: das angefochtene Urteil - welches in dem in der Rechtsmittelentscheidung vom , GZ 15 Os 120/88-8, bezeichneten Umfang aufrecht bleibt - wird (auch) im Schuldspruch lt Pkt III aufgehoben; im Umfang dieser Aufhebung wird nach § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Alfred E*** wird von der gegen ihn erhobenen Anklage, er habe am in Hausmannstätten den abgesondert verfolgten Karl-Heinz J*** dazu bestimmt, gegen Anfang August 1984 in Graz als Geschäftsführer der "F***-E***-GesmbH" in der zum Zweck der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister gemäß § 10 GmbHG abzugebenden Erklärung insofern vorsätzlich eine zur Täuschung über deren Vermögensstand geeignete (falsche) Angabe zu machen, als sich darnach die in barem Geld zu leistende(n) Stammeinlage(n) in dessen freier Verfügung befunden habe(n), obwohl der auf das Konto Nr 0000-002568 bei der S*** S***
überwiesene Betrag von 250.000 S nie zu dessen freier Verfügung gestanden, sondern am wieder auf das Konto Nr 0000-007526 der B***-P***-GesmbH rückgeleitet worden sei, und er habe hiedurch das Vergehen nach § 122 Z 1 GmbHG als Beteiligter nach § 12 (zweiter Fall) StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Text
Gründe:
Die insoweit auf § 281 Abs. 1 Z 5 a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Alfred E***, über die im übrigen (ebenso wie über seine Berufung und über die Rechtsmittel der weiteren Angeklagten) mit hg. Urteil vom , GZ 15 Os 120/88-8, schon bei einer nichtöffentlichen Beratung (teilweise stattgebend) entschieden wurde, erweist sich (auch) in ihrem der Erledigung im Gerichtstag vorbehaltenen Teil als berechtigt.
Zum damit bekämpften - der aus dem Spruch ersichtlichen - in der Hauptverhandlung vom hinsichtlich eines Schreibfehlers korrigierten (S 363/IX) Anklage
konformen - Schuldspruch (lt Pkt III) wegen des Vergehens nach § 122 Z 1 GmbHG stellte das Erstgericht fest, daß J*** ebenso wie die anderen Gesellschafter bloß Treuhänder des Beschwerdeführers war, der ihnen am den zum Zweck der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister (für die bar zu entrichtenden Stammeinlagen) benötigten Mindestbetrag von 250.000 S durch dessen Überweisung auf das Gesellschaftskonto (aus Mitteln der B***-P***-GesmbH) nur für eben jenen Zweck kurzfristig zur Verfügung stellte. Daraus leitete es ab, daß eine "echte Verfügungsberechtigung" des Genannten, der sich (gleichermaßen wie die übrigen Gesellschafter) gegenüber dem Angeklagten als Treugeber zur Ausübung seiner "Mitgliedsrechte" nur nach dessen Weisungen sowie unter Wahrung von dessen Interessen verpflichtet hatte, über den in Rede stehenden (tatsächlich schon am rücküberwiesenen) Geldbetrag entgegen einer ihm am zuerst bezeichneten Tag ausgestellten Bankbestätigung - derzufolge er als Geschäftsführer über das Guthaben frei verfügungsberechtigt war - niemals bestanden habe und daß er in Wahrheit "nie über diese 250.000 S effektiv verfügungsberechtigt" gewesen sei (US 66 bis 69).
Rechtliche Beurteilung
Solcherart hat das Schöffengericht indessen bei der Prüfung der Frage, ob J*** in Ansehung seiner Verfügungsberechtigung über das Konto-Guthaben gegenüber dem Registergericht eine (nach den Intentionen des Beschwerdeführers) im Sinn der hier aktuellen Strafbestimmung "falsche" Angabe gemacht hat, zu Unrecht (Z 9 lit a) auf eine - im allgemeinen bei Vermögensdelikten (iwS) gewiß prinzipiell gebotene (vgl Kienapfel BT II2 § 146 RN 119 mit Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung) - wirtschaftliche Betrachtungsweise abgestellt; denn die Richtigkeit einer in einem bestimmten Gesetz vorgesehenen Erklärung muß dann, wenn sie ein für die Wirksamkeit einer strafrechtlichen Schutznorm (hier: einer Gläubigerschutzbestimmung) maßgebendes Kriterium darstellt, notwendigerweise an jenem Aussageinhalt gemessen werden, der gerade für diesen Schutzzweck von Bedeutung ist.
Die in § 10 Abs. 3 GmbHG als Vorausetzung für die Eintragung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ins Handelsregister vorgeschriebene Erklärung dahin, daß die bar zu leistenden Stammeinlagen in dem aus der betreffenden Liste ersichtlichen Betrag tatsächlich, allenfalls durch Gutschrift bei einer Bank (§ 10 Abs. 2 GmbHG), bar eingezahlt wurden und daß sich die eingezahlten Beträge in der freien Verfügung der Geschäftsführer befinden, soll aber nur gewährleisten, daß jener Teil des Stammkapitals zur Zeit der Entstehung der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 GmbHG) für die Gläubiger als Haftungsfonds bar zur Verfügung steht. In bezug auf die nachfolgenden Dispositionen darüber sind letztere hingegen dann, wenn ein für sie greifbares Gesellschaftsvermögen nicht mehr vorhanden ist, in jedem Fall auf die gesetzmäßige Haftung der Geschäftsführer und der Gesellschafter (§§ 25, 63, 65, 83 GmbHG) angewiesen (vgl Reich-Rohrwig GmbH-Recht 31 f., 58), denen eine Rückgabe schon eingezahlter Stammeinlagen - auch im Fall einer (dementsprechend nichtigen: vgl Krejci in Rummel ABGB § 879 Rz 184) Vorausvereinbarung - untersagt ist (§§ 82 Abs. 1, 83 Abs. 1 bis 3, 25 Abs. 3 Z 1 und Abs. 5 GmbHG); insoweit hat demnach die hier zu beurteilende Erklärung keine Aussagekraft (vgl abermals Reich-Rohrwig aaO 32).
Auf Beschränkungen der Verfügungsberechtigung der Geschäftsführer im Innenverhältnis, vor allem durch Weisungen der (unter Umständen treuhänderisch verdeckten) Gesellschafter, kommt es daher bei der - nur ihre Verfügungsmacht, insbesondere gegenüber dem Verwahrer, betreffenden (vgl Reich-Rohrwig aaO 77 f., Kostner NotZ 1981 55 f.) - Erklärung nach § 10 Abs. 3 (erster Satz) GmbHG nicht an; folgerichtig genügt für den gegenüber dem Registergericht zu erbringenden Nachweis, daß sie in der Verfügung über die den eingezahlten Betrag nicht, namentlich nicht durch Gegenforderungen, beschränkt sind (zweiter Satz), im Fall einer Einzahlung durch Gutschrift auf ein Bank-Konto ex lege (dritter Satz) die Vorlage einer dahingehenden schriftlichen Bestätigung dieser (über die interne Verfügungsbefugnis der Geschäftsführer naturgemäß in aller Regel gar nicht informierten) Bank, für deren Richtigkeit sie haftet (vgl Reich-Rohrwig aaO 57, Kostner aaO 55 f., und GmbH3 48). Für die Strafbarkeit nach § 122 Z 1 GmbHG maßgebend ist sohin nur, ob die in Rede stehende Erklärung im dargelegten Sinn, also in bezug auf eine von außen her nicht eingeschränkte Verfügungsmacht des Geschäftsführers, den Tatsachen entspricht, und zwar zur Zeit ihres Einlangens beim Registergericht; denn damit wird die wegen ihrer abstrakten Täuschungseignung pönalisierte falsche Angabe gegenüber dem Adressaten wirksam (vgl Reich-Rohrwig aaO 830, der für den Fall des zwischenzeitigen Verbrauchs der Bareinlage allerdings zu Unrecht auf den Zeitpunkt der Unterfertigung der Erklärung abstellt; unter Nichtberücksichtigung der Rechtsnatur des hier aktuellen Vergehens als abstraktes Gefährdungsdelikt auf den Zeitpunkt der Registereintragung abstellend, aM Gellis/Feil Komm2 517 f.). Eine spätere Einlagenrückgewähr hingegen ändert nach dem Gesagten, selbst wenn sie vorausgeplant war (insoweit ohne Begründung aM Gellis/Feil aaO 517), an einer ursprünglich vorgelegenen Richtigkeit der betreffenden Erklärung nichts: durch sie wird demnach - mag sie auch allenfalls nach anderen Bestimmungen (wie etwa §§ 153, 156 StGB) strafbar sein - der Tatbestand des dem Beschwerdeführer angelasteten Vergehens nicht verwirklicht (vgl Reich-Rohrwig aaO 831).
Die dem bekämpften Schuldspruch zugrunde liegende Rechtsansicht, daß sich das auf dem Gesellschaftskonto befindliche Guthaben entgegen der dem Geschäftsführer von der Bank ausgestellten dahingehenden Bestätigung wegen dessen Rechtsbeziehungen zum Angeklagten im Innenverhältnis nicht im Sinn des § 10 Abs. 3 GmbHG in dessen freier Verfügung befunden habe und daß demzufolge dessen inkriminierte Erklärung gegenüber dem Registergericht falsch gewesen sei, ist demnach verfehlt. Feststellungen dahin aber, daß jenes Guthaben etwa zur Zeit des Einlangens der betreffenden Erklärung beim Adressaten nicht mehr bestanden hätte, hat das Erstgericht nicht getroffen und hätte es nach der Aktenlage (ON 103) auch gar nicht treffen können.
In Stattgebung der gegen den aufgezeigten Rechtsirrtum (Z 9 lit a) im Kern zutreffend remonstrierenden Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten E*** war daher dieser von der Anklage wegen des von ihm als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB begangenen - aus den dargelegten Erwägungen auch dem abgesondert Verfolgten Karl-Heinz J*** ersichtlich zu Unrecht
angelasteten - Vergehens nach § 122 Z 1 GmbHG freizusprechen.