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OGH vom 07.06.1990, 7Ob559/90

OGH vom 07.06.1990, 7Ob559/90

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Franz K***, Rechtsanwalt, Salzburg, Erzabt-Klotz-Straße 4, als Masseverwalter im Konkurs der Kur- und Sporthotel A*** Gesellschaft mbH & Co KG., St.Johann i.P., wider die beklagte Partei Dietmar S***, Kaufmann, St.Johann i.P., Rainbach 228, vertreten durch Dr.Walter Prunbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 500.000,-- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom , GZ 3 R 149/89-76, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom , GZ 7 Cg 593/82-70, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 24.997,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 7.680,-- Barauslagen und S 2.886,30 USt.) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Gesellschaftsvertrag vom gründeten die Kur- und Sporthotel A*** GmbH als Komplementärin und 22 Kommanditisten, darunter auch der Beklagte, die Kur- und Sporthotel A*** GmbH & Co KG. Die Kommanditeinlage des Beklagten beträgt S 100.000. Laut Gesellschaftsvertrag wird die Gesellschafterversammlung durch den Komplementär und die Kommanditisten gebildet. Stimmberechtigt sind alle Gesellschafter (Art. 8.1 des Gesellschaftsvertrages). Abgestimmt wird bei den Kommanditisten nach Kapitalanteilen, je volle S 10.000 gewähren eine Stimme (Art. 8.2). Das Stimmrecht kann auch durch einen anderen Gesellschafter oder durch einen Angehörigen eines gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichteten Berufsstandes ausgeübt werden, wobei der Bevollmächtigte eine schriftliche Vollmacht vorzulegen hat (Art. 8.3). Die Gesellschafterversammlung ist beschlußfähig, wenn mindestens die Hälfte der Kommanditistenstimmen vertreten sind (Art. 8.7). Die Beschlüsse erfolgen, soweit im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt ist, durch die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen (Art. 8.8). Eine Änderung des Gesellschaftsvertrages bedarf einer qualifizierten Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen (Art. 8.8.4). Die Beschlußfassung kann auch mittels schriftlicher Umlaufbeschlüsse erfolgen, wobei die Bestimmungen des § 34 GmbHG analog anzuwenden sind (Art. 8.9). Mit Umlaufbeschluß vom November 1976 wurde der Gesellschaftsvertrag in wesentlichen Punkten geändert, um ihn an die im Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen vom

(Zl. 06/1301/2-IV/6/77), dem sogenannten Pokorny-Erlaß, zum Ausdruck kommende, gegenüber der früheren Praxis der Anerkennung von Verlustzuweisungen an Kommanditisten geänderte und verschärfte Rechtsansicht des Bundesministeriums für Finanzen anzupassen. Dem Art. 5.3. wurde folgender Absatz 3 angefügt: "Hat die Gesellschaft einen Verlust, übernehmen die Kommanditisten in Höhe des anteiligen Verlustes eine zusätzliche Haftung über die gesetzlich hinausgehende. Diese zusätzliche Haftung ist nach oben mit der zweifachen Kommanditeinlage begrenzt. Durch Gesellschafterbeschluß kann eine Änderung dieses Limits bestimmt werden. In Art. 5.5 wurde bestimmt, daß dann, wenn die Gesellschafter anläßlich der Gesellschafterversammlung den Beschluß auf Leistung eines Nachschusses fassen, ein solcher von den Kommanditisten zu erbringen ist. Der Art. 8.8.6 wurde dahin ergänzt, daß die Beschlußfassung über Nachschüsse, welche von Kommanditisten zu leisten sind, mit einer qualifizierten Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen zu erfolgen hat und dabei auch die Fälligkeit solcher Nachschüsse sowie die Säumnisfolgen bei Nicht- bzw. nicht rechtzeitiger Erfüllung der Nachschußpflicht festzusetzen ist.

Über die Kommanditgesellschaft wurde am der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Er begehrt vom Beklagten S 500.000 s.A. unter Berufung auf die Erhöhung der Haftung durch den Umlaufbeschluß vom November 1976 und einen weiteren Umlaufbeschluß vom November 1980, durch den die Haftung auf das Fünffache der Kommanditeinlage erhöht worden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen wurde durch den sogenannten Pokorny-Erlaß bestimmt, daß dem Kommanditisten Verluste steuerlich nicht zuzurechnen sind, solange die bedungene Kommanditeinlage durch Verluste herabgemindert ist. Verpflichtet sich jedoch ein Kommanditist im Innenverhältnis über die bedungene Kapitaleinlage hinaus am Verlust teilzunehmen, und dehnt er damit sein unternehmerisches Risiko aus, sind ihm steuerlich entsprechend höhere Verlustanteile zuzurechnen. Die Steuerberater einzelner Kommanditisten, und zwar Prof.Johann H***, Ing.T*** und Dr.G***-T***, sowie der Kommanditist

Dr.G*** wurden aufgrund eines Beschlusses der Generalversammlung von der Geschäftsführung beauftragt, eine Ergänzung des Gesellschaftsvertrages auszuarbeiten, wonach eine Erweiterung der Haftung der Kommanditisten im Sinne des Pokorny-Erlasses zwar grundsätzlich gegeben sein, diese aber nur dann zum Tragen kommen sollte, wenn sie von der qualifizierten Mehrheit der Kommanditisten beschlossen werde. Aus diesem Grund wurde der Art. 5.3 des Gesellschaftsvertrages durch den Abs. 3 ergänzt und durch Art. 5.5 bestimmt, daß ein Nachschuß der Kommanditisten nur aufgrund eines gesonderten Gesellschafterbeschlusses tatsächlich zu leisten ist. Zur Absicherung wurde für die Beschlußfassung über eine Nachschußpflicht der Kommanditisten eine 3/4-Mehrheit festgelegt, und die Komplementärin verzichtete auf die Ausübung ihres Stimmrechts für diesen Fall. Der Umlaufbeschluß über die Änderung des Gesellschaftsvertrages wurde auf das Jahr 1976 rückdatiert, um die steuerlichen Vorteile noch für dieses Jahr geltend machen zu können. Eine solche Rückdatierung war für derartige Haftungserweiterungen bis zum Jahre 1978 zulässig. Der Umlaufbeschluß wurde von allen Gesellschaftern mit Ausnahme des Dipl.Ing.Johann G*** persönlich unterzeichnet. Dipl.Ing.Johann G*** war durch den Steuerberater Dr.G***-T***

vertreten, der jedoch über keine schriftliche Spezialvollmacht verfügt. Dipl.Ing.Johann G*** stimmte jedoch telefonisch zu, daß der Beschluß in seinem Namen unterfertigt werde. Er genehmigte nach seiner Rückkehr ausdrücklich diese Vorgangsweise und nahm auch die erhöhten Verlustzuweisungen steuerlich in Anspruch. Eine Beschlußfassung über eine Nachschußpflicht erfolgte nicht. Die Verlustzuweisungen wurden bis 1979 in Anspruch genommen, zuletzt in Höhe von 312 %. Da sich wieder Verluste abzeichneten, wurde die Frage der Erhöhung des Haftungslimits der Kommanditisten besprochen und vom Geschäftsführer S*** ein Umlaufbeschluß bezüglich der Haftungserweiterung in Aussicht gestellt. Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Jahre 1980 wurde von

Dr.G***-T*** ein weiterer Umlaufbeschluß formuliert, der eine Änderung des Gesellschaftsvertrages im Art. 5.3 dahingehend vorsah, daß das mit dem ersten Umlaufbeschluß bestimmte Haftungslimit auf die fünffache Kommanditeinlage erhöht wurde. Dieser Beschluß wurde von 15 Kommanditisten unterfertigt. Er wurde unter Verschluß gehalten und dem Finanzamt gegenüber nicht ausgewiesen, und es wurden auch keine weiteren Verlustzuweisungen beantragt. Nicht festgestellt werden konnte, daß am Hotelbau beteiligte Professionisten im Vertrauen auf das Bestehen einer Nachschußpflicht der Kommanditisten Rechte gegen die Kommanditgesellschaft erworben haben.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes entspreche der erste Umlaufbeschluß betreffend die Haftungsübernahme über die Kommanditeinlage hinaus den gesetzlichen Erfordernissen eines solchen Beschlusses, weil alle Gesellschafter zugestimmt hätten. Der Mangel der schriftlichen Vollmacht des Dr.G***-T*** sei durch schlüssige Zustimmung aller Gesellschafter geheilt worden. Die Nachschußpflicht sei jedoch einer gesonderten Beschlußfassung mit 3/4-Mehrheit vorbehalten worden. Mangels eines solchen Beschlusses sei daher die Nachschußpflicht nicht wirksam geworden. Daran könne auch nichts ändern, wenn diese Regelung von den Finanzbehörden als ausreichend für eine steuerliche Anerkennung der Verlustzuweisungen über die Kommanditeinlage hinaus angesehen worden sei. Die erforderliche Beschlußfassung über die Nachschußpflicht könne auch nicht durch eine Erklärung des Masseverwalters ersetzt werden. Dies gelte auch für den zweiten Umlaufbeschluß, der schon mangels Zustimmung aller Gesellschafter nicht wirksam geworden sei. Sollte die Haftungsübernahme überhaupt nur zum Schein abgegeben worden sein, wäre sie nichtig.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte auch dessen Rechtsansicht.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Nach § 167 Abs. 3 HGB nimmt der Kommanditist am Verlust nur bis zum Betrag seines Kapitalanteils und seiner noch rückständigen Einlage teil. Diese Bestimmung beschränkt die endgültige Verlusttragung des Kommanditisten, ist aber nachgiebiges Recht. Es kann mit Wirkung für das Innenverhältnis vereinbart werden, daß der Kommanditist über seine Einlage hinaus am Verlust der Gesellschaft teilzunehmen hat (vgl. Torggler-Kucsko in Straube, HGB, Rz 7 zu § 167; Wünsch, Verlusttragung und Haftungsübernahme durch den Kommanditisten in Wilburg-FS 480 f). Je nach dem Inhalt einer solchen Vereinbarung trifft den Kommanditisten eine Nachschußpflicht an die werbende Gesellschaft oder die Pflicht, nach Beendigung der Gesellschaft den festgestellten Abgang im Verhältnis seiner Verlusttragungspflicht zu ersetzen. Im Falle des Konkurses der Gesellschaft kann dieser Anspruch vom Masseverwalter geltend gemacht werden (vgl. Wünsch aaO 495). Dem Rechtsmittelwerber ist daher darin beizupflichten, daß er zur Geltendmachung einer Verlusttragungspflicht des Beklagten berechtigt ist, wenn eine solche wirksam vereinbart wurde. Im vorliegenden Fall war eine über die Regel des § 167 Abs. 3 HGB hinausgehende Verlustbeteiligung der Kommanditisten im Gesellschaftsvertrag nicht vereinbart und auch eine Erhöhung durch Mehrheitsbeschluß nicht vorgesehen. Eine nachträgliche Erhöhung der Verlustbeteiligung der Kommanditisten durch Gesellschafterbeschluß bedurfte daher der Zustimmung aller Betroffenen (vgl. Torggler-Kucsko aaO Rz 17 zu Art. 7 Nr. 2 EVHGB). Hier wurde mit dem im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen und den Bestimmungen des § 34 GmbHG entsprechenden Umlaufbeschluß vom November 1976 der Gesellschaftsvertrag einhellig unter anderem dahin abgeändert, daß die Kommanditisten eine zusätzliche Haftung für Verluste der Gesellschaft bis zum Zweifachen der Kommanditeinlage übernehmen. Der Umlaufbeschluß bestimmte ferner, daß ein Nachschuß von den Kommanditisten dann zu erbringen ist, wenn dies mit einer qualifizierten Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen von den Gesellschaftern unter Festlegung der Fälligkeit und der Rechtsfolgen der Säumnis beschlossen wird. Bei Auslegung dieser Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages ist, da sie rein interne Fragen betreffen, die Absicht der Parteien heranzuziehen (Rummel in Rummel2 Rz 2 zu § 914). Unrichtig ist der Standpunkt des Revisionswerbers, daß eine einheitliche Parteienabsicht wegen der Form der Beschlußfassung gar nicht in Betracht käme. Es steht fest, daß aufgrund eines Beschlusses der Generalversammlung eine Ergänzung des Gesellschaftsvertrages dahingehend auszuarbeiten war, daß zwar einerseits eine Erweiterung der Haftung der Kommanditisten im Sinne des sogenannten Pokorny-Erlasses über die Pflichteinlage hinaus grundsätzlich gegeben sein, diese aber tatsächlich nur dann zum Tragen kommen sollte, wenn sie von der qualifizierten Mehrheit der Kommanditisten beschlossen werde. Damit ist aber klargestellt, daß nach der Absicht der Gesellschafter unbeschadet der Verwendung des Wortes Nachschuß eine über die Kommanditeinlage hinausgehende tatsächliche Haftung der Kommanditisten für Verluste der Gesellschaft einer gesonderten Beschlußfassung mit qualifizierter Mehrheit bedurfte und daß ohne solche Beschlußfassung eine erweiterte Haftung der Kommanditisten tatsächlich nicht gegeben sein sollte. Die Absicht der Gesellschafter bei Fassung des Umlaufbeschlusses war somit darauf gerichtet, eine Haftungserhöhung der Kommanditisten festzusetzen, um eine höhere Verlustzuweisung einkommensteuerlich geltend machen zu können, ohne daß tatsächlich schon eine höhere Haftung gegeben sein sollte. Schon das Erstgericht hat den Umlaufbeschluß insoweit zutreffend als Scheingeschäft beurteilt. Ein solches liegt immer vor, wenn eine Willenserklärung bloß zum Schein, insbesondere zur Täuschung von dritten Personen oder von Behörden abgegeben wird. Zum Schein ist eine Willenserklärung abgegeben, die einverständlich keine bzw. nicht die aus der Sicht eines objektiven Dritten als gewollt erscheinende Rechtsfolge auslösen soll (ZfVB 1985/1496; MietSlg. 38.081 ua). Hier sollte die aus der Sicht der Steuerbehörde als gewollt erscheinende höhere Haftung der Kommanditisten faktisch gar nicht gegeben sein (vgl. Beil. XX). Eine bloß zum Schein abgegebene Willenserklärung ist jedoch nichtig. Nur gutgläubige Dritte werden im Vertrauen auf die Gültigkeit des Geschäftes geschützt. Dritter ist jeder, dessen Rechtssphäre durch das Scheingeschäft berührt wird (SZ 43/134 ua). Eine im Innenverhältnis vereinbarte höhere Haftung der Kommanditisten berührte zwar die Rechtssphäre der Gesellschaft, deren Ansprüche, wie schon oben gesagt wurde, der Masseverwalter geltend machen könnte. Der Gesellschaft kommt aber Gutgläubigkeit nicht zu, weil ihre Organe Kenntnis von der durch die Haftungsübernahme verfolgten Absicht hatten.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.