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OGH vom 30.07.2012, 9Ob19/12b

OGH vom 30.07.2012, 9Ob19/12b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon. Prof Dr. Kuras, Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei J***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Georg Zimmer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch die Dr. Daniel Bräunlich Rechtsanwalt GmbH in Salzburg, wegen 5.070 EUR sA und 5.070 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 22 R 480/11h 20, womit das Urteil des Bezirksgerichts Oberndorf vom , GZ 2 C 985/10t 16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 744,43 EUR (darin 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht mit der Begründung zugelassen, dass zur Zulässigkeit der Vereinbarung einer „Vermittlungsprovision“ in Bezug auf § 11 Abs 2 Z 6 AÜG noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege. Die Klägerin ging in ihrer Revision weder auf die berufungsgerichtliche Begründung der Revisionszulassung näher ein noch brachte sie sonst etwas zur Zulässigkeit ihrer Revision vor. Die Beklagte bestritt dem gegenüber ausdrücklich das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und beantragte die Zurückweisung des Rechtsmittels der Klägerin. Die sich im Revisionsverfahren stellende Rechtsfrage sei im Gesetz eindeutig gelöst; es mangle auch nicht an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu dieser Frage.

Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich in diesem Fall auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):

Die Klägerin überließ der Beklagten im Jahr 2007 im Rahmen einer „Personalbereitstellung von Hilfskräften“ mehrere Arbeitnehmer. Zwei dieser Arbeitnehmer bewarben sich in der Folge erfolgreich bei der Beklagten, nachdem sie ihre Arbeitsverhältnisse zur Klägerin durch Kündigung beendet hatten. Die Klägerin stellte hierauf der Beklagten, gestützt auf die der vorhergehenden Personalbereitstellung zugrundeliegenden Geschäftsbedingungen, für jeden Arbeitnehmer den Betrag von 5.070 EUR in Rechnung.

Die Personalbereitstellungsverträge zwischen den Parteien hatten unter anderem folgende Bestimmung enthalten:

„ Eine Übernahme der an Sie überlassenen Personen ist jederzeit möglich und wird, abhängig von der ununterbrochenen Überlassungsdauer, wie folgt in Rechnung gestellt:

Bis zu drei Monaten 250 Stundensätze,

bis zu sechs Monaten 200 Stundensätze,

bis zu neun Monaten 150 Stundensätze,

ab neun Monaten 100 Stundensätze oder nach Vereinbarung.

Alle unsere Preise verstehen sich pro Person und bestätigter Leistungsstunde, exklusive 20 % Mehrwertsteuer. “

Für die Frage, was zwischen Überlasser und Beschäftiger im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung zulässigerweise vereinbart werden kann, ist das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG), BGBl 1988/196, einschlägig. Nach § 11 Abs 1 AÜG darf der Überlasser eine Arbeitskraft an einen Dritten nur nach Abschluss einer ausdrücklichen Vereinbarung überlassen, die unabhängig von der einzelnen Überlassung bestimmte Bedingungen zwingend festzulegen hat. Nach § 11 Abs 2 Z 6 AÜG sind Bedingungen verboten, welche die überlassene Arbeitskraft für die Zeit nach dem Ende des Vertragsverhältnisses zum Überlasser, insbesondere durch Konventionalstrafen, Reugelder oder Einstellungsverbote, in ihrer Erwerbstätigkeit beschränken. Nach § 8 Abs 2 AÜG sind Vereinbarungen zwischen dem Überlasser und dem Beschäftiger verboten, die der Umgehung gesetzlicher Bestimmungen zum Schutz der Arbeitskraft dienen. Die Gesetzesmaterialien führen dazu aus, dass von dem Verbot insbesondere Vereinbarungen erfasst werden sollen, die der überlassenen Arbeitskraft den Abschluss eines Arbeitsvertrags für die Zeit nach der Beendigung der Überlassung erschweren oder unmöglich machen. Dort wird weiters darauf hingewiesen, dass nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu § 879 ABGB verbotene Bedingungen als dem Vertrag nicht zugesetzt gelten (RV 450 BlgNR 17. GP 18 f).

Der Oberste Gerichtshof hat sich schon zu 1 Ob 225/08g mit einer ähnlichen Konstellation wie der vorliegenden befasst. Dort ging es um eine vereinbarte „Konventionalstrafe“, die der Überlasser vom Beschäftiger begehrt hatte, nachdem letzterer zwei ehemalige Arbeitskräfte des Überlassers nach Beendigung deren Arbeitsverhältnisse eingestellt hatte. Der Oberste Gerichtshof hielt dazu ausdrücklich fest, dass entgegen der Auffassung des Überlassers keine Rede davon sein könne, dass es durch die Vereinbarung einer Konventionalstrafe zwischen Überlasser und Beschäftiger zu keiner Behinderung oder Beeinträchtigung des Arbeitnehmers komme bzw dass dieser dadurch in seiner Erwerbstätigkeit „in keinster Weise“ beschränkt sei. Es könne vielmehr kein Zweifel daran bestehen, dass die Aussichten eines Arbeitnehmers, ein Arbeitsverhältnis zu einem neuen Arbeitgeber zu begründen, erheblich ungünstiger seien, wenn die Begründung eines solchen Arbeitsverhältnisses für den potentiellen neuen Arbeitgeber mit der Verpflichtung zur Leistung einer Konventionalstrafe verbunden sei. Wäre eine solche Vereinbarung gültig, würde ein potentieller Arbeitgeber regelmäßig einen anderen - sonst gleichwertigen - Arbeitnehmer einstellen, mit dessen Beschäftigung keine weiteren finanziellen Nachteile verbunden wären (1 Ob 225/08g). An dieser rechtlichen Beurteilung ist festzuhalten; sie hat auch für den vorliegenden Fall zu gelten.

Ziel der Regelung des § 11 Abs 2 Z 6 AÜG ist es, die volle Beweglichkeit der überlassenen Arbeitskraft am Arbeitsmarkt sicherzustellen ( Schindler in ZellKomm² § 11 AÜG Rz 19 ua). Um die Bewegungsfreiheit des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt nicht in bedenklicher Weise einzuschränken, sind daher Vereinbarungen verboten, die die überlassene Arbeitskraft für die Zeit nach dem Ende des Vertragsverhältnisses zum Überlasser durch zu leistenden Zahlungen wie etwa Konventionalstrafen oder Reugelder in ihrer Erwerbstätigkeit beschränken. Wenn beispielsweise eine Vereinbarung zwischen Überlasser und Beschäftiger Regelungen vorsieht, die einem Arbeitnehmer die Selbstkündigung und den anschließenden Beginn eines Arbeitsverhältnisses zum Beschäftiger erschweren, so soll damit offensichtlich die Bestimmung des § 11 Abs 2 Z 6 AÜG umgangen werden, die Beschränkungen der Erwerbstätigkeit nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses zum Überlasser untersagt (vgl Schwarz in Sacherer/Schwarz , AÜG² § 8 Erl 2; Schindler in ZellKomm² § 11 AÜG Rz 19 ua). Genau dieses verpönte Ziel der Beschränkung der Erwerbstätigkeit verfolgte nun aber nicht nur die zu 1 Ob 225/08g zu beurteilende Klausel, sondern auch die hier geltend gemachte Bestimmung in den Geschäftsbedingungen der Klägerin, weil diese ebenso - indirekt - dazu führt, dass es der ursprünglich überlassenen Arbeitskraft schwerer fällt als sonstigen Arbeitsuchenden, einen Arbeitsplatz beim früheren Beschäftiger zu finden. Daran vermögen Beteuerungen der Klägerin, dass es ihr bei der Vereinbarung nicht um eine Beschränkung der Erwerbstätigkeit, sondern um ein „Entgelt für die Weiterbeschäftigung“ gegangen sei, nichts zu ändern. Es handelt sich daher um eine verbotene Bedingung, die keine Wirkung beanspruchen kann. Auf die Bezeichnung der Zahlung (zB Konventionalstrafe, Reugeld, Ablöse, Provision, Entgelt für Weiterbeschäftigung etc), die der Überlasser vom Beschäftiger fordert, kommt es nicht an (vgl Schwarz in Sacherer/Schwarz , AÜG² § 8 Erl 2; Sacherer , Abwerbung von überlassenen Arbeitskräften, RdW 2009, 797 ua).

Soweit die Klägerin argumentiert, ihr stehe ein „Entgelt für die Weiterbeschäftigung“ zu, weil die Beklagte (mit Billigung der Klägerin) eine attraktive Arbeitskraft der Klägerin „übernommen“ habe, vermischt sie die Tätigkeiten der Arbeitskräfteüberlassung und der Personalvermittlung (vgl Schwarz in Sacherer/Schwarz , AÜG² § 11 Erl 5.6) und übergeht, dass zwischen den Parteien kein Personalvermittlungsvertrag, sondern ein Arbeitskräfteüberlassungsvertrag abgeschlossen wurde. Letzterer unterliegt dem AÜG und wurde offenbar zwischen den Parteien ordnungsgemäß abgewickelt; jedenfalls sind keine Ansprüche aus der Zeit der Arbeitskräfteüberlassung Gegenstand dieses Verfahrens.

Mit rechtsvergleichenden Überlegungen zum deutschen Recht, das hier unstrittig nicht anzuwenden ist, wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung ausdrücklich auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RIS Justiz RS0035979 ua).