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OGH vom 07.11.2019, 12Os118/19y

OGH vom 07.11.2019, 12Os118/19y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sysel als Schriftführer in der Strafsache gegen Mustafa Ö***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom , GZ 36 Hv 34/19y-45, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mustafa Ö***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 15, 87 Abs 1 StGB (I./1./), des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (I./2./), des Vergehens des Hausfriedensbruchs nach § 109 Abs 1 und Abs 3 Z 1 StGB (II./), des Verbrechens der schweren Nötigung nach § 105, 106 Abs 1 Z 2 StGB (III./; vgl jedoch zu § 99 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB RISJustiz RS0092915, RS0092914) sowie des Vergehens der Kindesentziehung nach § 15, 195 Abs 1 und Abs 2 StGB (IV./) schuldig erkannt.

Danach hat er am in N*****

I./ anderen eine schwere Körperverletzung absichtlich zugefügt oder zuzufügen versucht, und zwar

1./ Milica B***** durch Versetzen mehrerer Schläge mit einer Bratpfanne aus Metallguss ins Gesicht und gegen den Körper sowie von Fußtritten gegen den Körper, wobei sie lediglich im Urteil bezeichnete leichte Verletzungen am Kopf und an einer Hand erlitt;

2./ Ana C***** durch Werfen zu Boden, Versetzen von Faustschlägen gegen den Kopf und ins Gesicht sowie von Fußtritten, wodurch sie einen Bruch einer Augenhöhle, einen doppelten Bruch des Oberkiefers, einen Bruch des Jochbodens, eine Prellung der rechten Schulter und der rechten Hand sowie eine Zerrung der Halswirbelsäule erlitt;

II./ den Eintritt in die Wohnung der Milica B***** mit Gewalt erzwungen, indem er das Wohnzimmerfenster aufbrach und hineinkletterte, wobei er gegen die in der Wohnung befindlichen Personen Milica B***** und Ana C***** Gewalt zu üben beabsichtigte;

III./ Ana C***** mit Gewalt, indem er sie an Händen und Füßen fesselte und ihren Mund mit Klebeband zuklebte, sie schlug und sie bis zur Bewusstlosigkeit würgte, zu einer Unterlassung, nämlich der Ortsveränderung genötigt, wobei er sie durch diese Mittel längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzte;

IV./ versucht, den am geborenen Azad B*****, sohin eine unmündige Person, der Erziehungsberechtigten Milica B***** zu entziehen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4, Z 5, Z 5a, „Z 9, Z 9a“ und Z 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich als nicht berechtigt.

Z 8 und Z 11 des § 281 Abs 1 StPO werden ohne inhaltliches Vorbringen lediglich nominell angeführt.

Die Verfahrensrüge (Z 4) bezieht sich auf die Abweisung des Antrags des Angeklagten auf „kriminaltechnische Untersuchung der Bratpfanne zum Beweis dafür, dass sich daran kein Blut befindet, daher auch nicht damit zugeschlagen worden ist und auf weitere Untersuchung dieser Pfanne, da die Zeugin B*****, wenn tatsächlich damit zugeschlagen worden wäre, nicht wesentlich schwerere Verletzungen hätte davon tragen müssen“ (ON 44 S 32 f). Durch die Abweisung dieses Beweisantrags wurden Verteidigungsrechte nicht verletzt. Ihm lässt sich nämlich unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Angeklagte zugestand, Milica B***** zumindest einen Faustschlag versetzt zu haben (ON 44 S 5), nicht entnehmen, inwiefern das Beweisthema für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage von Bedeutung sein könnte (§ 55 Abs 1 und Abs 2 StPO; RISJustiz RS0118444). Das dazu in der Nichtigkeitsbeschwerde nachgetragene Vorbringen ist aufgrund des sich aus dem Wesen des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes ergebenden Neuerungsverbots unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).

Die weitere Verfahrensrüge bezieht sich auf die Abweisung des in der Hauptverhandlung vom Angeklagten gestellten Antrags auf Durchführung eines Ortsaugenscheins „in der Wohnung der Zeugin B***** zum Beweis dafür, dass es sehr wohl möglich ist, dass die Zeugin C***** bei der Auseinandersetzung mit dem Angeklagten gegen die dort befindlichen Stühle und den Tisch gefallen ist, alleine aufgrund der räumlichen Gegebenheiten und der Beengtheit“ (ON 44 S 32 f). Auch dieser Beweisantrag konnte ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden. Denn der unter Beweis zu stellende tatsächliche Umstand war mit Blick auf die dem Schöffengericht im Antragszeitpunkt bereits vorgelegenen Beweisergebnisse nicht in der Lage, die zur Feststellung entscheidender Tatsachen anzustellende Beweiswürdigung maßgeblich zu beeinflussen (RISJustiz RS0116987).

Unvollständig im Sinne der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 13 Abs 3 zweiter Satz, § 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (Ratz, WKStPO § 281 Rz 421). Mit dem Vorbringen des Angeklagten, er hätte Milica B***** lediglich mit seinen Händen geschlagen, das Gericht hätte keine Feststellungen dazu getroffen, ob sich an der von der Polizei sichergestellten Bratpfanne tatsächlich Blutspuren befanden, wird der angesprochene Nichtigkeitsgrund jedoch nicht zur Darstellung gebracht.

Die Behauptung des Angeklagten, die Tatrichter hätten seine Verantwortung übergangen, Ana C***** habe sich die objektivierten Verletzungen bei einem Sturz über Einrichtungsgegenstände im Wohnzimmer zugezogen, trifft nicht zu (US 8). Das Schöffengericht hat diese Einlassung jedoch als unglaubwürdig verworfen, was als Ausfluss freier Beweiswürdigung mit Mängelrüge nicht bekämpfbar ist.

Mit dem Vorbringen (Z 5a), es wäre ein lang andauernder Sorgerechtsstreit um den Sohn des Angeklagten und der Milica B***** eskaliert, nach Zeugenaussagen wäre der Angeklagte „grundsätzlich nicht gewaltbereit und sogar ein guter Ehemann gewesen“ und hätte nur unter Alkoholeinfluss „Probleme“, weshalb ihm nicht einfach unterstellt werden könne, es sei ihm geradezu darauf angekommen, die Zeuginnen B***** und C***** schwer am Körper zu verletzen, gelingt es nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu wecken.

Zu IV./ des Schuldspruchs bringt der Angeklagte vor, das Beweisverfahren hätte nicht ergeben, dass er das Kind der Zeugin B***** dauerhaft entziehen wollte, dazu hätte er auch gar keine Mittel gehabt, vielmehr wollte er mit seinem Sohn bloß zum Spielplatz aufbrechen. Damit entfernt sich die Rechtsrüge (Z 9 lit a) prozessordnungswidrig vom festgestellten Sachverhalt (US 4 f; RISJustiz RS0099810).

Soweit die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme betreffend IV./ des Schuldspruchs einen Rechtsfehler mangels Feststellung einer ausführungsnahen Handlung im Sinn des § 15 Abs 2 StGB erblickt (Z 9 lit a), ist sie auf die – wenn auch disloziert im Rahmen der Beweiswürdigung getroffene – Konstatierung zu verweisen, wonach der Angeklagte, nachdem er Ana C***** gefesselt und ihr den Mund zugeklebt hatte, gerade dabei war, mit dem Kind hinauszugehen, als dessen Mutter Milica B***** nach Hause kam (US 11). Dass dies keine Versuchshandlung darstellen sollte, ist auch der von der Generalprokuratur zitierten Kommentarstelle (Markel in WK² StGB § 195 Rz 23) nicht zu entnehmen.

Die zu I./1./ und 2./ mit dem Ziel eines Schuldspruchs jeweils wegen „§ 84 StGB“ erstattete Subsumtionsrüge (Z 10) nimmt nicht – wie aber zur Darstellung materieller Nichtigkeit geboten (vgl neuerlich RISJustiz RS0099810) – Maß an den erstgerichtlichen Feststellungen, sondern bestreitet diese hinsichtlich der Absichtlichkeit (US 5) bloß.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00118.19Y.1107.000

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