VfGH vom 21.02.2013, B1149/12
Leitsatz
Aufhebung des angefochtenen Bescheides in einem dem Anlassfall im engeren Sinn gleichzuhaltenden Fall
Spruch
I. Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesministerin für Finanzen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.620,– bestimm ten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren
1. Die beschwerdeführende Gesellschaft (A**** ***** **) übernahm im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach ArtI UmgrStG (Verschmelzung) zur Gänze die H******** ******* ************** **** (übertragende Gesellschaft), wobei Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft bis zu deren Erlöschen zu 98 % die beschwerdeführende Gesellschaft als übernehmende Gesellschaft und zu 2 % die S********** ** waren. Der 2 % Anteil der S********** ** wurde dabei treuhändig für die beschwerdeführende Gesellschaft gehalten.
2. Mit Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates (UFS) wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft für diesen Vorgang der Vereinigung aller Anteile der Gesellschaft in ihrer Hand – vor der Verschmelzung – iSd § 1 Abs 3 Z 2 Grund erwerbsteuergesetz 1987 (GrEStG 1987) ausgehend vom dreifachen Einheitswert der Liegenschaft der übertragenden Gesellschaft (Superädifikat) die 3,5%ige Grunderwerbssteuer in bestimmter Höhe vorgeschrieben.
3. In der dagegen erhobenen, auf Art 144 B VG gestützten Beschwerde wird die Verletzung in Rechten wegen Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleis teten Rechten und Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsvorschrift behauptet.
4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
II. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , G77/12, § 6 GrEStG 1987, BGBl 309/1987, in der Fassung BGBl I 142/2000, als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Gemäß Art 140 Abs 7 B VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirk lichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art 140 Abs 7 B VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungs gerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg 10.616/1985, 11.711/1988). Im – hier allerdings nicht gegebenen – Fall einer Beschwerde gegen einen Bescheid, dem ein auf Antrag eingeleitetes Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, muss dieser verfahrenseinleitende Antrag überdies vor Bekanntmachung des dem unter Pkt. 1. genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes eingebracht worden sein (VfSlg 17.687/2005).
3. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren G77/12 begann am . Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffent lichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung zur Ermittlung des Wertes des Grundstückes denkmöglich an (dreifacher Einheitswert gemäß § 6 Abs 1 GrEStG1987). Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei nachteilig war.
III. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. Die beschwerdeführende Partei wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 19 Abs 4 Z 3 VfGG abgesehen.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,– sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 220,– enthalten.