OGH vom 26.03.1987, 7Ob557/87
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Hule, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Andreas B***, Volksschuldirektor, Dorfgastein Nr. 56, vertreten durch Dr. Wolfgang Mayr, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Ingeborg B***, Hausfrau, Dorfgastein Nr. 56, vertreten durch Dr. Rudolf Moser, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Ehescheidung, infolge der Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom , GZ. 1 R 285/85-140, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom , GZ. 1 Cg 297/82-121, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Keiner der Revisionen wird Folge gegeben.
Die Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof werden gegeneinander aufgehoben.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Vorinstanzen haben die zwischen den Streitteilen am geschlossene Ehe geschieden, und zwar das Erstgericht nach § 49 EheG unter Ausspruch beiderseitigen gleichteiligen Verschuldens, das Berufungsgericht, unter Abweisung des Antrages auf Scheidung der Ehe nach § 49 EheG, gemäß § 50 EheG. Das Berufungsgericht hat hiebei den Antrag der Beklagten, ein Verschulden des Klägers auszusprechen, abgewiesen.
Im zweiten Rechtsgang gingen die Vorinstanzen von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:
In der Zeit zwischen dem und unterhielt die Beklagte ehewidrige Beziehungen zum Arzt Dr. S***, die ihr jedoch vom Kläger im Jänner 1970 verziehen wurden. Hierauf verlief die Ehe bis 1975 im wesentlichen ungetrübt. Ab diesem Zeitpunkt ergaben sich erhebliche Differenzen, weil die Beklagte vermutete, der Kläger unterhalte zu Hildegard R*** ehewidrige Beziehungen. Tatsächlich kennt der Kläger diese Frau seit etwa 1974/1975. Er trifft sich mit ihr durchschnittlich alle zwei Wochen zu gemeinsamen Spaziergängen und Bergwanderungen, an denen dritte Personen grundsätzlich nicht teilnehmen. Einmal besuchten sie miteinander auch ein Konzert. Darüber hinausgehende Kontakte zwischen dem Kläger und Hildegard R*** sind nicht feststellbar. Die Beklagte reagierte jedoch auf diese Kontakte übermäßig eifersüchtig.
Der Kläger verbrachte seine Freizeit überhaupt vorwiegend nach eigenem Interesse und unter Ausschluß seiner Familie. In den Ferien machte er Bergtouren in der Dauer von zwei bis drei Wochen, ohne seine Gattin davon zu unterrichten, wo er sich aufhalte. Er half auch im Haushalt nicht mit.
Die 1975 einsetzenden Streitigkeiten, die insbesondere den Umgang des Klägers mit Frau R*** zum Gegenstand hatten, nahmen an Häufigkeit zu und arteten wiederholt zu gegenseitigen Tätlichkeiten aus. Hiebei kam es auch zu leichten Verletzungen der Streitteile sowie zum Gebrauch von Schimpfwörtern. Im März 1977 legte die Beklagte dem Kläger den schriftlichen Entwurf eines sogenannten "Ehevertrages" vor, der jedoch vom Kläger nicht unterfertigt wurde (auf die näheren Feststellungen der Vorinstanzen bezüglich der Streitigeiten der Ehegatten und über den Wortlaut dieses "Ehevertrages" kann verwiesen werden).
Bis zum Jahresbeginn 1977 hatte der Kläger immer wieder versucht, die Ehe in Ordnung zu bringen. Als sich die Erfolglosigkeit dieser Versuche herausstellte, gab er im Laufe dieses Jahres seine Versuche auf. Wesentlich hiefür war, daß er spürte, die Beklagte versuche, intensive Kontakte zu dem Priester August F*** aufzunehmen. Die Ehe war seit Anfang 1977 endgültig zerrüttet. Etwa seit Beginn des Jahres 1978 lebten die Streitteile nur noch nebeneinander her.
Die Annäherungsversuche der Beklagten an August F*** begannen 1977 oder 1978. Obwohl der Genannte die Annäherungsversuche immer wieder entschieden zurückwies, wurden sie von der Beklagten über Jahre hindurch nicht aufgegeben. Zu Weihnachten 1978 ließ die Beklagte in eine Armbanduhr eine besondere Mechanik einbauen, die bewirkte, daß in Abständen von 30 Sekunden ein Bild des genannten Priesters, von dem sie auch eine Photographie in der Küche hängen hatte, auftauchte. Die von der Beklagten angestrebten Kontakte waren eindeutig ehewidriger Natur. Besonders 1978 vernachlässigte die Beklagte den ehelichen Haushalt erheblich.
Am kam die Beklagte mittags nach Hause, fand jedoch die Wohnungstür versperrt vor. Als es ihr schließlich doch gelang, in die Wohnung zu kommen, kam es zu einer lautstarken Auseinandersetzung zwischen den Streitteilen. Dabei nannte die Beklagte den Kläger ein "elendes Schwein", warf ihm ein Verhältnis mit Frau R*** vor und äußerte sich sinngemäß, er solle sofort verschwinden sonst passiere etwas. Sie ergriff auch einen Pfeil von einem Kinderspiel, der dann zwischen den Ehegatten hin- und hergerissen wurde. Erst der Sohn der Streitteile veranlaßte diese, voneinander abzulassen. Auf Grund dieses Vorfalles verließ der Kläger am die eheliche Wohnung. Die häusliche Gemeinschaft der Streitteile ist seither aufgehoben (auch hier kann auf die eingehenden Feststellungen der Vorinstanzen verwiesen werden). Abweichend von den erstrichterlichen Feststellungen traf das Berufungsgericht nach Beweiswiederholung folgende Feststellungen über den Geisteszustand der Beklagten:
Die Beklagte wuchs aus psychiatrischer Sicht unter tristen familiären Verhältnissen auf. Ihre Familie war zwar äußerlich sozial intakt, beide Eltern waren jedoch berufstätig und kümmerten sich wenig um die Kinder. Die Beklagte fühlte sich als Kind alleingelassen und vereinsamt. Entsprechend der Kindheitserfahrung erwartete sie sich eine Erfüllung aller Sehnsüchte durch eine Partnerschaft. Durch die hochgestellten Erwartungen in dieser Richtung überforderte sie den Kläger. Sie mußte hinnehmen, daß die Ehe nicht das bringen konnte, was sie sich erhoffte. Dies führte zu erheblichen Verstimmungszuständen, Depressionen und Wutausbrüchen. Es ist offensichtlich, daß sich die Beklagte mit ihrem brachliegenden Anlehnungsbedürfnis an andere Männer anzuklammern versuchte. Bei ihr ist zwar weder eine endogene Psychose nach Art einer Schizophrenie oder einer manisch depressiven Erkrankung festzustellen. Sie ist im allgemeinen auch in ihrem Einsichtsvermögen nicht erheblich gestört. Intelligenz, Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit und Konzentration sind normal. Auf Grund der geschilderten Vorgeschichte ist bei der Beklagten aber jedenfalls ab Herbst 1978 eine schwere Neurose mit hysterischen und angstneurotischen Komponenten und depressiven Verstimmungen anzunehmen. Diese Neurose entspricht bereits einem psychiatrischen Krankheitsbild und führte zu beträchtlich verminderter Zurechnungsfähigkeit und psychischer Steuerungsfähigkeit. Dadurch wurde die Beklagte von unberechenbaren Emotionen überwältigt bzw. haben die Depressionen die Beklagte bisweilen so gelähmt, daß sie ihren hausfraulichen Pflichten nicht mehr nachkommen konnte. Eine Feststellung, daß es sich bei jedem einzelnen Vorfall bei der Beklagten um eine so schwerwiegende hysterische abnorme Reaktion gehandelt hat, daß sie zeitweilig völlig steuerungsunfähig war, kann nicht getroffen werden.
Beide Vorinstanzen vertraten die Rechtsansicht, das festgestellte Verhalten der Beklagten stelle eine Reihe schwerwiegender Eheverfehlungen dar. Dem stünden ebenfalls schwere Eheverfehlungen des Klägers gegenüber. Während aber das Erstgericht die Rechtsansicht vertrat, mangels Feststellbarkeit, daß jede einzelne Eheverfehlung der Beklagten auf ihre Krankheit zurückzuführen sei, müßten ihr diese Verfehlungen im Sinne des § 49 EheG vorgeworfen werden, führte das Berufungsgericht aus, beweispflichtig für das Vorliegen eines Scheidungsgrundes nach § 49 EheG sei der Kläger. Dieser Beweis sei nur erbracht, wenn auch nachgewiesen werde, daß die festgestellten Verfehlungen im Zustand der vollen Zurechnungsfähigkeit begangen worden sind. Die hier vorliegenden Zweifel führen dazu, daß das Scheidungsbegehren nach § 49 EheG abgewiesen werden müsse. Infolge Vorliegens objektiver Eheverfehlungen sei jedoch das Begehren nach § 50 EheG gerechtfertigt. Im konkreten Fall sei die Härteklausel des § 54 EheG nicht anzuwenden. Die Anwendung der Härteklausel sei nämlich nicht die Regel, sondern eine einschränkend auszulegende Ausnahme, weil eine Ehe mit einer nach menschlichem Ermessen voraussichtlich dauernd aufgehobenen geistigen Gemeinschaft oder Lebensgemeinschaft im Regelfall als ihres sittlichen Gehaltes beraubt erscheine. Bei der Beurteilung, ob die Scheidung der Ehe den anderen Ehegatten außergewöhnlich hart treffen würde, sei das gesamte Verhalten der beiden Ehegatten in seinen Wechselwirkungen zueinander zu berücksichtigen. Habe der die Scheidung begehrende Ehegatte das Leiden des anderen allein verschuldet, sei in der Regel die Scheidungsklage abzuweisen, während einer Scheidung nichts im Wege stehen werde, wenn das Leiden infolge eines seinerzeit vom Beklagten zu vertretenden Umstandes entstanden sei. Könne aber die Entstehung der Krankheit keinem der Ehegatten ausschließlich zugerechnet werden, dann komme es auf die Lage des Einzelfalles an. Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 54 EheG seien unter Bedachtnahme auf die Umstände des Einzelfalles, insbesondere auf Ursachen und Mitursachen der Erkrankung, die Dauer der Ehegemeinschaft, die Auswirkungen der Scheidung auf den erkrankten Ehegatten und auf die Zumutbarkeit der Aufrechterhaltung der Ehe für den gesunden Ehegatten zu prüfen. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, daß die Krankheit der Beklagten in ihrer Persönlichkeit, verbunden mit der Nichterfüllung ihrer Erwartungen in der Ehe, begründet sei. Das Verhalten des Klägers sei hiefür nicht entscheidend gewesen. Seit 1978 sei die Ehe unheilbar zerrüttet. Dies könne auch durch ihre Aufrechterhaltung nicht mehr beseitigt werden. Rein wirtschaftliche Erwägungen seien aber bei der Beurteilung, ob das Scheidungsbegehren sittlich gerechtfertigt sei, nicht zu berücksichtigen. Demnach könne im vorliegenden Fall dem Scheidungsbegehren nach § 50 EheG die sittliche Rechtfertigung nicht abgesprochen werden.
Was die Frage der Mitschuld des Klägers an der Ehescheidung anlange, könnten Gegenstand einer solchen Mitschuld alle Umstände bilden, die einen Scheidungsgrund aus Verschulden darstellen. Allerdings könne der Schuldantrag als Rechtsmißbrauch sittlich nicht gerechtfertigt sein, wenn eine Gesamtwürdigung des Verlaufes der Ehe und des Verhaltens beider Ehegatten vor und nach der Zerrüttung der Ehe ergebe, daß eine einseitige Schuldfestsetzung gegen den Kläger der Billigkeit grob widerspreche. In der Regel werde sich der Schuldantrag des beklagten Ehegatten schon dann als Rechtsmißbrauch darstellen, wenn das Verschulden dieses Ehegatten an der Zerrüttung der Ehe ebenso schwer oder schwerer wiege als das des Klägers. Dies führe im vorliegenden Fall dazu, daß infolge der zahlreichen festgestellten Umstände, die objektiv als Eheverfehlungen der Beklagten anzusehen seien, der Ausspruch eines Verschuldens des Klägers an der Ehescheidung nicht gerechtfertigt sei. Weder die von der Beklagten wegen § 503 Z 3 und 4 ZPO noch die vom Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Revision ist gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
A) Zu der Revision des Klägers:
Der Kläger wendet sich dagegen, daß sein auf § 49 EheG gestütztes Hauptbegehren abgewiesen worden ist. Hiebei nimmt er mit Recht gegen die allgemeinen Ausführungen des Berufungsgerichtes zur Beweislastverteilung Stellung. Grundsätzlich wird die Handlungsfähigkeit einer Person vermutet. Erst wenn generell die Handlungsunfähigkeit nachgewiesen ist, muß ein lucidum intervallum derjenige beweisen, der sich darauf beruft (Rummel in Rummel, Rdz 15 zu § 865).
Der Einwand, ein Scheidungsanspruch nach § 49 EheG bestehe wegen einer geistigen Störung im Sinne des § 50 EheG nicht, ist zumindest analog der Einrede der eingeschränkten Handlungsfähigkeit im Sinne des § 865 ABGB gleichzuhalten. Demnach muß diesbezüglich auch die grundsätzliche Beweislastverteilung für diese Frage gelten. Allgemein hat also derjenige, der eine Scheidungsklage nach § 49 EheG einbringt, nur das Vorliegen schwerer Eheverfehlungen zu beweisen, nicht aber auch den Gesundheitszustand seines Gegners, aus dem dessen volle Verantwortlichkeit für die Eheverfehlungen abgeleitet wird. Vielmehr ist es Sache des Gegners, einen Gesundheitszustand zu beweisen, der den nachgewiesenen Eheverfehlungen die Qualifikation eines Scheidungsgrundes nach § 49 EheG nimmt.
Im vorliegenden Fall ist jedoch mit der aufgezeigten Beweislastverteilung für den Kläger im Ergebnis nichts gewonnen. Wie bereits dargelegt, muß im Falle des Nachweises genereller Handlungsunfähigkeit ein allfälliges ludicum intervallum von demjenigen bewiesen werden, der für den konkreten Fall ausnahmsweise Handlungsfähigkeit behauptet. Bei analoger Anwendung dieses Grundsatzes auf die Frage des Einstehenmüssens für schwere Eheverfehlungen gelangt man zu dem Ergebnis, daß dann, wenn dem Beklagten im Ehescheidungsverfahren der Beweis gelungen ist, daß er an einer geistigen Störung leidet, die seinem Verhalten allgemein die Qualifikation von Ehescheidungsgründen aus Verschulden nehmen würde, der Kläger beweisen muß, daß im Einzelfall bestimmte Verfehlungen nicht von diesem Ausschluß betroffen sind. Im Ergebnis hat also das Berufungsgericht für Fälle, wie die vorliegenden, die Beweislastverteilung richtig vorgenommen, wobei lediglich seine allgemein gehaltene Begründung nicht geteilt werden kann. Im vorliegenden Fall ergibt sich, daß das eine Scheidung nach § 49 EheG ausschließende Krankheitsbild der Beklagten zumindest ab Herbst 1978 besteht. Ab diesem Zeitpunkt können ihr daher, mangels Nachweises des Gegenteiles für einzelne Vorfälle, Verfehlungen nicht mehr nach § 49 EheG zur Last gelegt werden. Geht man vom Zeitpunkt der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft () aus, so ergibt sich, daß im Hinblick auf die Bestimmung des § 57 Abs. 1 EheG Eheverfehlungen, die nach § 49 EheG geltend gemacht werden könnten, von der Beklagten nicht gesetzt worden sein können. Selbst wenn man den Herbst 1978 bis rechnet, kommt man zu keinem anderen Ergebnis, weil die Krankheit ab "Herbst 1978" mit Sicherheit feststeht, demnach mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einer solchen Erkrankung während des ganzen Herbstes auszugehen ist, also der erste Anschein für einen solchen Sachverhalt spricht. Das bewirkt aber die Beweislast des Klägers dafür, daß, entgegen diesem Anschein in der Zeit vom 17.11. bis die Krankheit noch nicht bestanden hat. Ein solcher Beweis wurde nicht erbracht. Dies führt aber dazu, daß auch vor dem Herbst 1978 liegende Verfehlungen der Beklagen, selbst wenn diese nicht auf einer geistigen Störung beruhen sollten, nicht mehr als Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG herangezogen werden können, weil die Bestimmung des § 59 Abs. 2 EheG nur dann Platz greift, wenn eine Scheidungsklage auf andere Eheverfehlungen gestützt werden kann. Da dies im vorliegenden Fall, wie bereits dargelegt wurde, nicht in Frage kommt, hat das Berufungsgericht mit Recht das auf § 49 EheG gestützte Begehren des Klägers abgewiesen.
B) Zur Revision der Beklagten:
Mit dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit wird der unzulässige Versuch einer Bekämpfung der vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen unternommen. Im übrigen haben die Vorinstanzen den von der Beklagten angestrebten "Ehevertrag" gar nicht als Scheidungsgrund gewertet. Das Berufungsgericht hat dieses Faktum lediglich zur Illustration erwähnt. Es erübrigt sich daher ein weiteres Eingehen auf die diesbezüglichen Ausführungen der Revision. Daß zwischen den Streitteilen gegenseitige Mißhandlungen stattgefunden haben, wurde ohnedies festgestellt. Es ist hiebei nicht von entscheidender Bedeutung, daß es im einen Fall zu einer Verurteilung des Klägers gekommen ist, weil auch geringfügigere Mißhandlungen, die aus irgendeinem Grund nicht zur strafgerichtlichen Verurteilung geführt haben (denkbar wäre hier auch, daß der andere Ehegatte sich im Strafverfahren der Aussage entschlägt) schwere Eheverfehlungen darstellen können. Daß das festgestellte Verhalten der Beklagten grundsätzlich, ihre volle Verantwortlichkeit vorausgesetzt, ein Scheidungsbegehren nach § 49 EheG rechtfertigen würde und demnach infolge des Gesundheitszustandes des Beklagten der Tatbestand des § 50 EheG erfüllt worden ist, bestreitet die Beklagte nicht mehr. Sie wendet sich lediglich dagegen, daß das auf § 50 EheG gestützte Scheidungsbegehren nicht nach § 54 EheG abgewiesen worden ist. Die in § 54 EheG erwähnte Härte muß jedoch über die mit jeder Scheidung verbundenen nachteiligen Folgen hinausgehen. Rein wirtschaftliche Gründe bilden keine beachtliche Härte. Auch die Umstände des Klägers sind zu berücksichtigen, der ein grundsätzliches Recht auf Scheidung hat, weshalb der Härtefall der Ausnahmefall ist (Pichler in Rummel, Rdz 3 zu § 54 EheG, EFSlg. 33.989, 29.566 ua.).
Im vorliegenden Fall kann nach den getroffenen Feststellungen nicht davon ausgegangen werden, daß die Krankheit der Beklagten durch das Verhalten des Klägers ausgelöst oder wesentlich beeinflußt worden ist. Es ist auch nicht anzunehmen, daß sich am Zustand der Beklagten durch eine formelle Aufrechterhaltung der nach den getroffenen Feststellungen total zerrütteten Ehe etwas ändern könnte. Wie bereits dargelegt wurde, würden aber rein finanzielle Umstände die Anwendung der Härteklausel nicht rechtfertigen. Richtig hat also das Berufungsgericht erkannt, daß das auf § 50 EheG gestützte Begehren im vorliegenden Fall nicht nach § 54 EheG abgewiesen werden kann, weil keiner jener Ausnahmefälle vorliegt, die die letzterwähnte gesetzliche Bestimmung im Auge hat. Der Revision der Beklagten ist darin beizupflichten, daß die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes bezüglich der Nichtanwendbarkeit des § 61 Abs. 2 EheG in einem Fall, in dem den Beklagten ein erhebliches Verschulden an der Ehescheidung - seine geistige Gesundheit vorausgesetzt - treffen würde, aus dem Gesetzeswortlaut selbst nicht entnommen werden kann. Man muß jedoch den Sinn dieser Bestimmung berücksichtigen. Sie soll verhindern, daß jemand, dessen Verhalten als Summe schwerer Eheverfehlungen zu beurteilen wäre, die Krankheit seines Ehepartners zum Anlaß nimmt, eine Scheidung durchzusetzen, bei der sein erhebliches Verschulden nicht berücksichtigt wird und hiedurch der Ehepartner um ansonsten berechtigte Unterhaltsansprüche gebracht wird. Einer Verhinderung dieses vom Gesetzgeber nicht gewünschten Ergebnisses dient § 61 Abs. 2 EheG. Liegt die Situation jedoch so, daß wesentlicher Grund für die Zerrüttung der Ehe auch das Verhalten des mit einer geistigen Erkrankung oder Störung behafteten Ehepartners ist, so wäre es grob unbillig, dieses Verhalten völlig außer acht zu lassen und die Ehe auf eine Art zu scheiden, die den Kläger so stellt, als hätte sein Gegner mit einer auf alleiniges Verschulden des Klägers gestützten Ehescheidungsklage Erfolg gehabt. Es ist demnach unter Berücksichtigung des Sinnes des Gesetzes gerechtfertigt, § 61 Abs. 2 EheG so auszulegen, daß der Ausspruch eines Verschuldens des Klägers dann zu unterbleiben hat, wenn die einseitige Schuldfestsetzung gegen den Kläger der Billigkeit grob widerspricht. Dies wird in der Regel dann der Fall sein, wenn das Verhalten des Beklagten zur Zerrüttung der Ehe ebenso oder noch schwerer beigetragen hat, wie das Verhalten des Klägers (SZ 44/66). Der Oberste Gerichtshof tritt also auch in dieser Frage, ebenso wie schon in der zitierten früheren Entscheidung, der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes bei. Bei Abwägung des festgestellten beiderseitigen Verhaltens ist davon auszugehen, daß das Verhalten der Beklagten die Zerrüttung der Ehe mindestens im gleichen Ausmaß verursacht hat, wie das Verhalten des Klägers. Der Auszug des Klägers aus der Ehewohnung fällt nicht mehr ins Gewicht, sondern war nur die Konsequenz der bereits eingetretenen totalen Zerrüttung der Ehe.
Es erweist sich sohin auch die Revision der Beklagten als nicht gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 43 Abs. 1 und 50 ZPO.