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OGH vom 01.09.1993, 7Ob556/93

OGH vom 01.09.1993, 7Ob556/93

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Graf, Dr.Schalich und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Land Steiermark, Graz, Hofgasse 15, vertreten durch Dr.Guido Held, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1. Land Salzburg, vertreten durch Dr.Hans Katschthaler, Landeshauptmann, Salzburg, Chiemseehof, dieser vertreten durch Dr.Rudolf Zitta, Rechtsanwalt in Salzburg, 2. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, 3. Land Kärnten, vertreten durch Dr.Christoph Zernatto, Landeshauptmann, Klagenfurt, Arnulfplatz 1, 4. Land Oberösterreich, vertreten durch Dr.Josef Ratzenböck, Landeshauptmann, Linz, Klosterstraße 7, 5. Land Wien, vertreten durch Dr.Helmut Zilk, Landeshauptmann, Wien 8., Rathaus, 3. bis 5. vertreten durch Dr.Rudolf Zitta, Rechtsanwalt in Salzburg, und

6. Österreichische Autobahnen- und Schnellstraßen-Aktiengesellschaft, Salzburg, Auerspergstraße 9, wegen Feststellung (Streitwert 3,500.000,-- S) infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom , GZ 6 R 67/93-8, womit der Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom , GZ 9 Cg 85/93p-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Zurückweisungsbeschluß behoben und dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens auch gegenüber der sechstbeklagten Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Rechtsmittelkosten bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit Bundesgesetz BGBl. Nr. 826 vom betreffend Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften wurde durch Verschmelzung (§ 233 AktG) der Autobahn- und Schnellstraßen-Aktiengesellschaft, der Phyrnautobahn-Aktiengesellschaft, der Tauernautobahn-Aktiengesellschaft und der Wiener Bundesstraßen-Aktiengesellschaft die neue Aktiengesellschaft "Österreichische Autobahnen- und Schnellstraßen-Aktiengesellschaft gebildet. Nach § 1 leg. cit. letzter Satz erfolgt die Verschmelzung "mit Wirkung vom ". Nach § 1 Abs. 2 leg. cit. sind Verschmelzungsbeschlüsse der Hauptversammlungen der sich vereinigenden Gesellschaften nicht erforderlich, ebenso entfällt ein Verschmelzungsantrag, ebenso ist kein Treuhänder nach § 226 Abs. 2 AktG zu bestellen. Nach § 2 Abs. 4 leg.cit. sollen die Dienstverhältnisse der Arbeitnehmer der verschmolzenen Gesellschaften erst mit der Eintragung der neuen Gesellschaft auf diese übergehen. Nach § 5 leg. cit. hat die Hauptversammlung der neuen Gesellschaft die Satzung festzulegen, ohne daß es einer Zustimmung der Hauptversammlungen der sich vereinigenden Gesellschaften bedarf. Nach § 5 Abs. 2 leg. cit. hat der Vorstand die Gesellschaft bei dem Gericht, in dessen Sprengel sie ihren Sitz hat, zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden. Nach § 6 leg. cit. sind die für Aktiengesellschaften geltenden gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden, soweit sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt. Eine Übergangsregelung fehlt. Im § 14 leg. cit. wird lediglich unter anderem ausgesprochen, daß durch das Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes das Phyrnautobahn-Finanzierungsgesetz BGBl. 1971/479, zuletzt geändert durch das BGBl. 591/1982, abgeändert wird.

Die sechstbeklagte Partei wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom zu 24 Fi 645/93w, FN 30.647w/3 im Firmenbuch registriert. Das vom Land Steiermark gegen diesen Beschluß erhobene Rechtsmittel wurde vom Oberlandesgericht Linz mit Beschluß vom , 6 R 110/93, zurückgewiesen. Dem dagegen vom Land Steiermark erhobenen Rekurs hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom , 6 Ob 14/93, nicht Folge gegeben. Die Eintragung ist damit rechtskräftig geworden.

Das klagende Land Steiermark begehrt mit seiner am eingebrachten Klage gegenüber den beklagten Bundesländern und der Republik Österreich die Feststellung, daß die in der (Haupt-)Versammlung vom gefaßten Beschlüsse über Satzung, Bestellung des ersten Aufsichtsrates, Bestellung der Abschlußprüfer für den ersten Jahresabschluß sowie das dort errichtete Protokoll unwirksam, und für den Fall der Abweisung dieses Begehrens, nichtig sei, weiters die Feststellung gegenüber der sechstbeklagten Partei, daß diese Beschlüsse und das Protokoll nichtig seien, in eventu für rechtsunwirksam erklärt werden. Die Klägerin brachte im wesentlichen vor, daß das die Verschmelzung anordnende Maßnahmengesetz verfassungswidrig sei und daß die am gefaßten Beschlüsse daher nicht rechtswirksam zustandegekommen seien. Sie beantragte, für die sechstbeklagte Partei allenfalls einen Prozeßkurator nach § 8 ZPO in der Person der Finanzprokuratur zu bestellen, weil nicht auszuschließen sei, daß erstere eines zur Vertretung befugten gesetzlichen Vertreters entbehre.

Das Erstgericht wies die Klage gegen die sechstbeklagte Partei zurück und den Antrag der Klägerin auf Bestellung eines Prozeßkurators für die sechstbeklagte Partei ab. Eine Aktiengesellschaft entstehe gemäß § 34 Abs 1 AktG als Rechtspersönlichkeit erst mit ihrer Eintragung in das Handelsregister; dies gelte gemäß § 233 Abs. 4 AktG auch für die durch Verschmelzung entstandene neue AG. Da die sechstbeklagte Partei im Zeitpunkt der Gerichtsanhängigkeit noch nicht registriert gewesen sei, stelle sie noch keine juristische Person und sohin noch kein Prozeßsubjekt dar. Dieser Mangel sei auch nicht durch die beantragte Bestellung eines Kurators zu sanieren.

Das Rekursgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung diesen Beschluß. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand als mit S 50.000,-- übersteigend und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Trotz der Formulierung im § 1 des Maßnahmengesetzes, daß die Verschmelzung mit Wirkung vom erfolge, lasse sich diesem Gesetz nicht entnehmen, daß der sechstbeklagten Partei entgegen § 34 Abs. 1 AktG schon mit diesem Stichtag - vor ihrer Registrierung - Rechtspersönlichkeit zukomme. Vielmehr ergebe sich aus den Gesetzesmaterialien, daß die Rechtspersönlichkeit der sechstbeklagten Partei erst mit ihrer Registrierung im Firmenbuch entstehen solle.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung von der Klägerin erhobene Revisionsrekurs ist im Ergebnis berechtigt.

Im vorliegenden Verfahrensstadium ist allein auf die Frage der Parteifähigkeit der sechstbeklagten Partei einzugehen. Da eine durch Verschmelzung zustandegekommene Aktiengesellschaft gemäß § 233 Abs. 4 iVm § 34 Abs. 1 AktG erst durch ihre Eintragung in das Firmenbuch Rechtspersönlichkeit erlangt, ist zu prüfen, ob der Gesetzgeber mit § 1 Abs. 1 letzter Satz des BGBl. 1992/826 im Zusammenhang mit § 6 leg. cit. eine Ausnahme von diesem Grundsatz geschaffen hat und der im § 5 Abs. 2 leg. cit. dem Vorstand der Österreichischen Autobahnen- und Schnellstraßen-AG aufgetragenen Anmeldung der Aktiengesellschaft zur Eintragung in das Firmenbuch nur deklarative Wirkung zukommt. Die grammatikalische Auslegung des Gesetzestextes führt zu keinem befriedigenden Ergebnis, weil die Worte "die Verschmelzung erfolgt mit Wirkung vom " bzw. die Worte im § 13 leg. cit. "die aufgrund der Verschmelzung nach § 1 bis 3 verwirklichten Erwerbsvorgänge sind von der Grunderwerbsteuer befreit...." im Zusammenhang mit der systematisch-logischen Betrachtungsweise zum Ergebnis führen, daß der Gesetzgeber mit seiner Maßnahme den Verschmelzungsakt (vgl. das Zitat des § 233 AktG in Abs. 1 leg. cit.) nur einer ganz bestimmten Raffung unterziehen wollte. Die Verschmelzung von Aktiengesellschaften erfolgt in mehreren Abschnitten, um den nächsten Schritt zu setzen, bedarf es der Rechtswirksamkeit der vorangegangenen Schritte (vgl. die Reihenfolge der im § 220 ff AktG vorgesehenen Maßnahmen, die auch für die Verschmelzung durch Neubildung nach § 233 AktG bindend sind). Die historische Auslegung führt ebenfalls zu keinem befriedigenden Ergebnis, weil der Gesetzgeber im Bereich der Verstaatlichung und der Umstrukturierung der verstaatlichten Industrie durchwegs voneinander abweichende Sonderregelungen, die in das allgemein geltende Gesellschaftsrecht divergierend eingreifen, geschaffen hat, ohne daß dabei ein System ableitbar wäre (vgl. Kastner, Gesammelte Aufsätze von 1946 bis 1981, 547 ff). Unter Berücksichtigung, daß der Gesetzgeber mehrfach auch die Satzung der zu gründenden Gesellschaften in Gesetzesform festlegte bzw. seine Zustimmung zur Satzung oder seine Genehmigung vorsah, wäre für den vorliegenden Fall von Bedeutung, daß dies hier nicht geschah, sondern nur die Verschmelzung als solche und die Beteiligungsverhältnisse der verschmolzenen Aktiengesellschaften an der neuen AG sowie die Mehrheitsverhältnisse im Aufsichtsrat der neuen Gesellschaft mit Gesetz dekretiert wurden. Schon Plöchl (Gutachten zum 5.ÖJT I/3 A, 38 ff und 66 f) wies darauf hin, daß bei getrennten Gründungsakten schon die Formalien der Errichtung den Gesetzgeber zur Klärung wichtiger Vorfragen zwingen sollten. Aus dem Bericht des Bautenausschusses (820 BlgNR XVIII GP, 2) geht klar hervor, daß die Worte "die Verschmelzung erfolgt mit Wirkung vom " aus bilanzrechtlichen Gründen gewählt wurden, sohin der Einsparung einer während des Kalenderjahres sonst erforderlichen Abschichtungsbilanz dienten. Die Worte "Formell werden die neuen Gesellschaften erst mit der Eintragung in das Firmenbuch voll wirksam" können nur im Sinn der Aufrechterhaltung der sonstigen Regelungen des § 233 Abs. 4 iVm § 34 Abs. 1 AktG gedeutet werden. Aber auch bei Anwendung der objektiv teleologischen Auslegungsmethode kommt man zu keinem anderen Ergebnis, weil der mit diesem Gesetz erkennbar verfolgte Zweck in der Eliminierung der Bestimmungen der §§ 220, 221, 225 Abs 2, 226 Abs. 1 und 2 und der §§ 227 bis einschließlich 232 AktG zu erblicken ist - möglicherweise nur allfällige Sperrminoritäten von Minderheitsaktionären der zu verschmelzenden Aktiengesellschaften nicht zum Tragen kommen zu lassen -, während der weitere Verschmelzungsvorgang aufgrund der Bestimmungen des Aktiengesetzes erfolgen soll, um den privatrechtlichen Charakter der neuen Aktiengesellschaft zu erhalten. Dies ist auch aus der Bestimmung ableitbar, daß die Dienstverhältnisse der Arbeitnehmer der verschmolzenen Gesellschaften erst mit der Eintragung in der neuen Gesellschaft in das Firmenbuch auf diese übergehen und sohin die Tätigkeit und damit die Rechtspersönlichkeit der verschmolzenen Gesellschaften bis zu diesem Zeitpunkt aufrecht bleiben soll. Dies geht auch aus der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Übertragung des Abschnittes Lainbergtunnel der A 9 Phyrnautobahn an die Phyrnautobahn-Aktiengesellschaft (BGBl. 1993/242) hervor, weil der Auftrag zur Errichtung eines neuen Autobahnteilstückes nur an eine bestehende Rechtsperson erfolgen kann. Damit hat der Bundesminister für Wirtschaftliche Angelegenheiten der Auffassung Rechnung getragen, daß der Verschmelzungsakt als solcher noch nicht rechtswirkam war, weil zu diesem Zeitpunkt die sechstbeklagte Partei noch nicht im Firmenbuch eingetragen war.

Zutreffend haben die Vorinstanzen erkannt, daß der Mangel der Parteifähigkeit als ein im § 477 ZPO nicht aufgezählter Nichtigkeitsgrund anzusehen ist, der in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen ist (Fasching II 125 und IV 114). Allerdings kommt der von der klagenden Partei im Revisionsrekurs zugestandenen Tatsache, daß die sechstbeklagte Partei am ins Firmenbuch eingetragen wurde, trotz des Umstandes, daß dies nach Ergehen des Beschlusses des Rekursgerichtes geschah, im Zusammenhang mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , 6 Ob 14/93, mit der diese Eintragung in Rechtskraft erwuchs, rechtserhebliche Bedeutung zu. Wird die parteiunfähige Partei während des Verfahrens parteifähig, so kann eine Nichtigkeitserklärung nicht mehr erfolgen (vgl. Rspr. 1927/26 und JBl 1957, 510; iglS Fasching aaO). Auch für das Rechtsmittelverfahren kann nichts anderes gelten. Wenn nämlich der Mangel der Parteifähigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen ist, so folgt daraus, daß er auch noch im Rechtsmittelverfahren behoben werden kann (§ 6 ZPO). Wollte man anders entscheiden, so würde dies zur Ungereimtheit führen, daß zwar das Erstgericht den Mangel beheben könnte und seine Behebung versuchen müßte, das Rechtsmittelsgericht aber nicht, obwohl der nach dem Willen des Gesetzes zu vermeidende Schaden, der infolge fruchtloser Prozeßarbeit durch die Verfahrensvernichtung entsteht, ein wesentlich größerer wäre (vgl. JBl 1957, 510). Mit der Eintragung ins Firmenbuch hat die sechstbeklagte Partei die ihr bei Einbringung der Klage noch fehlende Parteifähigkeit erlangt, die sechstbeklagte Gesellschaft ist mit dieser Eintragung "voll wirksam" (Bericht des Bautenausschusses aaO) geworden, vgl auch Schiemer, AktG, 99 und 106. Der Grund für die bis dahin nach den vorstehenden Ausführungen gerechtfertigte Zurückweisung der Klage hinsichtlich dieser Gesellschaft ist damit weggefallen.

Es waren deshalb die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht die Zustellung der Klage auch an die sechstbeklagte Partei aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.