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OGH vom 18.07.2017, 10Ob16/17a

OGH vom 18.07.2017, 10Ob16/17a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Mag. M***** und 2.) Mag. S*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Christof Jocham, Mag. Andreas Voggenberger, Rechtsanwälte in Eugendorf, gegen die beklagten Parteien 1.) H*****, vertreten durch Mag. Helmut Rieger, Rechtsanwalt in Wien, 2.) F***** KG und 3.) Dr. W*****, beide *****, beide vertreten durch Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 112.830,50 EUR sA, über die außerordentliche Revision der erstbeklagten Partei (Revisionsinteresse: 97.153,90 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 157/16b-39, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der von den Vorinstanzen gegenüber der Erstbeklagten bejahte Schadenersatzanspruch der Kläger in Höhe von 97.153,90 EUR sA im Zusammenhang mit dem – über die Zweitbeklagte als Maklerin, deren unbeschränkt haftender Gesellschafter der Drittbeklagte ist, vermittelten – Verkauf eines Reihenhauses durch die Erstbeklagte an die Kläger. Die Abweisung des Klagebegehrens gegenüber den Zweit und Drittbeklagten durch das Erstgericht erwuchs unangefochten in Rechtskraft. In ihrer außerordentlichen Revision zeigt die Erstbeklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Die Erstbeklagte wendet sich gegen eine ihrer Ansicht nach aktenwidrige Begründung des Berufungsgerichts bei der Behandlung der Beweisrüge. Aktenwidrigkeit ist gegeben, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, wenn also der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolgedessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde (RISJustiz RS0043347). Auch die Überprüfung einer Beweiswürdigung auf der Grundlage aktenwidriger Tatsachenannahmen verwirklicht eine Aktenwidrigkeit (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 Rz 173 mwN; 3 Ob 241/05w). Die Aktenwidrigkeit muss für das Urteil von wesentlicher Bedeutung, also geeignet sein, die Entscheidungsgrundlage zu verändern (RISJustiz RS0043347 [T9]).

1.2 Erkennbar im Zusammenhang mit der von den Vorinstanzen ihrer Ansicht nach zu Unrecht verneinten Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die Kläger wendet sich die Erstbeklagte gegen die Übernahme der Feststellung durch das Berufungsgericht, dass sich die Kläger erst nach der Ablehnung ihrer Ansprüche zum Verkauf des Reihenhauses entschlossen hätten. Das Berufungsgericht hat allerdings gar nicht auf den Zeitpunkt des Entschlusses der Kläger zum Verkauf abgestellt, sondern allein darauf, dass der Verkauf erst nach Ablehnung der von den Klägern geforderten Rückabwicklung des Kaufvertrags durch die Erstbeklagte erfolgte. Dass dies so war, ergibt sich aus den Feststellungen des Erstgerichts und auch aus den Angaben in der Revision selbst. Weder die in diesem Zusammenhang geltend gemachte sekundäre noch primäre Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegen daher vor.

1.3 Die Erstbeklagte wendet sich weiters gegen die Begründung der Übernahme der Feststellung durch das Berufungsgericht, dass die Wohnfläche des Hauses „im Zug der punktweisen Überprüfung“ des Inserats durch die Erstbeklagte und die von ihr beigezogene Mitarbeiterin der Zweitbeklagten „auf 135 m² reduziert“ wurde. Sie verweist diesbezüglich jedoch lediglich – in unzulässiger Weise (RISJustiz RS0043579) – auf mehrere Punkte in der Beweisrüge in ihrer Berufung, legt aber nicht die Relevanz der von ihr behaupteten Aktenwidrigkeit dar.

2. Als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens rügt die Revisionswerberin, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts überraschend sei, weil in erster Instanz die Zurechnung von Handlungen der Zweitbeklagten an die Erstbeklagte im Sinn des § 1313a ABGB nicht erörtert worden sei. Die Beklagte hat aber in ihrer Berufung keine auf die Unterlassung der Erörterung gestützte Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens gerügt, sodass sie dies in der Revision nicht nachholen kann (RISJustiz RS0043111).

3.1 Bei Schadenersatzverpflichtungen aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis ist der Vertrauensschaden zu ersetzen (negatives Vertragsinteresse). Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er stünde, wenn die Pflichtverletzung nicht begangen worden wäre (RISJustiz RS0016734). Der Schaden ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln (RISJustiz RS0030153). Mit dem Argument, dass dazu dem von den Klägern bezahlte Kaufpreis der Verkehrswert der Liegenschaft gegenüberzustellen sei, übergeht die Revisionswerberin, dass die Kläger diese bereits wieder verkauft haben. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass in einem solchen Fall der rechnerische Schaden durch Gegenüberstellung des Erwerbspreises zuzüglich der Erwerbskosten und des Veräußererpreises ermittelt wird, steht mit der Rechtsprechung im Einklang (RISJustiz RS0120784). Ein ungünstig erfolgter Verkauf ist – was die Revisionswerberin ohnehin eingewendet hat – als Verletzung der Schadensminderungspflicht geltend zu machen (vgl zB 4 Ob 62/11p mwH).

3.2 Ein sorgfaltswidriges Verhalten der Zweitbeklagten steht gerade nicht fest, sodass die Rechtsrüge zur Schadensberechnung insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt ist.

4.1 Der Geschädigte verletzt seine Schadensminderungspflicht nur dann, wenn er schuldhaft Handlungen unterlässt, die von einem verständigen Durchschnittsmenschen gesetzt worden und geeignet wären, den Schaden abzuwehren oder zu verringern. Was zugemutet werden kann, bestimmt sich nach den Interessen beider Teile und den Grundsätzen des redlichen Verkehrs. Welche Maßnahmen der Geschädigte treffen muss, ist regelmäßig nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen und stellt daher, soweit keine auffallende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vorliegt, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (RISJustiz RS0022681 [T4, T 7]; RS0027787 [T1, T 12, T 18]).

4.2 Nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen wusste die Erstbeklagte, dass das Dachgeschoss des Hauses nicht als Wohnraum gewidmet ist, sodass die Wohnfläche nicht – wie aufgrund ihrer Informationen im Inserat angegeben – 135 m², sondern lediglich 95 m² betrug. Das Dachgeschoß wurde vom Sohn der Erstbeklagten ausgebaut, was die Erstbeklagte den Klägern bei der gemeinsamen Begehung des Hauses erklärte. Es diente den Söhnen der Erstbeklagten als Schlafraum, wenn sie zu Besuch kamen. Die Erstbeklagte klärte über den Umstand, dass das Dachgeschoß nicht als Wohnraum gewidmet war, weder die von ihr betraute Zweitbeklagte noch die Kläger auf. Die Kläger gingen bei der Besichtigung davon aus, dass auch das Dachgeschoß als Wohnraum bewilligt ist. Ein Reihenhaus mit einer Wohnfläche von 95 m² wäre für die Kläger nicht in Frage gekommen.

4.3 Vor diesem Hintergrund ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Kläger im konkreten Fall nicht gegen ihre Verpflichtung zur Schadensminderung verstoßen haben, nicht korrekturbedürftig. Die Kläger verkauften das Haus erst, nachdem die von ihnen begehrte Rückabwicklung des Kaufvertrags von der Beklagten abgelehnt worden war. Auf das von der Revisionswerberin für ihren Standpunkt ins Treffen geführte Argument, dass eine nachträgliche Bewilligung des Dachbodenausbaus noch möglich gewesen wäre, was auch der gerichtliche Sachverständige ausgeführt habe, kommt es dabei im konkreten Zusammenhang nicht an: Das Erstgericht hat nämlich – insofern unangefochten – festgestellt, dass die Kläger das Haus in Kenntnis der fehlenden Bewilligung von vornherein nicht erworben hätten. Darüber hinaus hätte selbst im Fall einer nachträglichen Bewilligung die mögliche Wohnraumnutzung im Dachgeschoß nicht 44,7 m², sondern lediglich 24,78 m² betragen.

4.4 Die Kläger haben das Reihenhaus von der Beklagten mit Kaufvertrag vom um 395.000 EUR gekauft. Sie zogen einen Bausachverständigen bei, um den objektiven Verkehrswert des Hauses zu ermitteln. Dieser Sachverständige teilte am den Verkehrswert der Liegenschaft vorab mit 295.000 EUR (ohne Widmung des Dachgeschoßes) bzw 345.000 EUR (mit Widmung des Dachgeschoßes) mit. Darauf beruhend haben die Kläger das Haus um 312.000 EUR verkauft. Dieser Betrag liegt nur rund 10 % unter dem vom Sachverständigen angegebenen Verkehrswert (nachträglicher) Widmung des Dachgeschossausbaus als Wohnraum. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass sich die Kläger vor diesem Hintergrund auf die ihnen vorab mitgeteilten Zahlen des von ihnen beigezogenen Sachverständigen nach den oben dargestellten Kriterien verlassen durften, ist nicht korrekturbedürftig. Daran ändert nichts, dass sich das Gutachten des von den Klägern beigezogenen Sachverständigen später als fehlerhaft herausstellte. Aus diesen Gründen kommt es auch auf den von der Revisionswerberin betonten Umstand, dass das Anbot der Käuferin unstrittig bereits vor dem Vorliegen der den Klägern von ihrem Sachverständigen bekanntgegebenen Schätzwerte vorgelegen haben mag, nicht entscheidend an.

5. Eine mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht angefochten werden. Soweit die Revisionsausführungen der Beklagten auf die Feststellung eines anderen Sachverhalts abzielen, sind sie daher im Revisionsverfahren keiner Behandlung zugänglich.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0100OB00016.17A.0718.000
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RAAAD-79311