OGH vom 12.09.2013, 10ObS106/13f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr.
Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in den verbundenen Sozialrechtssachen der klagenden Parteien 1. Dr. M*****, 2. Mag. K*****, vertreten durch Dr. Martin Alt, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15 19, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld und Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld (Streitwert 582,40 EUR und 752,08 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Rs 156/12b 18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom , GZ 17 Cgs 228/11k 12 (7 Cgs 254/11k), bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten der Revisionsbeantwortung der Kläger sind weitere Verfahrenskosten. Die beklagte Partei hat ihre Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der Erstkläger und die Zweitklägerin sind die Eltern ihres am geborenen Sohnes D*****. Die Zweitklägerin bezog wegen der durch Kaiserschnitt erfolgten Geburt ihres Sohnes im Zeitraum vom bis ein Wochengeld in Höhe von 26,15 EUR täglich.
Mit Antrag vom begehrte der Erstkläger als selbständig Erwerbstätiger bei der beklagten Wiener Gebietskrankenkasse die Gewährung eines (pauschalen) Kinderbetreuungsgeldes in der Variante „20+4“ in Höhe von 20,80 EUR täglich, wobei er das Kinderbetreuungsgeld von der Geburt seines Sohnes () bis zum (4 Monate) beziehen und in diesem Zeitraum auch seinen Sohn betreuen wollte.
Mit einem weiteren Antrag vom begehrte die Zweitklägerin als Angestellte die Gewährung des Kinderbetreuungsgeldes in der Variante „20+4“ vom bis zur höchstmöglichen Bezugsdauer. Am beantragte sie die Gewährung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld im Zeitraum vom bis .
Der Erstkläger bezog im Zeitraum vom bis das Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 20,80 EUR täglich, insgesamt somit 582,40 EUR. Mit erfolgte der geplante Wechsel des Kinderbetreuungsgeldbezugs zur Zweitklägerin. Diese bezog für den Zeitraum vom bis Kinderbetreuungsgeld sowie den Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld.
Mit Bescheid vom widerrief die beklagte Partei die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes für die Zeit vom bis an den Erstkläger und verpflichtete ihn zum Rückersatz der für diese Zeit empfangenen Leistung von insgesamt 582,40 EUR. Mit weiterem Bescheid vom widerrief die beklagte Partei auch die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes sowie des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum vom bis an die Zweitklägerin und verpflichtete sie ebenfalls zum Rückersatz der für diese Zeit empfangenen Leistung von insgesamt 752,08 EUR.
Beide Kläger erhoben gegen den jeweils gegen sie erlassenen Bescheid rechtzeitig Klage hinsichtlich des Erstklägers mit dem Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Erstkläger Kinderbetreuungsgeld in gesetzlicher Höhe und Dauer zu gewähren und es werde mit Wirkung zwischen dem Erstkläger und der beklagten Partei festgestellt, dass der von der beklagten Partei mit Bescheid vom geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung in Höhe von 582,40 EUR nicht zu Recht bestehe sowie hinsichtlich der Zweitklägerin mit dem Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Zweitklägerin Kinderbetreuungsgeld und Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld in gesetzlicher Höhe und Dauer zu gewähren und es werde mit Wirkung zwischen der Zweitklägerin und der beklagten Partei festgestellt, dass der von der beklagten Partei mit Bescheid vom geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung in Höhe von 752,08 EUR nicht zu Recht bestehe. Die beiden Kläger brachten im Wesentlichen vor, der Erstkläger habe einen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum vom bis geltend gemacht. Der Umstand, dass sein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld im Hinblick auf den Anspruch der Zweitklägerin auf Wochengeld im Zeitraum vom bis geruht habe, stehe in keinem Widerspruch dazu, dass dieser Zeitraum dennoch als grundsätzlicher Anspruchszeitraum iSd § 5 Abs 4 KBGG für den Antrag des Erstklägers zu werten sei. Es habe während dieses Zeitraums lediglich die Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes geruht. Die Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes und des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld durch die beklagte Partei sei vorbehaltlos erfolgt. Daraus könne nur der Schluss gezogen werden, dass der Anspruch selbst nach Ansicht der beklagten Partei zu Recht bestanden habe und bestehe. Die nunmehrige Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld sowie des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld erfolge daher rechtsmissbräuchlich. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Rückforderung gemäß § 31 KBGG lägen nicht vor. Im Übrigen hätten die Kläger das zur Auszahlung gelangte Kinderbetreuungsgeld sowie den Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld bereits gutgläubig verbraucht.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens sowie die urteilsmäßige Verpflichtung der beiden Kläger zum Rückersatz der von ihnen zu Unrecht bezogenen Leistungen. Das Kinderbetreuungsgeld könne nach § 5 Abs 4 KBGG jeweils nur in Blöcken von mindestens zwei Monaten beansprucht werden, wobei „als beansprucht“ ausschließlich Zeiten des tatsächlichen Bezugs der Leistung gelten. Da das Kinderbetreuungsgeld durch den Erstkläger nur im Zeitraum vom bis , somit kürzer als zwei Monate, bezogen worden sei, sei die Gewährung dieser Leistung zu Unrecht erfolgt und es werde die Leistung daher zurückgefordert. Durch diese Rückforderung bestehe der Anspruch der Zweitklägerin auf Leistungen nach dem KBGG nur bis zur Vollendung des 20. Lebensmonats des Kindes, somit bis zum . Daher seien auch die von der Zweitklägerin in der Zeit vom bis bezogenen Leistungen zurückzufordern. Die Rückforderung stützte die beklagte Partei im Fall des Erstklägers darauf, dass dieser erkennen hätte müssen, dass sich sein Anspruchszeitraum aufgrund des Bezugs des Wochengeldes durch seine Ehegattin verkürzen werde, sodass die Voraussetzung eines Bezugszeitraums von mindestens zwei Monaten nicht erfüllt werden könne. Hinsichtlich der Zweitklägerin stützte die beklagte Partei ihr Rückforderungsbegehren darauf, dass diese erkennen hätte müssen, dass sie aufgrund des Bezugs des Wochengeldes keinen Anspruch auf Leistungen nach dem KBGG im verfahrensgegenständlichen Zeitraum vom bis gehabt habe. Darüber hinaus sei rückwirkend eine Tatsache festgestellt worden, nämlich dass der Erstkläger keinen Anspruch auf Leistungen nach dem KBGG gehabt habe, bei deren Vorliegen kein Anspruch bestehe, sodass auch die Voraussetzungen für die Rückforderung nach § 31 Abs 2 KBGG erfüllt seien.
Das Erstgericht stellte mit dem angefochtenen Urteil fest, dass dem Erstkläger für die Zeit vom bis das Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von 582,40 EUR zu Recht zustehe und der Erstkläger daher nicht zur Rückzahlung dieses bereits bezogenen Kinderbetreuungsgeldes verpflichtet sei. Hinsichtlich der Zweitklägerin stellte das Erstgericht fest, dass dieser für die Zeit vom bis das Kinderbetreuungsgeld sowie der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von insgesamt 752,08 EUR zu Recht zustehe und daher auch sie nicht zur Rückzahlung der für diesen Zeitraum bezogenen Leistung verpflichtet sei.
Es beurteilte den bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht dahin, dass sich aufgrund der Kaiserschnittgeburt des Sohnes D***** der Auszahlungszeitraum des Wochengeldes für die Zweitklägerin verlängert habe, dementsprechend die Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes für den Erstkläger geruht habe und die Leistungspflicht für das Kinderbetreuungsgeld erst vom bis eingetreten sei. § 5 Abs 4 KBGG stehe dem nicht entgegen, weil grundsätzlich der (Leistungs )Anspruch des Erstklägers für die vollen vier Monate, wie von ihm beantragt, zu Recht bestanden habe und nur die Auszahlung (Leistungspflicht) des Kinderbetreuungsgeldes aufgrund der Bestimmung des § 6 KBGG im Hinblick auf die Auszahlungsdauer des Wochengeldes für die Zweitklägerin geruht habe. Dies führe in weiterer Konsequenz dazu, dass auch der Zweitklägerin für den strittigen Zeitraum vom bis das Kinderbetreuungsgeld sowie der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld zu Recht zugestanden sei. Von einer Rückforderung der (zu Recht) erhaltenen Leistungen sei daher Abstand zu nehmen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine Folge, änderte aber über Kostenrekurs der Kläger die Kostenentscheidung des Erstgerichts ab. Es teilte in der Sache im Wesentlichen die Rechtsauffassung des Erstgerichts.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Mindestbezugsdauer als Anspruchsvoraussetzung für den Bezug von Kinderbetreuungsgeld im Falle einer Kaiserschnittentbindung der Mutter vorliege.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens und einer Verpflichtung der beiden Kläger zur Rückzahlung der zu Unrecht empfangenen Leistungen abzuändern.
Die beiden Kläger beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und im Sinne der beschlossenen Aufhebung auch berechtigt.
Die beklagte Partei macht in ihren Revisionsausführungen weiterhin geltend, nach § 5 Abs 4 KBGG könne das Kinderbetreuungsgeld jeweils nur in Blöcken von mindestens zwei Monaten beansprucht werden, wobei gemäß § 5 Abs 2 KBGG „als beansprucht“ ausschließlich Zeiträume des tatsächlichen Bezugs der Leistung gelten. Die Mindestbezugsdauer und die Bezugsverlängerung durch die Inanspruchnahme des Kinderbetreuungsgeldes durch den zweiten Elternteil stelle somit entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen nicht auf den Leistungsanspruch, sondern auf den tatsächlichen Leistungsbezug ab. Nur der tatsächliche Leistungsbezug bewirke die Einhaltung der Mindestbezugsdauer sowie die gleichzeitige Verlängerung des Kinderbetreuungsgeldes im vorliegenden Fall über das 20. Lebensmonat des Kindes hinaus. Da der Erstkläger aufgrund der Ruhensbestimmung bei Bezug des Wochengeldes das Kinderbetreuungsgeld tatsächlich nur in der Zeit vom bis , somit kürzer als zwei Monate, bezogen habe, sei diese zu Unrecht erbrachte Leistung zurückzufordern. In der Folge habe auch die Zweitklägerin ihre Leistungen nach dem KBGG nur bis zur Vollendung des 20. Lebensmonats ihres Kindes, somit bis längstens beziehen können, sodass auch ihr Leistungsbezug in der Zeit vom bis zurückzufordern sei. Ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis iSd § 5 Abs 4 KBGG sei nicht vorgelegen und von den Klägern auch gar nicht geltend gemacht worden.
Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Anspruchsdauer des Kinderbetreuungsgeldes ist in § 5 KBGG geregelt.
Nach § 5 Abs 1 KBGG gebührt das Kinderbetreuungsgeld bis zur Vollendung des 36. Lebensmonats des Kindes, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist.
Gemäß § 5 Abs 2 KBGG gebührt das Kinderbetreuungsgeld jedoch längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensmonats des Kindes, wenn nur ein Elternteil Kinderbetreuungsgeld in Anspruch nimmt.
Bei der von den beiden Klägern gewählten Kinderbetreuungsgeldvariante „20+4“ gebührt das Kinderbetreuungsgeld gemäß § 5a Abs 3 KBGG in Höhe von 20,80 EUR täglich längstens bis zur Vollendung des 20. Lebensmonats des Kindes, wenn nur ein Elternteil Kinderbetreuungsgeld in Anspruch nimmt. Nimmt auch der zweite Elternteil diese Leistung in Anspruch, so verlängert sich die Anspruchsdauer über die Vollendung des 20. Lebensmonats um jenen Zeitraum, den der zweite Elternteil beansprucht, höchstens jedoch bis zur Vollendung des 24. Lebensmonats des Kindes. Nach § 5a Abs 3 letzter Satz KBGG in der hier bereits anzuwendenden Fassung der KBGG Novelle 2009, BGBl I 2009/116, gelten als beansprucht ausschließlich Zeiträume des tatsächlichen Bezugs der Leistung. Nach § 5 Abs 3 KBGG kann der Bezug von Kinderbetreuungsgeld abwechselnd durch beide Elternteile erfolgen, wobei ein zweimaliger Wechsel pro Kind zulässig ist.
Nach § 5 Abs 4 KBGG idF BGBl I 2009/116 kann das Kinderbetreuungsgeld jeweils nur in Blöcken von mindestens zwei Monaten beansprucht werden, es sei denn, dass der beziehende Elternteil durch ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis für eine nicht bloß verhältnismäßig kurze Zeit verhindert ist, das Kind zu betreuen. In diesem Fall kann ein Wechsel über das in Abs 3 angeführte Ausmaß erfolgen.
2. Nach den Gesetzesmaterialien zur KBGG Novelle 2009, BGBl I 2009/116 (EB zur RV 340 BlgNR 24. GP 9f) soll eine Verlängerung des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes über das 30. (bzw in den anderen Varianten) über das 20., 15. oder 12.) Lebensmonat des Kindes hinaus nur dann erfolgen, wenn die Eltern Kinderbetreuungsgeld abwechselnd tatsächlich beziehen. Daher soll es keine Verlängerung um jene Zeiträume geben, in denen kein tatsächlicher Bezug erfolgt ist. Hat zum Beispiel ein Elternteil nur fünf Monate Kinderbetreuungsgeld bezogen, so kann das in keinem Fall eine Verlängerung um mehr als fünf Monate bedeuten. Es ist daher notwendig, dies auch für jene Fälle festzulegen, in denen ein Elternteil auf KBG Monate verzichtet hat. Wurden daher zum Beispiel vier Monate Kinderbetreuungsgeld beantragt und auf einen Monat verzichtet, liegt effektiv ein Bezug von drei Monaten vor und kann daher auch nur eine Verlängerung um maximal drei Monate erfolgen. Dasselbe gilt für Zeiten, in den Kinderbetreuungsgeld in voller Höhe ruht, also keine KBG Auszahlung gebührt.
3. Zutreffend macht die beklagte Partei geltend, dass der Gesetzgeber mit der erwähnten Änderung des § 5 Abs 2 und 4 KBGG durch die KBGG Novelle 2009, BGBl I 2009/116, klargestellt hat, dass für den Bezugswechsel zwischen den beiden Elternteilen eine mindestens zweimonatige Bezugsdauer vorliegen muss und nur Zeiten des tatsächlichen Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes eine Bezugsverlängerung beim anderen Elternteil bewirken können. Das in § 5 Abs 4 KBGG idF BGBl I 2009/116 normierte Erfordernis der mindestens zweimonatigen Bezugsdauer soll eine unangemessen kurze Bezugsdauer eines Elternteils verhindern. Der Zweck dieser Regelung über die Mindestbezugsdauer besteht ganz offensichtlich darin, dass der Aufwand einer neuerlichen Prüfung, der mit der Antragstellung durch den zweiten Elternteil verbunden ist, nach Ansicht des Gesetzgebers nur gerechtfertigt ist, wenn diese Person die Leistung zumindest zwei Monate lang beansprucht (10 ObS 3/13h; 10 ObS 14/13a mwN).
3.1 Aus dem zitierten Gesetzeswortlaut und den wiedergegebenen Gesetzesmaterialien ergibt sich somit nach zutreffender Rechtsansicht der beklagten Partei eindeutig, dass die Mindestbezugsdauer und die Bezugsverlängerung (§ 5 Abs 2 und 4 KBGG,§ 5a Abs 3 KBGG) nicht auf den (bloßen) Leistungsanspruch, sondern auf den tatsächlichen Leistungsbezug abstellen. Leistungsanspruch und Leistungsbezug sind somit in diesem Zusammenhang nicht gleichzusetzen. Nur der tatsächliche Leistungsbezug bewirkt die Einhaltung der Mindestbezugsdauer sowie die gleichzeitige Verlängerung des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes über das 30. (bzw in den anderen Varianten über das 20., 15. oder 12.) Lebensmonat des Kindes hinaus. Ruhenszeiten des Kinderbetreuungsgeldes in voller Höhe, wenn also keine Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes gebührt, sind daher für die Einhaltung der Mindestbezugsdauer sowie für die gleichzeitige Verlängerung des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes über das im vorliegenden Fall maßgebende 20. Lebensmonat des Kindes hinaus nicht zu berücksichtigen.
3.2 Im vorliegenden Fall hat die Zweitklägerin aus Anlass der Geburt ihres Sohnes unbestritten im Zeitraum vom bis ein Wochengeld in Höhe von 26,15 EUR täglich bezogen. Dadurch kam es gemäß § 6 Abs 1 KBGG zu einem vollständigen Ruhen des Anspruchs des Vaters auf Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 20,80 EUR täglich für den Zeitraum vom bis . Dieser Zeitraum kann daher nach zutreffender Rechtsansicht der beklagten Partei für die Einhaltung der Mindestbezugsdauer sowie für eine gleichzeitige Verlängerung des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes über das 20. Lebensmonat des Kindes der beiden Kläger hinaus nicht berücksichtigt werden. Der Erstkläger erfüllt somit aufgrund des allein maßgeblichen Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes in der Zeit vom bis nicht das für den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld bei einem Bezugswechsel zwischen den Eltern vorgesehene Erfordernis einer mindestens zweimonatigen Bezugsdauer. Es steht ihm daher nach zutreffender Rechtsansicht der beklagten Partei kein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für den genannten Zeitraum zu und er hat daher das Kinderbetreuungsgeld für diesen Zeitraum tatsächlich zu Unrecht bezogen. Dies hat zur Folge, dass kein iSd § 5 Abs 4 KBGG rechtswirksamer Bezugswechsel zwischen den beiden Klägern vorliegt und die Zweitklägerin daher ihre Leistungen gemäß § 5a Abs 3 erster Satz KBGG nur bis zur Vollendung des 20. Lebensmonats ihres Kindes, somit bis längstens , beziehen konnte, sodass auch ihr Bezug an Kinderbetreuungsgeld sowie Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld für den hier strittigen Zeitraum vom bis zu Unrecht erfolgt ist.
4. Dennoch ist die Sache noch nicht spruchreif im Sinne der von der beklagten Partei begehrten urteilsmäßigen Verpflichtung der beiden Kläger zur Rückzahlung der von ihnen zu Unrecht empfangenen Leistungen. Beide Kläger haben nämlich das Vorliegen eines Rückforderungstatbestands nach § 31 KBGG ausdrücklich bestritten. Die beklagte Partei hat ihr Rückforderungsbegehren hinsichtlich beider Kläger darauf gestützt, dass sie erkennen mussten, dass ihnen die Leistung nicht oder nicht in der tatsächlich gewährten Höhe gebührt hätte (§ 31 Abs 1 dritter Fall KBGG). Hinsichtlich der Zweitklägerin stützte die beklagte Partei ihr Rückforderungsbegehren auch darauf, es sei rückwirkend eine Tatsache festgestellt worden, nämlich dass der Erstkläger keinen Anspruch auf Leistungen nach dem KBGG gehabt habe, bei deren Vorliegen kein Anspruch bestehe (§ 31 Abs 2 erster Fall KBGG).
4.1 Eine Rückforderung nach § 31 Abs 1 dritter Fall KBGG setzt voraus, dass dem Leistungsbezieher auffallen musste, dass ihm die Leistung gar nicht oder nicht in der tatsächlich gewährten Höhe gebührt hätte. Bereits fahrlässiges Nichterkennen reicht aus, wobei jedoch der Grad der pflichtgemäßen Aufmerksamkeit weder überspannt noch überdurchschnittliche Fähigkeiten verlangt werden dürfen. Es ist zu prüfen, ob dem Leistungsempfänger bei einer ihm nach den Umständen des Einzelfalls zumutbaren Aufmerksamkeit die Ungebührlichkeit der Leistung auffallen musste (vgl Ehmer ua, KBGG 2 229 f mwN ua).
4.2 Gemäß § 31 Abs 2 erster Halbsatz KBGG besteht die Verpflichtung zum Rückersatz auch dann, wenn rückwirkend Tatsachen festgestellt werden, bei deren Vorliegen kein Anspruch besteht. Als rückwirkend festgestellte Tatsachen im Sinne dieser Bestimmung gelten alle für die Zuerkennung des Anspruchs maßgeblichen Umstände, die mit Rückwirkung erst zu einem nach der Zuerkennung liegenden Zeitpunkt, zum Beispiel durch Gerichtsurteil oder Entscheidung einer Behörde, festgestellt wurden ( Ehmer ua, KBGG 2 230). Dieser Rückforderungstatbestand normiert eine objektive Rückzahlungsverpflichtung, die nur davon abhängig ist, dass sich nachträglich eine (ursprünglich nicht bekannte) Tatsache herausstellte, bei deren Vorliegen kein Anspruch auf die Leistung besteht. Wenn dem Krankenversicherungsträger hingegen bei der Gewährung des Kinderbetreuungsgeldes bzw des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld bereits alle für die Gewährung maßgebenden Umstände bekannt waren und er etwa aufgrund einer unrichtigen Rechtsansicht oder einer unrichtigen Berechnung trotzdem das Kinderbetreuungsgeld bzw den Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld auszahlt, besteht kein Rückforderungsanspruch nach § 31 Abs 2 erster Fall KBGG (vgl 10 ObS 91/11x, SSV NF 25/102 mwN, RIS Justiz RS0126122).
5. Das Erstgericht hat ausgehend von seiner vom erkennenden Senat nicht geteilten Rechtsansicht über das Bestehen eines Anspruchs der beiden Kläger auf Kinderbetreuungsgeld bzw Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld im strittigen Zeitraum keinerlei Feststellungen zum Vorliegen der von der beklagten Partei behaupteten und von den Klägern bestrittenen Rückforderungstatbestände getroffen. Dieser Umstand erfordert die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und die Zurückverweisung der Sozialrechtssache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung. Sollte sich im fortzusetzenden Verfahren ergeben, dass ein Rückforderungstatbestand verwirklicht ist, könnten sich die Kläger nach ständiger Rechtsprechung nicht mit Erfolg auf einen gutgläubigen Verbrauch der zu Unrecht empfangenen Leistungen berufen (vgl RIS Justiz RS0114485, RS0124064).
Der Kostenvorbehalt hinsichtlich der von den Klägern erstatteten Revisionsbeantwortung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO. Die Entscheidung, dass die beklagte Partei die Kosten ihrer Revision unabhängig vom Verfahrensausgang selbst zu tragen hat, beruht auf § 77 Abs 1 Z 1 ASGG.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2013:010OBS00106.13F.0912.000