OGH vom 08.04.2010, 13Os133/09x (13Os134/09v)
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Rumpl als Schriftführerin über die von der Generalprokuratur gegen zwei Vorgänge in der Strafsache gegen Enwer A***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB, AZ 17 Hv 82/08x des Landesgerichts Klagenfurt, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Höpler, zu Recht erkannt:
Spruch
In der Strafsache gegen Enwer A***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB, AZ 17 Hv 82/08x des Landesgerichts Klagenfurt, verletzen die Unterlassung
1. der Bekanntmachung der rechtskräftigen Verurteilung des Genannten wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (ON 12) bei einer für die Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung in Betracht kommenden Stelle und
2. der Übersendung einer Urteilsausfertigung an die Bundespolizeidirektion Klagenfurt, die wegen allfälliger Entziehung der Lenkberechtigung des Genannten um Übermittlung einer solchen Ausfertigung ersucht hatte,
das Gesetz in der Bestimmung des § 402 StPO.
Text
G r ü n d e :
Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom (richtig:) , GZ 17 Hv 82/08x-12, wurde Enwer A***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Hievon verständigte der Vorsitzende das „Strafregister“ (ON 14 Punkt 2; gemeint: die dieses führende Bundespolizeidirektion Wien), aber keine für die Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung des Verurteilten in Betracht kommende Stelle.
Die Bundespolizeidirektion Klagenfurt (Verkehrsamt) ersuchte das Landesgericht Klagenfurt mit Schreiben vom , im Hinblick auf ein bei ihr anhängiges Verfahren wegen Entziehung der Lenkberechtigung des Enwer A***** eine Urteilsabschrift zu übermitteln, worauf der Vorsitzende am schriftlich antwortete, dass das gerichtliche Verfahren in keinem Zusammenhang mit der Verkehrszuverlässigkeit des Verurteilten stehe und daher eine Urteilsabschrift nicht übermittelt werde (ON 21).
Am wiederholte die Bundespolizeidirektion Klagenfurt ihr schriftliches Ersuchen und betonte, dass eine Verurteilung nach § 201 StGB eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 7 Abs 3 Z 8 Führerscheingesetz (FSG) darstelle. Die Behörde habe demnach ein Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung einzuleiten und im Rahmen der Prüfung der Verkehrszuverlässigkeit den Sachverhalt einer Wertung entsprechend den Vorgaben des § 7 Abs 4 FSG zu unterziehen. Mit Note vom ersuchte der Vorsitzende die Bundespolizeidirektion Klagenfurt „um Darlegung der ,Tatsachen’, welche das rechtliche Interesse begründen sollen“ (ON 22).
Mit Schreiben vom wies die Bundespolizeidirektion Klagenfurt neuerlich darauf hin, dass eine Verurteilung nach § 201 StGB eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 7 Abs 3 Z 8 FSG sei. Die Verkehrszuverlässigkeit sei eine Erteilungsvoraussetzung im Sinn des § 3 Abs 1 Z 2 FSG und die Behörde habe nach § 24 Abs 1 FSG Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit ua die Lenkberechtigung zu entziehen. Der Vorsitzende antwortete mit Schreiben vom , dass eine Verurteilung wegen des Verbrechens der Vergewaltigung „keine ,bestimmte Tatsache’“ darstelle, „weshalb eine Aktenübersendung zu unterbleiben“ habe (ON 23).
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu Recht geltend macht, wurde im Verfahren AZ 17 Hv 82/08x des Landesgerichts Klagenfurt das Gesetz in zweifacher Hinsicht verletzt:
Ist in einem Strafurteil auf den Verlust eines Rechts erkannt worden oder ist in einem Gesetz vorgesehen, dass die Verurteilung einen solchen Verlust nach sich zieht oder nach sich ziehen kann, so hat das Strafgericht die rechtskräftige Verurteilung der in Betracht kommenden Stelle bekanntzumachen. Sofern dieser Stelle nicht schon nach anderen gesetzlichen Bestimmungen eine Urteilsausfertigung zugestellt werden muss, ist ihr eine solche Ausfertigung auf ihr Ersuchen zu übersenden (§ 402 StPO).
Gemäß § 24 Abs 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs 1 Z 2 bis 4 FSG) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde (§ 35 Abs 1 FSG) entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen oder die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken.
Zu den Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung zählt Verkehrszuverlässigkeit (§ 3 Abs 1 Z 2 FSG). Als verkehrszuverlässig gilt eine Person gemäß § 7 Abs 1 FSG, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (§ 7 Abs 3 FSG) und ihrer Wertung (§ 7 Abs 4 FSG) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird oder sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird. Gemäß § 7 Abs 3 Z 8 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des § 7 Abs 1 FSG unter anderem zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung gemäß §§ 201 bis 207 oder 217 StGB begangen hat.
Demnach stellt die Begehung einer strafbaren Handlung nach § 201 StGB eine „bestimmte Tatsache“ im Sinn des § 7 Abs 1 FSG dar, die gemäß § 24 FSG zur Entziehung der Lenkberechtigung oder Einschränkung ihrer Gültigkeit führen kann.
Das Landesgericht Klagenfurt war daher verpflichtet, einer (nach Hauptwohnsitz oder sekundär - Aufenthalt des Verurteilten [§ 3 Z 3 AVG]) für die Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung in Betracht kommenden Stelle die Verurteilung des Enwer A***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (ON 12) bekanntzumachen (§ 402 erster Satz StPO) und der schließlich das Verfahren wegen Entziehung der Lenkberechtigung führenden Bundespolizeidirektion Klagenfurt auf deren Ersuchen (ON 21) eine Urteilsausfertigung zu übersenden (§ 402 zweiter Satz StPO).
Die in der Abstandnahme davon gelegenen Gesetzesverletzungen waren gemäß § 292 StPO festzustellen.