OGH vom 29.05.2012, 9Ob18/12f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon. Prof. Dr. Kuras, Mag. Ziegelbauer sowie durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI U***** N*****, vertreten durch Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei H*****, Liechtenstein, vertreten durch Mag. Erich Rebasso, Rechtsanwalt in Wien, wegen 75.810 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 15 R 235/11f 30, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Beurteilung der Frage des Vorliegens der Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht hat hier gemäß der von der Rom I und Rom 2 VO unberührten ( Neumayr in KBB³ § 49 IPRG Rz 1 aE) Bestimmung des § 49 Abs 3 IPRG nach österreichischem Recht zu erfolgen (RIS Justiz RS0077555; RS0077560). Die Anwendbarkeit österreichischen Rechts war darüber hinaus im Verfahren niemals strittig und wird auch in der Revision nicht in Frage gestellt.
2. Eine Anscheinsvollmacht setzt voraus, dass Umstände vorliegen, die geeignet sind, im Dritten den begründeten Glauben an die Berechtigung des Vertreters zum Abschluss des beabsichtigten Geschäfts zu erwecken (RIS Justiz RS0019609). Der die Vertretungsmacht begründende Anschein hat nicht vom Vertreter, sondern von einem Verhalten des Vertretenen bzw eines vertretungsbefugten Organs auszugehen (RIS Justiz RS0020145). Der auf diese Weise gesetzte, dem Vertretenen zurechenbare äußere Tatbestand muss das Vertrauen des Dritten vom Vorhandensein der Vertretungsmacht rechtfertigen. Wie weit die Mitwirkung des angeblichen Vollmachtsgebers an der Erweckung des Scheines eines Vollmachtverhältnisses gehen und ob sie dem vertrauenden Dritten gegenüber unmittelbar in Erscheinung treten muss, ist eine Frage des Einzelfalls. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die beklagte Liegenschaftseigentümerin durch die unbeanstandete Zahlung der Rechnungen der Professionisten für zwei Bauphasen des Umbauprojekts (vgl 1 Ob 49/01i, 7 Ob 246/02f)) sowie durch die gar nicht strittige Bevollmächtigung des Beklagtenvertreters zur Unterfertigung des Einreichplans nicht nur für die zweite, sondern auch für die letztlich dann nicht fertiggestellte dritte Bauphase den Anschein gesetzt hat, Dr. R***** zuvor eine Bevollmächtigung für die Umsetzung des gesamten Bauvorhabens erteilt zu haben, ist im konkreten Einzelfall keineswegs unvertretbar. Mit ihren Revisionsausführungen strebt die Beklagte letztlich nur eine andere Beurteilung der Umstände des konkreten Einzelfalls an, womit sie jedoch keine Korrekturbedürftigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts aufzeigt. Weder die behauptete mangelnde Kenntnis der Beklagten über die genauen Umstände des Umbauprojekts noch das behauptete Fehlen einer Rechtsbeziehung zwischen der Beklagten und dem gegenüber der Klägerin für sie auftretenden Dr. R***** spielen für die Beurteilung der Frage, ob die Beklagte einen ihr zurechenbaren Vertrauenstatbestand im dargestellten Sinn verursacht hat, eine Rolle. Auf allfällige von der Beklagten geltend gemachte interne Vereinbarungen oder Gründe für die Zahlung der Rechnungen kommt es hier nicht an, weil solche Gründe selbst nach dem Vorbringen der Beklagten der Klägerin gar nicht bekannt wurden.
Die außerordentliche Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.