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OGH vom 12.08.1986, 10Os103/86

OGH vom 12.08.1986, 10Os103/86

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner sowie Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gumpinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Wolfgang V*** wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 28 Vr 4733/85-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch die Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurde der Angeklagte Wolfgang V*** der Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes), des tätlichen Angriffes auf einen Beamten nach § 270 StGB (Punkt 2), der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (Punkt 3), des Betruges nach § 146 StGB (Punkt 4) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (Punkt 5) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Darnach liegt ihm zur Last,

1.) am in Innsbruck den Polizeibeamten Gotthard G***, der im Begriffe war, ihn festzunehmen und in einen Funkstreifenwagen zu bringen, durch Losreißen und durch Versetzen eines Trittes gegen den Genitalbereich, sohin mit Gewalt, an einer Amtshandlung zu hindern versucht zu haben,

2.) am in Innsbruck einige Zeit nach der zu Punkt 1.) bezeichneten Tat den Polizeibeamten Gotthard G*** beim Transport in das Polizeigefangenenhaus, somit während einer Amtshandlung durch Versetzen einer kräftigen Ohrfeige tätlich angegriffen zu haben,

3.) am in Oberperfuß die Anni M*** durch einen Wurf mit einem Aschenbecher und einen Schlag ins Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt zu haben, wobei die Tat eine Prellung des Gesichtes mit Schwellung und Kopfschmerz sowie Schmerzen an der linken Brust der Genannten zur Folge hatte,

4.) in Innsbruck mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, nachgenannte Personen durch Vorgabe der Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit, somit durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet zu haben, welche diese an ihrem Vermögen in einem 5.000 S nicht übersteigenden Betrag schädigten, und zwar

a) am den Mohammed K*** zur Durchführung einer Taxifahrt (Schaden 157 S),

b) am den Anton S*** zur Durchführung einer Taxifahrt (Schaden 50 S),

c) am den Alexander R*** zur Ausfolgung von Getränken und Zigaretten (Schaden 152 S),

d) am den Josef M*** zur Durchführung einer Taxifahrt (Schaden 100 S),

e) am den Hermann G*** zur Ausfolgung von Getränken und Zigaretten (Schaden 376 S),

5.) am in Innsbruck dadurch, daß er mehrere Teller zu Boden warf, fremde Sachen zum Nachteil der Hotel W*** GesmbH zerstört zu haben, wobei der herbeigeführte Schaden ca. 250 S betrug.

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit einer auf die Z 1 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Er moniert allein den Umstand, daß die Vorsitzende des Schöffensenates ihn am vernahm und über ihn die Untersuchungshaft verhängte; sie sei somit als Untersuchungsrichter tätig gewesen und demnach von der Mitwirkung und Entscheidung in der Hauptverhandlung ausgeschlossen gewesen.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Im vorliegenden Strafverfahren wurden weder Vorerhebungen (§ 88 StPO) noch eine Voruntersuchung (§§ 91 ff. StPO) durchgeführt, sondern gemäß § 208 Abs. 1 StPO am eine unmittelbare Anklage beim Vorsitzenden der Ratskammer eingebracht (ON 3). Nach Rechtskraft der Anklage (vgl. S 44) wurde der Akt am der Vorsitzenden des Schöffensenates gemäß § 210 Abs. 1 StPO übermittelt. Von dieser wurden im Zuge des sogenannten Zwischenverfahrens (§§ 220 ff. StPO) eine Reihe von Nachtragsanzeigen gemäß § 56 StPO in das vorliegende Verfahren einbezogen und, als der Aufenthalt des Angeklagten unbekannt geworden war, am ein Haftbefehl gegen ihn erlassen. Nach seiner Ausforschung und Einlieferung in das Gefangenenhaus des Landesgerichtes Innsbruck wurde die bereits erwähnte Vernehmung vom durchgeführt, in der der Angeklagte vorerst von einem Rechtspraktikanten unter Anleitung der Vorsitzenden des Schöffensenates zur Sache vernommen wurde. Im Anschluß daran erklärte er - nunmehr von der Vorsitzenden des Schöffensenates selbst vernommen - daß seine bisher protokollierten Angaben richtig seien, worauf ihm der Beschluß auf Verhängung der Untersuchungshaft eröffnet wurde und er gegen diesen Beschluß Beschwerde erhob (S 120 f.).

Rechtliche Beurteilung

Angesichts der dargestellten Verfahrensvorgänge kann von einem Ausschließungsgrund im Sinn der §§ 68 Abs. 2, 281 Abs. 1 Z 1 StPO keine Rede sein.

Abgesehen davon, daß nur eine Tätigkeit im Rahmen von Vorerhebungen (§ 88 StPO) oder einer Voruntersuchung (§§ 91 ff. StPO) die Ausschließung eines Richters von der Mitwirkung und Entscheidung in der Hauptverhandlung begründet (SSt. 30/50 ua), nicht hingegen Amtshandlungen des Vorsitzenden des Schöffensenates im Zwischenverfahren (11 Os 130/83), müßte eine erfolgreiche Geltendmachung des behaupteten Nichtigkeitsgrundes zudem daran scheitern, daß der Angeklagte jenen Umstand, der nach seiner Meinung eine Nichtigkeit darstellt, nicht gleich am Beginn der Hauptverhandlung geltend machte (§ 281 Abs. 1 Z 1 letzter Halbsatz StPO). Die Tatsache, daß die Vernehmung vom (jedenfalls zuletzt) durch die Vorsitzende des Schöffengerichtes persönlich durchgeführt worden war, war dem Angeklagten bei Beginn der Hauptverhandlung bekannt.

Aus den angeführten Gründen war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten sofort bei der nichtöffentlichen Beratung als offenbar unbegründet zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO). Über die Berufung wird bei einem mit gesonderter Verfügung anzuberaumenden Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.