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OGH vom 22.05.2001, 10ObS105/01s

OGH vom 22.05.2001, 10ObS105/01s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann und Dr. Dietmar Strimitzer (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz G*****, Pensionist, ***** vertreten durch Mag. Klaus Rieger, Rechtsanwalt in Bärnbach, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr. Paul Bachmann ua Rechtsanwälte in Wien, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 3/01z-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 31 Cgs 183/00v-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr das Begehren des Klägers auf Zahlung einer Ausgleichszulage ab .

Das Erstgericht hat dieses Begehren mit der Begründung abgewiesen, dass die im gemeinsamen Haushalt lebende Ehegattin des Klägers ein monatliches Nettoeinkommen von ca S 12.000 bezieht, welches die Höhe des maßgebenden Familienrichtsatzes nach § 150 Abs 1 lit a sublit aa GSVG von S 11.574 (Wert für das Jahr 1999) bzw S 11.859 (Wert für das Jahr 2000) übersteigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers unter Hinweis auf die geltende und nach Ansicht des Berufungsgerichtes verfassungsrechtlich unbedenkliche Gesetzeslage keine Folge.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger stellt in seinen Revisionsausführungen gar nicht in Abrede, dass sein Anspruch auf Ausgleichszulage bei Anwendung der Bestimmungen der §§ 149 Abs 2 und 150 Abs 1 lit a sublit aa GSVG nicht zu Recht besteht. Er vertritt jedoch - wie bereits in seiner Berufung - den Standpunkt, die genannten Bestimmungen seien gleichheits- und daher verfassungswidrig. Er regt neuerlich an, beim Verfassungsgerichtshof einen entsprechenden Gesetzesprüfungsantrag zu stellen.

Dazu sieht sich der Oberste Gerichtshof aber nicht veranlasst, weil solche verfassungsrechtlichen Bedenken aus den schon in den Entscheidungen SSV-NF 6/18 und 7/84 dargelegten Gründen nicht bestehen. Der erkennende Senat hat schon wiederholt (zB SSV-NF 11/4; 6/141 mwN ua) darauf hingewiesen, dass es sich bei der Ausgleichszulage um keine Versicherungsleistung im engeren Sinn, sondern um eine Leistung mit Fürsorge-(Sozialhilfe-)charakter handelt, die zusammen mit der Pension, dem aus übrigen Einkünften erwachsenden Nettoeinkommen und den gemäß § 294 ASVG (§ 151 GSVG) zu berücksichtigenden Beträgen das Existenzminimum des Pensionsberechtigten (und des mit ihm zusammenlebenden Ehepartners) sichern soll.

Im Bereich des ASVG wurde durch die 29. ASVG-Novelle (BGBl 1973/31) ein eigener "Familienrichtsatz" für Ehepaare geschaffen, dessen Anwendung vom Bestehen eines gemeinsamen Haushalts, also von dem Zusammenleben der Ehegatten in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft, abhängig gemacht wird (Binder, Probleme der pensionsrechtlichen Ausgleichszulage, ZAS 1981, 89 ff [90]). Seine Schaffung stand im Zusammenhang mit der ebenfalls neuen Bestimmung des § 292 Abs 2 ASVG (entspricht § 149 Abs 2 GSVG), wonach das Nettoeinkommen der im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegattin zur Gänze dem Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten hinzuzurechnen ist (vgl EB zur RV 404 BlgNR 13. GP, 113). Ehegatten, die im gemeinsamen Haushalt leben, werden somit vom Gesetzgeber als Wirtschaftsgemeinschaft behandelt. Mit Rücksicht darauf, dass bestimmte fixe Kosten (zB Kosten für Wohnung, Heizung, Beleuchtung usw) auch bei gemeinsamer Lebensführung nur einfach auflaufen, liegt der Familienrichtsatz nicht unerheblich unter der Summe der Richtsätze für zwei getrennt lebende Personen. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die Bedürfnisse jedes getrennt lebenden Ehegatten höher sind als der halbe Familienrichtsatz (SSV-NF 7/28; 6/18 ua).

Es bestehen daher zwischen Ehegatten, die im gemeinsamen Haushalt leben, einerseits, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, aber auch bei geschiedenen Ehegatten anderseits wesentliche tatsächliche Unterschiede, die eine unterschiedliche gesetzliche Regelung rechtfertigen. Nur bei im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten besteht in der Regel eine so enge Wirtschaftsgemeinschaft, die bei der Feststellung des Anspruches auf Ausgleichszulage nicht nur den höheren sogenannten Familienrichtsatz rechtfertigt, sondern auch die Berücksichtigung des gesamten Nettoeinkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners (SSV-NF 7/84; 6/18). Bereits in der Entscheidung SSV-NF 6/18 wurde darauf hingewiesen, dass vergleichbare Regelungen über unterschiedliche Richtsätze für alleinstehende und für gemeinsam in einem Haushalt lebende Personen auch im Sozialhilferecht bestehen. Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist ein Abstellen auf einen bestimmten gemeinsamen Höchstbetrag an Einkommen für zusammenlebende Ehegatten bei einer Sozialleistung mit Fürsorgecharakter grundsätzlich verfassungsrechtlich ebenso unbedenklich wie beispielsweise die Kürzung der Notstandshilfe im Ausmaß der verhältnismäßigen Minderung des zur Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse erforderlichen Aufwandes durch die Tatsache des Zusammenlebens im gemeinsamen Haushalt (vgl VfSlg 12.420; 12.833; 12.834 ua). Auch aus dem Hinweis des Klägers auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 26/00, betreffend die Aufhebung der pauschalierten Anrechnung des Unterhaltsanspruches bei nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten im Sinne des § 294 Abs 1 lit a und Abs 3 ASVG (vgl § 151 Abs 1 lit a und Abs 3 GSVG) lässt sich für seinen Prozessstandpunkt nichts gewinnen, weil im vorliegenden Fall keine solche Anrechnung eines Unterhaltsanspruches im Sinne dieser Gesetzesstelle erfolgt. Schließlich vermag auch die Änderung des § 94 Abs 3 ABGB durch Art I Z 3 EheRÄG 1999, BGBl I 1999/125, wonach nunmehr auf Verlangen des unterhaltsberechtigten Ehegatten der Unterhalt auch bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft ganz oder zum Teil in Geld zu leisten ist, soweit nicht ein solches Verlangen, insbesondere im Hinblick auf die zur Deckung der Bedürfnisse zur Verfügung stehenden Mittel, unbillig wäre, die vom Kläger geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken wegen Verletzung des Gleichheitsgebotes nicht zu begründen. Der Gleichheitsgrundsatz verbietet dem Gesetzgeber zwar, Differenzierungen zu schaffen, die sachlich nicht begründbar sind; sachlich begründbare - also nicht sachfremde - Differenzierungen vorzunehmen, ist dem Gesetzgeber hingegen durch das Gleichheitsgebot nicht verwehrt (VfSlg 6884 mwN). Eine unterschiedliche Regelung, die aus entsprechenden Unterschieden im Tatsachenbereich gerechtfertigt werden kann, ist daher nicht gleichheitswidrig (vgl VfSlg 7400 mwN). Bereits aus diesen Gesichtspunkten ergibt sich, dass die zwischen dem Fall, in dem zwei Ehegatten im gemeinsamen Haushalt leben, und dem Fall, in dem Ehegatten, aus welchen Gründen immer, getrennt leben, bestehenden wesentlichen Unterschiede im Tatsächlichen auch eine unterschiedliche gesetzliche Regelung rechtfertigen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die hier anzuwendende Regelung über den sogenannten Familienrichtsatz bestehen daher nicht (SSV-NF 6/18; 7/84; 10/100; 10 ObS 171/99s ua). Der Kläger hat daher mit Rücksicht auf die Höhe des Nettoeinkommens seiner Ehegattin keinen Anspruch auf Ausgleichszulage.

Die Revision musste somit erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Im Hinblick auf die vorliegende einheitliche Rechtsprechung sind besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten des Verfahrens nicht erkennbar, sodass ein ausnahmsweiser Kostenzuspruch nach Billigkeit nicht gerechtfertigt ist.