OGH vom 14.07.1993, 7Ob550/93
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Silvia ***** L*****, geboren am , vertreten durch die Kindesmutter Eva L*****, diese vertreten durch Dr.Christine Steinbichler, Rechtsanwalt in Salzburg, infolge Revisionsrekurses des Kindes und seines Vaters Helmut L*****, vertreten durch Dr.Franz Meißnitzer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom , GZ 22a R 26/93-104, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom , GZ 3 P 252/84-99, teilweise abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Beiden Revisionsrekursen wird keine Folge gegeben.
Der Antrag des Kindes auf Zuspruch von Revisionsrekurskosten wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Ehe der Eltern der mj. Silvia ***** L***** wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom zu 14 Cg 360/85-6 gemäß § 55a EheG geschieden. Im gleichzeitig abgeschlossenen Scheidungsvergleich überließ der Vater seinen Anteil an der ehelichen Eigentumswohnung der Mutter der Minderjährigen, welche unter einem sämtliche auf dieser haftenden Lasten zur Zahlung übernahm. In dieser Wohnung leben nunmehr Mutter und Kind. Zuletzt wurde die Unterhaltsverpflichtung des Vaters mit Beschluß vom mit monatlich S 3.800,-- festgesetzt. Der Vater bezog bis zu seinem Ausscheiden als Angestellter der F***** im Dezember 1991 ein monatliches Nettoeinkommen von S 32.144,--. Aus Anlaß seines Ausscheidens erhielt er die gesetzliche Abfertigung von S 219.391,20 netto, eine von seinem früheren Dienstgeber aus freiem gewährte Abfertigung von S 313.762,34 netto sowie eine Pensionsabfindung von S 223.325,-- netto. Von Jänner 1992 bis April 1992 bezog der Vater Arbeitslosenentgelt von monatlich S 13.830,--. Ab April 1992 war der Vater bei der Firma L***** gegen ein monatliches Durchschnittseinkommen von S 27.670,-- beschäftigt. Unbestritten blieb, daß er seit wieder arbeitslos ist (ON 108).
Der Vater hat auch für seine zweite Ehegattin und die aus dieser Ehe stammenden Kinder Philipp L*****, geboren am , Thomas L*****, geboren am und Hanna ***** L*****, geboren am , zu sorgen.
Die durch die Mutter vertretene Minderjährige stellte am einen Antrag auf Erhöhung des Unterhalts auf monatlich S 8.000,-- per . Die dem Vater zugekommenen Abfertigungen seien in die Unterhaltsbemessung einzubeziehen, ansonsten das Kind nicht an dessen Lebensverhältnissen teilhaben könne.
Der Vater widersprach diesem Begehren. Er habe zufolge existenznotwendiger Anschaffung einer (neuen) Eigentumswohnung monatliche Kreditrückzahlungen von S 9.132,23, Heizungs- und Betriebskosten von monatlich S 3.800,-- und Versicherungsspesen von monatlich S 2.194,23 zu leisten. Eine Abfertigung diene der finanziellen Überbrückung des Zeitraumes bis zum Antritt eines neuen Arbeitsplatzes. Freiwillige Zuwendungen Dritter seien überhaupt nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Die Pensionsabfindung sei für die Zukunft gewidmet und diene der Altersvorsorge des Vaters, sie könne ebenfalls nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage mit einbezogen werden. Die erhaltene Abfertigung sei auf die Gesamtdauer des früher bestandenen Dienstverhältnisses umzulegen und die Fortschreibung der Mehrbezüge in der Bemessungsgrundlage für die Dauer des jeweils angewendeten Abfertigungsvielfachen zu begrenzen.
Das Erstgericht gab dem Unterhaltserhöhungsbegehren statt. Es folgerte rechtlich, daß der Gesamtbetrag der Abfertigung von S 756.978,54 dividiert durch den letzten Monatsbezug des Vaters einen Anrechnungszeitraum von 23,54 Monaten ergebe. Ab bis sei daher von einem monatlichen Nettoeinkommen des Vaters von S 64.288,--, ab von einem monatlichen Nettoeinkommen von S 59.843,-- auszugehen. Schuldentilgungen bzw. Kreditrückzahlungen sowie Prämienzahlungen für Versicherung und Wohnungskosten stellten keine Abzugspost von der Bemessungsgrundlage dar. Eine im Zusammenhang mit der Scheidung bestehende existentielle Notwendigkeit, sich eine neue Wohnung anzuschaffen, habe der Vater nicht bewiesen. Entsprechend den Sorgepflichten des Vaters stünden der mj. Silvia ***** 14 % vom monatlichen Nettoeinkommen an Unterhalt zu.
Das Rekursgericht gab mit dem angefochtenen Beschluß dem Rekurs des Vaters teilweise Folge und minderte dessen monatliche Unterhaltsverpflichtung auf S 5.600,-- ab ; das Unterhaltsmehrbegehren wies es ab. Es erklärte den Revisionsrekurs für zulässig. Rechtlich folgerte das Rekursgericht, daß die dem Vater zugekommene Pensionsabfindung nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sei, weil sie sich aus Beträgen zusammensetze, die der Vater zur Erlangung einer Firmenpension, sohin für seine Altersversorgung, angespart habe. Wäre das Dienstverhältnis fortgesetzt worden oder hätte der Vater sich für eine Pension statt einer Abfindung entschieden, wäre diese Zuwendung der Minderjährigen nicht zugutegekommen. Hingegen sei die freiwillig gewährte Abfertigung neben der gesetzlichen Abfertigung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Daß der Vater diesen Betrag verwendet habe, um sich statt des ihm bisher zur Verfügung gestandenen Firmenautos ein Privatfahrzeug anzuschaffen, sei ohne Belang. Wirtschaftlich beurteilt diene eine Abfertigung der Überbrückung einer Einkommensminderung, die mit dem Verlust der bisherigen Erwerbstätigkeit verbunden sei. Gehe man deshalb davon aus, daß das Dienstverhältnis, das zur Abfertigung geführt habe, im Dezember 1991 aufgelöst worden sei, sei bei wirtschaftlich sinnvoller Betrachtung davon auszugehen, daß der Vater bis zur Stellung des Erhöhungsantrages des Kindes per neben der für diesen Zeitraum bezogenen Arbeitslosenunterstützung bereits S 73.000,-- hievon verbraucht habe. Der Rest der Abfertigung von S 480.000,-- sei nicht auf die Anzahl der Monate, die dem Vielfachen des letzten Monatsbezuges entspreche, sondern auf drei Jahre aufzuteilen, weil nicht anzunehmen sei, daß der Vater in einem relativ kurzen Zeitraum alle diese Mittel aufgebraucht hätte. Dadurch erhöhe sich das im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung vom Vater bezogene Monatsnettoeinkommen von S 27.630,-- nur auf rund S 40.000,--, was unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Minderjährigen hievon 14 % zustünden, den zuerkannten Unterhaltsbetrag ergebe. Dabei seien die vom Vater geltend gemachten Auslagen für Wohnungskreditrückzahlungen, Wohnungskosten und Versicherungsspesen nicht von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzuziehen gewesen, weil kein unmittelbarer Zusammenhang dieser Auslagen mit der Scheidung und dem Ankauf der nunmehrigen Wohnung bewiesen worden sei und Wohnungskosten grundsätzlich jeden Unterhaltspflichtigen träfen.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs des Vaters ist nicht berechtigt, jener des Kindes nur spruchmäßig nicht.
Ausgaben des täglichen Lebens und damit auch die Raten zur Rückzahlung von Krediten zur Bestreitung solcher Aufwendungen sind grundsätzlich nicht abzugsfähig. Deshalb können auch weder Rückzahlungsraten und Betriebskosten für Eigentumswohnungen noch Rückzahlungen von Wohnungskrediten noch der Mietzins die Unterhaltsbemessungsgrundlage schmälern. Nur Kredite zur Bestreitung unabwendbarer außergewöhnlicher Belastungen sind grundsätzlich als abzugsfähige Aufwendungen anzuerkennen (RZ 1991/70; EFSlg 65.476 ua). Eine solche außergewöhnliche Belastung läge etwa dann vor, wenn die Ehewohnung der erziehungsberechtigten Mutter überlassen wird und ein zeitliches Naheverhältnis zur Ehescheidung gegeben ist. Von einem derartigen zeitlichen Naheverhältnis aber kann mit Rücksicht auf den Zeitpunkt der Ehescheidung im Jahr 1985 derzeit keine mehr Rede sein.
Es ist zwar richtig, daß der Vater in seinem Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß den Autoankauf als Abzugspost von der erhaltenen Abfertigung ins Treffen führte; doch ist ihm entgegenzuhalten, daß er es in diesem Zusammenhang unterließ, zu behaupten, das angeschaffte Auto unbedingt für berufliche Zwecke zu benötigen (vgl. AS 333). Die Behauptung, ein eigenes Auto für die Erreichung des neuen Arbeitsplatzes unbedingt zu benötigen, und weiters, daß für die Erlangung des neuen Arbeitsplatzes Ausbildungskosten und die Anschaffung eines Personal Computers unbedingt erforderlich waren, stellt daher eine unzulässige Neuerung dar. Es wäre Sache des unterhaltspflichtigen Vaters gewesen, diese ihm längst bekannten Umstände im erstinstanzlichen Verfahren zu behaupten und zu beweisen.
Nach einem Teil der Rechtsprechung ist eine Abfertigung auf soviele
Monate aufzuteilen, wie diese Abfertigung Monatsentgelten entspricht
(RZ 1991/35). Es wurde aber auch ausgesprochen, daß die Aufteilung
einmaliger Zahlungen wie Abfertigung und Pensionsabfindung, stets
nach den Umständen des Einzelfalles und den Lebensverhältnissen der
Beteiligten angemessen vorzunehmen ist und daß die Ansicht, daß die
Abfertigung auf soviele Monate aufzuteilen sei, wie sie dem zuletzt
bezogenen Monatsentgelt entspreche, nur in jenen Fällen angemessen
sei, in denen die Abfertigung zumindest in einem gewissen Maß als
Überbrückungshilfe bis zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes
diene, nicht aber auch dann, wenn der Unterhaltspflichtige etwa
laufend eine höhere Pension beziehe. In einem solchen Fall sei davon
auszugehen, daß der Bezieher solcher beträchtlicher einmaliger
Zahlungen (etwa) anläßlich seiner Pensionierung diese bei
wirtschaftlich sinnvoller Betrachtungsweise nicht binnen 12 Monaten
verbrauche, sondern auf einen längeren Zeitraum Vorsorge für ein
höheres Einkommen treffe (8 Ob 1562/91 = EFSlg. 64.920 und 5 Ob
1571/92). Nach der Entscheidung vom zu 1 Ob 585/90 (= SZ
63/81 = EFSlg 62.224 = ÖA 1991, 100) darf eine Abfertigung nur
ausnahmsweise für einen existenznotwendigen Nachkauf von Beitragszeiten nach dem ASVG verwendet werden, wenn sonst der Pensionsbezug nicht gesichert wäre und der Unterhaltspflichtige weiterhin arbeitslos bliebe; ansonsten sei die gesamte Abfertigung der Bemessungsgrundlage hinzuzurechnen, weil die leistungswirksame Beitragsentrichtung dann ebenso wie eine vertragliche Zusatzpensionsversicherung den Unterhaltsanspruch des Unterhaltsberechtigten nicht schmälern dürfe (vgl. Purtscheller-Salzmann, Unterhaltsbemessung, Rz 244/11).
Eine einhellige höchstgerichtliche Rechtsprechung, über welchen Zeitraum der Unterhaltsberechtigte an einmaligen Zahlungen an den Unterhaltspflichtigen wie einer Abfertigung und einer Pensionsabfindung teilzuhaben hat, besteht daher nicht. Das Argument, daß die Abfertigung eine Art Überbrückungshilfe für den in seinen Einkommensverhältnissen nach dem Verlust des bisherigen Arbeitsplatzes geminderten Unterhaltspflichtigen bis zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes darstelle, trifft wohl nur für relativ geringere Beträge zu; hier mag auch eine Aufteilung dieser Zuwendung auf die Anzahl der Monate, die dem letzten Arbeitsentgelt entspricht, in Form einer Hinzurechnung dieser Beträge zur Unterhaltsbemessungsgrundlage gerechtfertigt sein, vor allem, um den Unterhaltsberechtigten vor unberechtigten Herabsetzungsanträgen zu schützen.
Behält der Arbeitgeber aufgrund einer Betriebsvereinbarung Teile des Arbeitsentgeltes des Unterhaltspflichtigen akonto einer diesem aus Anlaß seiner Pensionierung zu gewährenden Betriebspension ein, so stellt die Ausschüttung dieser Ansparungen bei einer vom unterhaltspflichtigen Arbeitnehmer getroffenen Wahl, keine Betriebspension, sondern den Barwert dieser Ansparungen zu beziehen, nichts anderes als den Bezug angesparten Arbeitsentgeltes dar, an dem der Unterhaltsberechtigte teilzuhaben hat; wäre es zu keiner derartigen Betriebsvereinbarung gekommen, so wäre der Unterhaltsberechtigte schon vorher an diesen Bezügen beteiligt gewesen. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes stellen daher auch solche bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeschütteten Pensionsansparbeträge in der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigendes Arbeitsentgelt dar.
Zusammenfassend gelangt man bei der Beurteilung der eingangs zitierten Entscheidungen sohin zum Ergebnis, daß je höher die erlangten Abfertigungsbeträge unter Einbeziehung der Pensionsabfindung sind, die angemessene Verteilung auf einen längeren Zeitraum zu erfolgen hat, um den tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gerecht zu werden, weil bei einer entsprechend hohen Abfertigungszahlung der Überbrückungscharakter dieser Leistung in den Hintergrund tritt und nur mehr Teilfunktion hat und nicht anzunehmen ist, daß derartig hohe Beträge innerhalb von ein bis zwei Jahren "verbraucht" werden. Vielmehr ist bei wirtschaftlicher Betrachtung unter Einbeziehung der Erfahrungen des täglichen Lebens davon auszugehen, daß vom Unterhaltspflichtigen mit derartigen Zuwendungen über einen längeren Zeitraum Anschaffungen gemacht werden können und ein Lebensstandard gehalten werden kann, der sonst nur aufgrund eines höheren Arbeitseinkommens finanzierbar gewesen wäre, daß dem Unterhaltspflichtigen durch angemessene Aufteilung also ein entsprechend höheres Einkommen über längere Zeit zur Verfügung steht. Daraus ergibt sich aber zwingend, daß das unterhaltsberechtigte Kind an derartigen Einkünften im Rahmen der Lebensverhältnisse des Unterhaltsberechtigten teilzuhaben hat. Im vorliegenden Fall erscheint eine Aufteilung der Gesamtzahlung von S 756.478,54 abzüglich eines Betrages von S 73.000,--, den der Vater während der Zeit seiner Arbeitslosigkeit von Jänner bis April 1992 verwendet haben mag, um ungeachtet der Aufkündigung seines zuvor bestandenen Dienstverhältnisses seinen bisherigen Lebensstandard aufrechtzuerhalten, wie das Rekursgericht ausgeführt hat, sohin von S 683.478,54 auf 4 (vier) Jahre gerechtfertigt. Dies ergibt einen fiktiven monatlichen Bezug von ca. S 42.000,-- (monatliches Durchschnittsnettoeinkommen zur Zeit der angefochtenen Entscheidung S 27.670,-- zuzüglich eines Achtundvierzigstels der genannten Zahlung:
S 41.909,--).
Die Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Vaters wird durch sein Einkommen (Bemessungsgrundlage) repräsentiert, an dem das Kind mit einem durch sein Alter und weiterer Sorgepflichten des Elternteils bestimmten Prozentsatz teilhat. Die von den Rechtsmittelgerichten zweiter Instanz festgelegten Prozentsätze stellen eine brauchbare Orientierungshilfe bei der Ausmittlung des Unterhalts eines Kindes dar. Die Beteiligung des Kindes am oben dargestellten Einkommen des Vaters mit 14 % entspricht der Sach- und Rechtslage. Es war daher spruchmäßig keinem der beiden Revisionsrekurse Folge zu geben; zu beachten ist aber die gegenüber der angefochtenen Entscheidung zufolge Berücksichtigung auch der Pensionsabfindung geänderte Aufteilungsdauer der vom Vater erhaltenen Einmalzahlungen.
Dem Außerstreitverfahren in Pflegschaftssachen ist eine Zuerkennung von Rechtsanwaltskosten fremd.