OGH vom 02.10.2013, 15Os116/13t

OGH vom 02.10.2013, 15Os116/13t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Dr. Michel Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Vasak als Schriftführerin in der Strafsache gegen Nebojsa V***** und andere wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Nebojsa V***** und Dragan L***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Geschworenengericht vom , GZ 49 Hv 106/12a 274, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen (wegen Strafe) werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten V***** und L***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil, das auch den in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch eines Mittäters enthält, wurden Nebojsa V***** der Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (A/1.) und des schweren Raubes nach §§ 142, 143 zweiter Fall StGB (A/2.) sowie Dragan L***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142, 143 zweiter Fall StGB als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (C) schuldig erkannt.

Danach haben am in O*****

A) Nebojsa V*****

1.) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem namentlich nicht bekannten Mittäter Kurt F***** vorsätzlich zu töten versucht, indem er 10 bis 15 mal mit einer Stahlrute auf dessen Kopf und Rückenbereich einschlug und ihm mit einem Messer Schnittverletzungen an den Händen und am Brustkorb zufügte, ihn fesselte und weiter auf ihn einschlug und eintrat, wodurch Kurt F***** acht Rissquetschwunden am Schädel, eine Schädelprellung, eine Prellung samt Blutunterlaufung des linken Auges, eine Stichwunde an der rechten Brustvorderwand, Prellungen und Blutunterlaufungen des Brustkorbes mit Ausbildung streifiger Prellmarken und Blutunterlaufungen der linken oberen Rückenregion, eine tiefe Schnittwunde an der linken Hand im Bereich der Daumen Zeigefingerfalte, Schnittwunden an der Beugeseite des linken Zeige und Ringfingers im Bereich der Fingerkuppen sowie Schnittverletzungen an der Beugeseite der rechten Hand in Höhe des Zeige , Mittel und Ringfingers an der Handfläche erlitt;

2.) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem namentlich nicht bekannten Mittäter, nachdem er nachts durch ein Kellerfenster in das Wohnhaus des Kurt und der Marianna F***** eingedrungen war, mit Gewalt gegen Personen und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB), und zwar indem er Kurt F***** mit einer Stahlrute brutal niederschlug, ihn entwaffnete, auf ihn einstach, und mit Klebeband an Armen und Beinen fesselte, während der Mittäter Marianna F***** ebenfalls fesselte und sie mit einem Elektroschocker bedrohte, den Genannten fremde bewegliche Sachen, und zwar zumindest eine Gaspistole der Marke FBI 8000, eine Damenhandtasche der Marke „Patchwork“, eine Ledergeldbörse, eine Arm und Halskette, eine Uhr der Marke „Esprit“ im Wert von 40 Euro sowie zumindest 1.680 Euro Bargeld mit dem Vorsatz weggenommen, durch deren Zueignung sich und einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Raub unter Verwendung von Waffen, nämlich einer Stahlrute und einem Elektroschocker, verübte;

...

C) Dragan L***** als Beitragstäter zur Ausführung der unter A/2. beschriebenen Tat des Nebojsa V***** beigetragen, indem er Einbruchswerkzeug und Waffen organisierte, den Tatort auskundschaftete, Nebojsa V***** sowie zwei weitere bislang namentlich nicht bekannte Täter zum Tatort verbrachte, Aufpasserdienste leistete und das Fluchtauto lenkte.

Die Geschworenen haben zu Nebosja V***** die Hauptfragen nach dem Verbrechen des Mordes (§§ 15, 75 StGB) und des schweren Raubes (§§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB) bejaht, die nach der Qualifikation des schweren Raubes nach § 143 dritter und vierter Fall StGB gestellte Eventualfrage blieb demgemäß unbeantwortet.

Zu Dragan L***** wurde die Hauptfrage nach dem Verbrechen des schweren Raubes (§§ 142, 143 zweiter Fall StGB als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB) bejaht, die Beantwortung der Eventualfragen nach den Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch (§§ 127, 129 Z 1 und Z 4 StGB) und des schweren Diebstahls durch Einbruch (§§ 15, 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und Z 4 StGB) jeweils als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB konnte daher entfallen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die von Nebojsa V***** auf Z 6, 10a und 13, von Dragan L***** auf Z 6 und 8 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden. Diese verfehlen ihr Ziel.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Nebojsa V*****:

Die Fragenrüge (Z 6) versucht durch die Wiedergabe von Teilen der Verantwortung des Angeklagten und eines kontextentkleideten Zitates aus dem Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen (ON 24; vgl aber ON 273 S 10 ff) „Hinweise auf das Vorliegen von Fahrlässigkeit“ zu geben. Die daraus gezogene Schlussfolgerung, es hätte eine „Eventualfrage nach § 143 dritter Satz StGB“ gestellt werden müssen, ist angesichts der den Geschworenen vorgelegten Eventualfrage 3 (gerichtet nach der Qualifikation des schweren Raubes nach § 143 dritter und vierter Fall StGB) nicht nachvollziehbar.

Welche „eindeutigen Hinweise“ eine Eventualfrage in Richtung räuberischen Diebstahls (§ 131 StGB) rechtfertigen würden, vermag die Rüge, die bloß über die Intentionen des Erstangeklagten spekuliert, nicht klarzumachen.

Die Tatsachenrüge (Z 10a) orientiert sich nicht an in der Hauptverhandlung vorgekommenen Beweisergebnissen, sondern beschränkt sich darauf, unter Rekurs auf die Lebenserfahrung alternative Deutungen zum Verhalten der Täter zu geben. Damit gelingt es ihr nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Wahrspruch zugrundeliegenden Tatsachen zu erwecken.

Mit den Argumenten, der Angeklagte habe nicht nur wie von den Tatrichtern angenommen einen Beitrag zur Wahrheitsfindung geleistet, sondern sei vielmehr umfassend reumütig geständig gewesen, und der Milderungsgrund des Versuchs sei bei der Strafbemessung nicht ausreichend gewürdigt worden, spricht die Sanktionsrüge (Z 13) lediglich Berufungsgründe an. Aus welchem Grund die Strafzumessungsgründe „ganz offensichtlich so grob falsch angewendet“ wurden, „dass definitiv eine Überschreitung des Ermessensspielraumes gegeben“ sei, bleibt unerklärt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Dragan L*****:

Gesetzeskonforme Ausführung einer Fragenrüge verlangt vom Beschwerdeführer deutliche und bestimmte Bezeichnung der vermissten Fragen und jenes Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen, also zB des eine weitere Frage indizierenden Tatsachensubstrats (RIS Justiz RS0117447). Ein solches vermag die Beschwerde, die eine Eventualfrage nach dem Verbrechen des räuberischen Diebstahls gemäß § 131 StGB vermisst, nicht anzugeben. Die in diesem Zusammenhang zitierte Aussage eines der Opfer es habe mitbekommen, dass das Haus durchsucht worden sei (ON 262 S 55 f), die sich ersichtlich auf den Zeitraum nach der Gewaltanwendung und Fesselung bezog, stellt im Übrigen kein eine Eventualfrage indizierendes Beweisergebnis dar.

Dass in der Einleitung zur Erklärung von unmittelbarer Täterschaft, Bestimmungs- sowie Beitragstäterschaft offensichtlich aufgrund eines Schreibfehlers von der Hauptfrage 6 statt (von der diesen Angeklagten betreffenden) Hauptfrage 7 die Rede ist (S 14), macht die Rechtsbelehrung der Instruktionsrüge (Z 8) zuwider mit Bezug auf den Empfängerhorizont eines maßgerechten Laienrichters (vgl Ratz , WK StPO § 345 Rz 58) nicht undeutlich und widersprüchlich, werden doch in der Belehrung für die Hauptfrage(n) (4 und) 7 die von der Beschwerde vermissten Fragen der Beteiligung an einer strafbaren Handlung und auch des Tatexzesses (rechtsrichtig) erklärt. Dass die Geschworenen bei einem anderen Angeklagten zu einem divergierenden Ergebnis gekommen sind, macht die Instruktion nicht unrichtig.

Welche „Unvollständigkeit“ die Erklärung zu den Begriffen „Raub in Gesellschaft eines Beteiligten“ und „Verwendung einer Tatwaffe“ aufweisen soll, sagt die Beschwerde abgesehen vom Hinweis, die Begriffe hätten „unbedingt näher erläutert werden müssen“ nicht (vgl aber die diesbezüglichen Ausführungen S 13 und 7 der Rechtsbelehrung). Auch der Grundsatz, dass jeder Beteiligte ausschließlich seine eigene Schuld verantwortet (§ 13 StGB), wird in der Belehrung erläutert (S 15). Die dies vernachlässigende Beschwerde nimmt somit nicht Maß an der tatsächlich erteilten Belehrung in ihrer Gesamtheit.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher ebenso wie die zwar angemeldeten (ON 273 S 25), nicht aber ausgeführten und im geschworenengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 344 StPO) Berufungen wegen des Ausspruchs über die Schuld schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (wegen Strafe) ergibt (§§ 344, 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.