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OGH vom 21.05.1992, 7Ob548/92

OGH vom 21.05.1992, 7Ob548/92

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Elisabeth B*****, und Katharina B*****, infolge von Revisionsrekursen der Minderjährigen, vertreten durch den Vater Dr. Alexander B*****, und der Mutter Magdalena B*****, diese vertreten durch Dr. H. Klement und Dr. A. Schreiner, Rechtsanwälte in Graz, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgericht vom , GZ R 1123/91-237, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Gmunden vom , GZ P 229/87-229, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs der Mutter wird nicht Folge gegeben.

Dem Revisionsrekurs des Vaters wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Ausspruch des Erstgerichtes über den Beginn der Unterhaltsverpflichtung der Mutter mit wiederhergestellt wird.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern ist seit geschieden. Der Ehe entstammen die Kinder Alexander, geboren am , Peter, geboren am , Elisabeth, geboren am , Katharina, geboren am , und Florian, geboren am . Die mj. Sabine, geboren am , wurde von den Eltern adoptiert. Die Eltern leben seit Herbst 1986 getrennt. Die Mutter verließ die eheliche Wohnung und zog mit den fünf jüngeren Kindern - der Sohn Alexander lebte damals nicht zu Hause - in das Frauenhaus nach Graz. Elisabeth und Katharina kehrten in der Folge zum Vater zurück. Sie leben seither im Haushalt des Vaters und werden von diesem betreut.

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 13 P 321/86-38, wurde der Mutter die Obsorge für Peter, Sabine und Florian übertragen. Die Obsorge für den damals noch minderjährigen Alexander erhielt der Vater (ON 56 und ON 66). Mit Beschluß des Erstgerichtes vom (ON 125) wurde der Mutter auch die Obsorge für Elisabeth und Katharina übertragen. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel des Vaters blieben erfolglos (ON 144, 150). Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes über den Revisionsrekurs des Vaters wurde dessen Vertreter am zugestellt. Die Mutter verzichtete mit Rücksicht auf das laufende Schuljahr vorläufig auf eine Übersiedlung der Kinder zu ihr nach Graz (ON 155). Bereits am beantragte der Vater die Obsorge für die Kinder Elisabeth und Katharina (ON 167). Mit Beschluß vom (ON 201), der Mutter zugestellt am , sprach das Erstgericht in Abänderung der ursprünglich getroffenen Regelung die Obsorge für Elisabeth und Katharina dem Vater mit der Begründung zu, daß sich die Kinder eindeutig dahin ausgesprochen haben, beim Vater bleiben zu dürfen, und der Wunsch der bereits 13 und 16 Jahre alten Jugendlichen beachtlich sei.

Mit dem am beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrte der Vater namens der bei ihm lebenden Kinder Alexander, Elisabeth und Katharina von der Mutter einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von je S 2.000,- ab (ON 182).

Das Erstgericht wies den Antrag des Alexander zur Gänze und den Antrag der mj. Elisabeth und Katharina für die Zeit vom bis ab. Für die Zeit ab verpflichtete es die Mutter zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von je S 2.000,- für Elisabeth und Katharina und behielt sich die Entscheidung über das Unterhaltsbegehren dieser beiden Kinder für die Zeit vom bis vor.

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes war die Mutter vom bis beim Arbeitsamt als arbeitssuchend gemeldet, begann am ein Praktikum im Hirtenkloster in Graz, das bis dauerte, belegte anschließend einen Fernkurs für Staatsbürger- und Sozialkunde und absolvierte daran anschließend eine Ausbildung zur Sonderkindergärtnerin. Während dieser Zeit erhielt sie Beihilfen nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz bzw. Arbeitslosengeld, das sich im Monat zwischen S 5.700,- bis S 7.077,- bewegte. Nach Beendigung des Fortbildungskurses erhielt sie ab bis Arbeitslosengeld von täglich S 148,70 bzw. vom 8. 9. bis eine Notstandshilfe von täglich S 26,80. Seit arbeitet die Mutter im Heilpädagogischen Kindergarten Krieglach, und zwar in der Zeit vom Dezember 1988 bis auf der Basis eines Werkvertrages und seit aufgrund eines Dienstvertrages. Vom bis erhielt sie aufgrund des Werkvertrages S 131.520,- + Umsatzsteuer als Entgelt und S 11.624,60 + S 2.324,82 Umsatzsteuer an Reisekosten. Von Mai bis September 1989 erhielt sie an Honoraren S 94.800,- + S 18.960,- Umsatzsteuer und an Reisekosten S 10.572,- + S 2.114,38 Umsatzsteuer. Hievon sind die Beiträge zur Sozialversicherung und die Einkommensteuer in derzeit unbekannter Höhe abzuziehen. Vom bis betrug das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen der Mutter S 16.440,18, im Jahre 1990 S 18.219,22 und vom 1. 1. bis S 17.989,11, jeweils einschließlich der Sonderzahlungen und ohne Familienbeihilfe. Die Mutter ist vermögenslos. Sie bewohnt mit ihren vier Kindern eine 91 m2 große Mietwohnung, bestehend aus fünf Räumen, die sehr bescheiden eingerichtet sind. Zur Einrichtung dieser Wohnung mußte sie einen Kredit aufnehmen, den sie in monatlichen Raten von S 2.000,-

zurückzuzahlen hat. Zur Ausübung ihres Berufes benötigt sie einen PKW, für den sie eine monatliche Leasingrate von S 2.273,-

einschließlich der Versicherungsprämie zu zahlen hat.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes hat der am volljährig gewordene Alexander seinen Unterhaltsanspruch selbst im Rechtsweg geltend zu machen. Der Unterhaltsanspruch der mj. Elisabeth und Katharina für die Zeit vom bis sei verjährt. Darüber hinaus treffe aber die Mutter eine Beitragspflicht für die im Haushalt des Vaters betreuten Kinder entsprechend dem Bedarfs- und Leistungsprinzip. Der statistisch ermittelte Durchschnittsbedarf für Kinder in der Altersgruppe, der die beiden Mädchen angehören, beträgt bis S 3.020,- bzw. S 3.570,- und ab S 3.120,-

bzw. S 3.690,-. Von der Bedarfsseite her sei demnach der begehrte Unterhaltsbetrag gerechtfertigt. Ab sei die Mutter auch zur Leistung dieses Betrages in der Lage. Daß der Vater für die im Haushalt der Mutter betreuten Kinder einen zu geringen Unterhaltsbeitrag leiste, sei hier ohne Belang, weil es der Mutter freistehe, namens dieser Kinder eine Unterhaltserhöhung zu beantragen. Das Einkommen der Mutter für den Zeitraum von Dezember 1987 bis rechtfertige dagegen nicht, sie zur Unterhaltsleistung heranzuziehen. Überdies liege aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses vom (ON 133) für diesen Zeitraum eine abweisende Entscheidung vor. Zur Beurteilung des Zeitraumes vom bis seien noch Erhebungen über die Einkünfte der Mutter erforderlich.

Das Rekursgericht wies den gegen die erstgerichtliche Entscheidung gerichteten Rekurs der Minderjährigen als verspätet zurück, gab dem Rekurs der Mutter teilweise Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es den Beginn der Beitragspflicht der Mutter mit anstatt mit festsetzte. Es sprach aus, daß hinsichtlich der Sachentscheidung der ordentliche Revisionsrekurs zulässig, im übrigen jedoch unzulässig ist.

Das Rekursgericht stellte ergänzend fest, daß die Mutter bis Anfang 1988 nur Gelegenheitsarbeiten verrichtete, mit denen sie bis zu ca.S 1.000,- monatlich verdiente. In den bereits vom Erstgericht festgestellten Einkünften der Mutter als Angestellte der Marktgemeinde Krieglach sind Reisespesen nicht enthalten.

Das Rekursgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes über die Beitragspflicht der Mutter, ihre Beitragspflicht beginne jedoch erst mit dem Tag der Zustellung des Beschlusses über die Übertragung der Obsorge für die Kinder Elisabeth und Katharina auf den Vater an den Rechtsvertreter der Mutter. Für die Zeit vorher habe der Vater kein Antragsrecht, weil die Obsorge der Mutter zugestanden sei. Darüber hinaus könne die Mutter für diesen Zeitraum, während dessen sich die Kinder gegen ihren Willen im Haushalt des Vaters befunden hätten, nicht zu Unterhaltsbeiträgen verhalten werden. Die Unterhaltspflicht der Mutter beginne erst mit der Änderung der Obsorgezuteilung.

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs des Vaters ist berechtigt, dem Revisionsrekurs der Mutter kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß die Mutter für jenen Zeitraum nicht zur Unterhaltsleistung herangezogen werden kann, zu dem ihr die Obsorge zustand und die Kinder sich gegen ihren Willen im Haushalt des Vaters befanden, kann in dieser allgemeinen Form nicht geteilt werden. In der älteren Rechtsprechung wurde zwar ausgesprochen, daß kein Anspruch auf Geldalimentation besteht, wenn sich das Kind gegen den Willen des Pflege- und Erziehungsberechtigten außerhalb seines Hauses aufhält (EvBl. 1961/289 mwN). Auszugehen ist jedoch davon, daß das Gesetz keinen allgemeinen Verwirkungstatbestand für den Kindesunterhalt kennt (Pichler in Rummel2 Rz 15 zu § 140; EFSlg. 42.738). Betreut der nicht obsorgeberechtigte Elternteil gegen den Willen des anderen Elternteils das Kind, so ändert sich dadurch grundsätzlich nichts an der sich aus § 140 Abs. 2 erster Satz ABGB ergebenden Pflichtverteilung für die Eltern zur Unterhaltsleistung (Schwimann-Schlemmer, ABGB I § 140 Rz 69). Der obgenannte Rechtssatz kann daher jedenfalls für den Fall nicht aufrecht erhalten werden, daß ein gerechtfertigter Grund für den Aufenthalt des Kindes im Haushalt des nicht zur Obsorge berechtigten Elternteils vorliegt. Die Frage, welchem der beiden Elternteile die Obsorge für die mj. Elisabeth und Katharina zukommen soll, war lange Zeit strittig. Solange die Entscheidung darüber nicht gefallen war, konnte die Mutter für die, wenn auch gegen ihren Willen beim Vater untergebrachten Kinder eine Unterhaltsleistung keinesfalls verweigern (EFSlg. 55.967 mwN). Die Entscheidung, mit der zunächst der Mutter die Obsorge übertragen wurde, wurde am rechtskräftig. Die Mutter räumt selbst ein, daß ein Aufenthaltswechsel während des Schuljahres für die Kinder nachteilig gewesen wäre (ON 155). Bereits am lag ein Antrag des Vaters auf Änderung der Obsorgezuteilung vor, dem letztlich auch stattgegeben wurde. Bei dieser Sachlage kann nicht gesagt werden, daß eine Weiterbetreuung der Kinder im Haushalt des Vaters nicht gerechtfertigt gewesen wäre. Bestand aber auch schon für die Zeit vor Änderung der Obsorgezuteilung eine Beitragspflicht der Mutter, bedeutete die Geltendmachung des Anspruchs durch die Kinder gegen die obsorgeberechtigte Mutter einen Kollisionsfall im Sinne des § 271 ABGB. Die Anspruchserhebung durch den Vater namens der Kinder beinhaltete implicite einen entsprechenden Antrag im Sinne des § 271 ABGB zur Übertragung des Rechtes auf Vertretung im Verfahren gegen den anderen Elternteil. Der fehlende Ausspruch über die Vertretungsbefugnis des Vaters im Verfahren gegen die Mutter schadet hier aber deshalb nicht, weil die mangelnde Vertretung der Kinder im Sinne des auch im Außerstreitverfahren analog anzuwendenden § 477 Abs. 2 ZPO nachträglich durch die Änderung der Obsorgeentscheidung und Fortsetzung des Verfahrens durch den Vater geheilt wurde (vgl. Fasching ZPR2 Rz 1759).

Die Bemessung des Unterhaltsbeitrages der Mutter entspricht im wesentlichen der ständigen Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz, die in Ansehung der Unterhaltssätze grundsätzlich auch vom Obersten Gerichtshof gebilligt wird, wobei auf die sonstigen Sorgepflichten der Mutter für die anderen Kinder ohnehin Bedacht genommen wurde (vgl. die Unterhaltssätze in Schwimann-Schlemmer aaO Rz 13). Der Umstand, daß der Vater offensichtlich für die im Haushalt der Mutter betreuten Kinder keinen den Grundsätzen des § 140 Abs. 1 ABGB entsprechenden Unterhaltsbeitrag leistet, läßt, wie die Vorinstanzen im Grunde richtig erkannt haben, mangels Gegenseitigkeit keine Aufrechnung zu. Bei dem Anspruch auf Beitragsleistung in Geld handelt es sich um einen Anspruch der Kinder jeweils gegen den anderen Elternteil.

Auf die erst im Rekursverfahren aufgestellten Behauptung der Mutter, daß ein Konsens zwischen den Eltern über die Unterhaltsleistungen bestand, ist das Rekursgericht zu Recht nicht eingegangen. Der § 10 AußStrG eröffnet nach ständiger Rechtsprechung nicht die Möglichkeit, erst im Rekursverfahren bisher nicht aufgestellte Tatsachenbehauptungen vorzubringen (SZ 47/141 uva). Eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Unterhaltsvereinbarung der Eltern wäre den Kindern gegenüber überdies auch nur dann wirksam, wenn sie pflegschaftsbehördlich genehmigt worden wäre (Schwimann-Schlemmer aaO Rz 86 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Da die Umstandsklausel selbstverständliches Element jeder Unterhaltsverpflichtung ist und gegenüber den vorangegangenen Unterhaltsentscheidungen in Ansehung des Einkommens der Mutter eine wesentliche Änderung eingetreten ist, bestehen auch gegen die Form der Antragstellung keine Bedenken.

Demgemäß ist dem Rekurs der Mutter ein Erfolg zu versagen, dem Rekurs des Vaters dagegen Folge zu geben.

Fundstelle(n):
WAAAD-78894