VfGH vom 22.02.2013, B1116/12
Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbs in einem Zwangsversteigerungsverfahren mangels Landwirteigenschaft des Beschwerdeführers und wegen vorhandenem Interessenten
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
1.1. Der Beschwerdeführer erwarb als Meistbietender im Liegenschaftsversteigerungsverfahren vor dem Bezirksgericht Tulln am die Grundstücke Nr 1147/1, 1147/2, 1148 und 1152, alle KG Königstetten. Er suchte fristgerecht um Erteilung einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung für den erteilten Zuschlag an. Innerhalb offener Frist kündete eine dritte Person ihr Interesse am Erwerb der betreffenden Liegenschaft an und bescheinigt ihre Zahlungsfähigkeit. Die Bezirkshauptmannschaft Tulln versagte mit Bescheid vom die grundverkehrsbehördliche Genehmigung. Die dagegen erhobene Berufung wurde von der NÖ Grundverkehrslandeskommission als unbegründet abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der nunmehrige Beschwerdeführer nicht als Landwirt iSv § 3 Z 2 NÖ GVG 2007 zu qualifizieren sei, weil er weder aus seinen land- und forstwirtschaftlichen Grundflächen Erträge erwirtschaftet noch glaubhaft belegen konnte, dass er über die erforderlichen Fähigkeiten zur Bewirtschaftung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes verfügt. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass er seinen Lebensunterhalt in absehbarer Zeit aus der Land- und Forstwirtschaft bestreiten werde. Wegen des Vorhandenseins eines Interessenten iSv § 3 Z 4 lita NÖ GVG 2007 sei die grundverkehrsbehördliche Genehmigung zu versagen gewesen.
1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die gemäß Art 144 B VG erhobene Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG), Freiheit des Liegenschaftsverkehrs (Art6 StGG), Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG), ein faires Verfahren (Art6 EMRK) und Berufsfreiheit (Art18 StGG) sowie die Verletzung in Rechten wegen der Anwendung verfassungswidriger Gesetze (§§31 und 33 zweiter Satz NÖ Grundverkehrs gesetz 2007) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
1.3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
2. Die zur Beurteilung des vorliegenden Falles maßgeblichen Rechtsvorschriften des NÖ Grundverkehrsgesetzes 2007, LGBl 6800 3, lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:
§3
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieses Gesetzes gelten als:
[…]
2. Landwirte oder Landwirtinnen (im Voll-, Zu- oder Nebenerwerb):
a) wer einen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb allein oder zusammen mit Familienangehörigen und/oder landwirtschaftlichen Dienstnehmern oder Dienstnehmerinnen bewirtschaftet und daraus den eigenen und den Lebensunterhalt der Familie zumindest zu einem erheblichen Teil bestreitet oder
b) wer nach Erwerb eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücks einen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb als selbständige Wirtschaftseinheit allein oder zusammen mit Familienangehörigen und/oder landwirtschaftlichen Dienstnehmern oder Dienstnehmerinnen bewirtschaften und daraus den eigenen und den Lebensunterhalt der Familie zumindest zu einem erheblichen Teil bestreiten will, wenn
* diese Absicht durch ausreichende Gründe belegt und
* aufgrund praktischer Tätigkeit oder fachlicher
Ausbildung die dazu erforderlichen Fähigkeiten glaubhaft gemacht werden können
[…]
4. Interessenten oder Interessentinnen:
a) Landwirte oder Landwirtinnen, die bereit sind, anstelle des Rechtserwerbers oder der Rechtserwerberin ein gleichartiges Rechtsgeschäft unter Lebenden über die vertragsgegenständliche Liegenschaft abzuschließen, wenn sie glaubhaft machen, dass die Bezahlung des ortsüblichen Verkehrswertes oder Pachtzinses und die Erfüllung sonstiger ortsüblicher und für den Verkäufer oder die Verkäuferin (Verpächter oder Verpächterin und dgl.) lebensnotwendiger Vertragsbedingungen gewährleistet ist;
[…]
§6
Genehmigungsvoraussetzungen
[…]
(2) Die Grundverkehrsbehörde hat einem Rechtsgeschäft die Genehmigung zu erteilen, wenn es dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes nicht widerspricht. Soweit ein solches Interesse nicht besteht, ist die Genehmigung auch dann zu erteilen, wenn das Rechtsgeschäft dem Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht widerspricht. Die Genehmigung ist insbesondere nicht zu erteilen, wenn
1. der Rechtserwerber oder die Rechtserwerberin kein Landwirt oder keine Landwirtin ist und zumindest ein Interessent oder eine Interessentin vorhanden ist;
[…]
§31
Erneute Versteigerung
(1) Für die erneute Versteigerung dürfen als Bieter oder Bieterin nur Personen zugelassen werden, die dem Exekutionsgericht einen rechtskräftigen Bescheid gemäß Abs 2 oder eine Mitteilung nach Abs 3 letzter Satz vorlegen.
(2) Ein Antrag auf Zulassung ist innerhalb von vier Wochen nach der Bekanntmachung des neuen Versteigerungstermins einzubringen. Beruft sich jemand auf das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes gemäß §§5 oder 18, hat die Behörde eine Zulassungsbestätigung auszustellen. Die Behörde hat über Anträge ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber binnen zehn Wochen nach dem Einlangen eines vollständigen Antrages zu entscheiden.
(3) Wird von der Behörde innerhalb dieser Frist keine Entscheidung gefällt, gilt die Zulassung als erteilt. Hierüber hat die Behörde der antragstellenden Person eine zur Vorlage an das Exekutionsgericht geeignete Mitteilung auszustellen, damit sie als Bieter oder Bieterin auftreten kann.
(4) Zwischen der Bekanntmachung des neuen Versteigerungstermins und der Versteigerung muss ein Zeitraum von mindestens sechs Monaten liegen.
(5) Bei der erneuten Versteigerung richtet sich das geringste Gebot stets nach § 151 Abs 1 der Exekutionsordnung, soweit nicht § 30 Abs 5 anzuwenden ist.
(6) Treten innerhalb der Frist von vier Wochen (Abs2) bei der Behörde keine Person um eine Zulassung auf, hat die Behörde das Exekutionsgericht unverzüglich zu verständigen; dies gilt in gleicher Weise für Anträge auf Ausstellung einer Grundverkehrsbestätigung.
(7) Im Fall des Abs 6 oder wenn im erneuten Versteigerungsverfahren kein Bieter oder keine Bieterin (Abs1) auftritt oder keine gültigen Angebote abgegeben werden, hat das Exekutionsgericht den Beschluss über die Erteilung des Zuschlages an den Meistbietenden oder die Meistbietende des ersten Versteigerungstermins für wirksam zu erklären, auszufertigen, zu verlautbaren und die Behörde hievon zu verständigen.
§33
Entscheidung der Grundverkehrsbehörden
Für die Entscheidung der Grundverkehrsbehörden im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens gelten die Bestimmungen für den rechtsgeschäftlichen Erwerb. In Verfahren gemäß § 31 Abs 2 finden jedoch die Bestimmungen des § 6 Abs 2 Z 1 und 4 keine Anwendung.
3. Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
3.1. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung der Rechte auf Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz und Freiheit des Liegenschaftsverkehrs und bringt dazu vor, dass die belangte Behörde §§3 und 6 NÖ GVG 2007 denkunmöglich angewendet habe, weil sie die mitbeteiligte Partei, die sich im Verfahren als Interessent iSv § 6 Abs 2 Z 1 NÖ GVG 2007 anmeldete, als Landwirt qualifizierte, obwohl sich ihre betriebliche Wertschöpfung überwiegend aus dem Bezug von EU-Förderungen, und nicht aus der landwirtschaftlichen Arbeit ergebe. Durch die unsachliche Benachteiligung des Beschwerdeführers, der den Betrieb einer Landwirtschaft ernsthaft beabsichtigt, gegenüber einem bereits ausübenden Landwirt habe die belangte Behörde §§3 und 6 NÖ GVG 2007 einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt.
Eine Verletzung von Art 2 StGG und von Art 6 EMRK liege vor, weil die belangte Behörde bei der Prüfung, ob der Interessent Landwirt und der Beschwerdeführer werdender Landwirt im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen sei, grobe Ermittlungsfehler gesetzt und Verfahrensgrundsätze missachtet hätte. Die Feststellung, dass der Interessent Landwirt sei, stütze sich auf den bloßen Anschein. So sei bei der Prüfung der Ertragsfähigkeit seines landwirtschaftlichen Betriebes lediglich auf die Steuerbescheide der letzten zwei Jahre abgestellt worden. Die Annahmen über seine Erwerbsquellen seien aktenwidrig gewesen. Durch diese Vorgehensweise sei die mitbeteiligte Partei unsachlich bevorzugt worden. Bei der Prüfung, ob der Beschwerdeführer als Landwirt zu qualifizieren sei, habe die belangte Behörde nicht ausreichend berücksichtigt, dass er über einschlägige fachliche Qualifikationen und land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke verfüge, Forstwirtschaft studiere und familiäre Bezüge zur landwirtschaftlichen Tätigkeit habe. Die Schlussfolgerung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer keine ernstlichen Absichten zur Aufnahme eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes habe, weil er kein Betriebskonzept vorlegte, sei grob mangelhaft. Die Feststellung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer beziehe keine Einnahmen aus einem landwirtschaftlichen Betrieb, sei falsch.
3.2. Die belangte Behörde gründet die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung auf § 6 Abs 2 Z 1 NÖ GVG 2007. Im Sinne dieser Bestimmung ging sie – gestützt auf ein agrarfachliches und forstfachliches Gutachten sowie das Parteienvorbringen in der mündlichen Berufungsverhandlung – davon aus, dass der Beschwerdeführer kein Landwirt iSv § 3 Z 2 litb NÖ GVG 2007 werde und ein Interessent iSv § 3 Z 4 lita NÖ GVG 2007 vorhanden sei. Diese rechtliche Beurteilung stützt sie nachvollziehbar und damit in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise (vgl. auch VfSlg 13.903/1994, 18.325/2007, 18.535/2008) auf die Feststellung, dass der Beschwerdeführer nicht über die erforderlichen Kenntnisse verfügt, einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in praxi personenbezogen selbst zu bewirtschaften, keine Erträge aus seinen land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken erwirtschaftet und kein konkretes Betriebskonzept hat. Die Qualifizierung der mitbeteiligten Partei als Interessent stützt sich u.a. darauf, dass sie nach Beurteilung des landwirtschaftlichen Sachverständigen ihren Lebensunterhalt zu einem erheblichen Teil aus der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit erzielt und die Landwirtschaftsschule absolviert habe. Durch die Vorlage eines Sparbuches konnte sie glaubhaft machen, dass sie in der Lage ist, die Liegenschaft zum ortsüblichen Kaufpreis zu erwerben.
Insgesamt ist die rechtliche Beurteilung, dass die mitbeteiligte Partei Interessent ist, jedenfalls vertretbar und verfassungsrechtlich unbedenklich. Es liegt kein Verfahrensfehler vor, der einen Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) impliziert. Die belangte Behörde setzte weder einen die Übung von Willkür implizierenden Fehler bei der Beweiswürdigung noch unterstellte sie den angewendeten Rechtsvorschriften einen gleichheitswidrigen Inhalt, sodass auch der behauptete Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) nicht stattgefunden hat. Da die belangte Behörde in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgehen konnte, dass der in § 6 Abs 2 ZNÖ GVG 2007 normierte Grund für die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung gegeben ist, kommt auch eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs (Art6 StGG) und Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) durch denkunmögliche Gesetzesanwendung nicht in Betracht.
4. Der Vorwurf der Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Berufswahl (Art18 StGG) geht ins Leere, weil Gegenstand des angefochtenen Bescheides die Versagung der Genehmigung für den Erwerb eines Grundstückes ist. Allenfalls mittelbar durch die Versagung eintretende Wirkungen greifen nicht in dieses Grundrecht ein (vgl. VfSlg 9456/1982, 12.983/1992).
5.1. Weiters bringt der Beschwerdeführer vor, dass die gesetzlichen Bestimmungen in §§31 und 33 zweiter Satz NÖ GVG 2007 verfassungswidrig seien. Während Interessenten bei Eigentumsübergängen durch Kaufvertrag an den vertraglich vereinbarten Kaufpreis gebunden sind, bestehe bei der erneuten Versteigerung keine Bindung an das bei der vorherigen Versteigerung erzielte Meistbot. Da an der erneuten Versteigerung nur Landwirte teilnehmen dürften, sei die Erzielung eines gleich hohen Meistbotes ausgeschlossen. Die Ungleichbehandlung der beiden Erwerbsfälle sei vor dem Hintergrund der gesetzlichen Ziele der Erhaltung, Stärkung und Schaffung einer leistungsfähigen bäuerlichen Land- und Forstwirtschaft entsprechend den natürlichen und strukturellen Gegebenheiten des Landes Niederösterreich und der Erhaltung, Stärkung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes (§1 Zund 2 NÖ GVG 2007) nicht gerechtfertigt.
5.2. Das Vorbringen des Beschwerdeführers basiert auf einer irrigen Rechtsansicht. Der Interessent hat gem. § 3 Z 4 lita NÖ GVG glaubhaft zu machen, dass er zur Bezahlung des ortsüblichen Verkehrswertes oder Pachtzinses fähig ist. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers wird nicht auf den zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien vereinbarten Kaufpreis oder Pachtzins abgestellt (siehe auch VfSlg 10.449/1985). Die Behauptung einer Ungleichbehandlung von vertraglichen Eigentumsübergängen und Zwangsversteigerungen geht daher ins Leere. Unabhängig davon dient die Einschränkung des Bieterkreises bei der erneuten Versteigerung nach § 31 NÖ GVG 2007 dem im Lichte von § 1 Z 1 und 2 NÖ GVG 2007 unbedenklichen Zweck, geeigneten Personen iSd Grundverkehrsrechtes den Erwerb zu ermöglichen.
6. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.
Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz ent spricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde – wie im vorliegenden Fall – gegen den Bescheid einer Kollegialbehörde nach Art 133 Z 4 B VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).
Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ge troffen werden.