OGH 08.05.2001, 10ObS103/01x
Rechtssatz
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Normen | EG Amsterdam Art234 EGV Maastricht Art177 |
RS0086979 | Hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in einem aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens ergangenen Urteil die auch vom Obersten Gerichtshof dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage bereits beantwortet, ist das Vorabentscheidungsersuchen zurückzuziehen. |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Karlheinz Kux und Dr. Gabriele Griehsel (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Margrith P*****, geborene L*****, Pensionistin, ***** Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Mag. Johannes Götsch, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Pflegegeld, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Das Vorabentscheidungsersuchen vom , eingetragen unter der Rechtssachennummer C-511/99 des Registers des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (Register-Nr 605.786) wird zurückgezogen.
Text
Begründung:
Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom , 10 ObS 273/99s, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften eine Frage nach der Auslegung des Art 10a der Verordnung (EWG)Nr 1408/71 des Rates vom über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der geltenden Fassung in Verbindung mit Anhang IIa zur Frage der Exportpflicht des Pflegegeldes nach dem österreichischen Bundespflegegeldgesetz zur Vorabentscheidung vorgelegt. Vom Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht war der Gerichtshof bereits mit Beschluss vom , AZ 33 Cgs 7/99b, in einer vergleichbaren Sache angerufen worden. Diese Sache war unter der Rechtssachen-Nr C-215/99 in das Register des Gerichtshofes eingetragen worden.
Mit Schreiben des Kanzlers des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom wurde eine Kopie des Urteils des Gerichtshofes vom in der Rechtssache C-215/99 übermittelt und um Mitteilung ersucht, ob das gegenständliche Vorabentscheidungsersuchen im Hinblick auf dieses Urteil aufrecht erhalten wird.
Rechtliche Beurteilung
Da der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom die auch vom erkennenden Senat dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage nach der Exportpflicht des Pflegegeldes nach dem österreichischen Bundespflegegeldgesetz bereits beantwortet hat, war das Vorabentscheidungsersuchen zurückzuziehen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Karlheinz Kux und Dr. Gabriele Griehsel (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Margrith P*****, geborene L*****, Pensionistin, ***** Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Mag. Johannes Götsch, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Pflegegeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 23 Rs 32/99y-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 42 Cgs 269/98w-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Das am gemäß § 90a GOG ausgesetzte Revisionsverfahren wird von Amts wegen wieder aufgenommen.
2. Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Mit Bescheid der beklagten Partei vom wurde der Antrag der Klägerin auf Zuerkennung des Pflegegeldes mit der Begründung abgelehnt, dass gemäß § 3 BPGG Anspruch auf Pflegegeld nur für Personen bestehe, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von Pflegegeld der Stufe 7 ab . Auf Grund gemeinschaftsrechtlicher Normen stehe ihr das österreichische Pflegegeld auch bei einem dauernden Auslandsaufenthalt zu.
Das Erstgericht wies dieses Begehren ab, weil die Klägerin keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich habe. Das österreichische Pflegegeld sei eine beitragsunabhängige Sonderleistung im Sinn des Art 10a der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 und im Anhang IIa ausdrücklich angeführt. Es sei daher - von einer hier nicht vorliegenden Ausnahme (Unfallversicherung) abgesehen - nur bei Wohnsitz in Österreich zu gewähren und nicht in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates zu exportieren.
Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge und billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Bgehren stattgegeben werde.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren aber nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Sinne der beschlossenen Aufhebung berechtigt.
Da eine Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften zur Frage der Exportpflicht des Pflegegeldes nach dem österreichischen Bundespflegegeldgesetz nicht vorlag, hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom zu 10 ObS 273/99s das Revisionsverfahren gemäß § 90a GOG ausgesetzt und dem Gerichtshof gemäß Art 177 EG-Vertrag (jetzt Art 234 EG) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
"Ist Art 10a der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom über die Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr 2001/83 des Rates vom geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EWG) Nr 1247/92 des Rates vom , in Verbindung mit Anhang IIa dahin auszulegen, dass das Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz in seinen Geltungsbereich fällt und folglich eine beitragsunabhängige Sonderleistung im Sinne von Art 4 Abs 2a der Verordnung darstellt, sodass auf den Fall einer Person, die - wie Klägerin - nach dem die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Leistung erfüllt, ausschließlich die durch Art 10a der Verordnung geschaffene Koordinierungsregelung anzuwenden ist?"
Mit Urteil vom , C-215/99, erkannte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in einer einen vergleichbaren Sachverhalt betreffenden Entscheidung zu Recht, dass "es gegen Art 19 Abs 1 und die entsprechenden Bestimmungen der anderen Abschnitte des Kapitels 1 des Titels III der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom zur Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr 118/97 des Rates vom geänderten und aktualisierten Fassung verstößt, den Anspruch auf die Leistung von Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz davon abhängig zu machen, dass der Pflegebedürftige seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat."
Dieses Erkenntnis hat auch für den gegenständlichen Vorlagefall zu gelten. Es war daher das ausgesetzte Revisionsverfahren von Amts wegen wieder aufzunehmen. Der Oberste Gerichtshof hat im Sinne der bindenden Rechtsansicht des EuGH davon auszugehen, dass die österreichische Rechtslage, nach der die Leistung von Pflegegeld nach dem BPGG vom Vorliegen des gewöhnlichen Aufenthaltes des Pflegebedürftigen in Österreich abhängig ist, dem Gemeinschaftsrecht widerspricht. Auf Grund des Anwendungsvorranges dieses Rechts ist diese im § 3 BPGG für den Anspruch auf Pflegegeld vorgesehene Voraussetzung unbeachtlich. Auf die von der Klägerin dagegen weiters vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken ist daher nicht mehr einzugehen.
Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren ausschließlich deshalb abgewiesen, weil die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Österreich hat. Da dieser Abweisungsgrund nicht tragend ist, das Vorliegen der anderen gesetzlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Leistung bisher aber nicht erörtert wurde und das Vorliegen dieser weiteren Voraussetzungen auch nicht außer Streit gestellt wurde, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung aufzuheben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2001:010OBS00103.01X.0508.001 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
JAAAD-78709