zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 04.11.2004, 12Os114/04

OGH vom 04.11.2004, 12Os114/04

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Matschegg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Thomas L***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall, Abs 2, 148 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Jugendschöffengericht vom , GZ 10 Hv 65/04p-22, und dessen Beschwerde gegen den gleichzeitig gefassten Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4, Abs 4 StPO nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Plöchl, des Angeklagten und dessen Verteidigers Dr. Gstöttner I. zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil - das im Übrigen unberührt bleibt - gemäß § 290 Abs 1 StPO im Schuldspruch III sowie in der Qualifikation der im Schuldspruch VI beschriebenen Tat als schwere Sachbeschädigung nach § 126 Abs 1 Z 5 StGB und demzufolge im (den Ausspruch über die Vorhaftanrechnung und die Entscheidungen nach § 494a StPO einschließenden) Strafausspruch aufgehoben und im Umfang der erstgenannten Aufhebung gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Thomas L***** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe Mitte Februar 2004 in Steyr eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, nämlich den Führerschein des Michael M*****, mit dem Vorsatz unterdrückt zu verhindern, dass dieser im Rechtsverkehr zum Beweis von Rechten und Tatsachen gebraucht werde, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Thomas L***** wird für die ihm nach den aufrecht bleibenden Schuldsprüchen zur Last fallenden Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahles nach §§ 127, 130 erster Fall, 15 StGB und des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall, Abs 2, 148 zweiter Fall StGB sowie die Vergehen des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1, Abs 2, Abs 3 erster Fall StGB und der mittelbar unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung nach § 228 Abs 1 StGB (richtig: des Gebrauchs fremder Ausweise nach § 231 Abs 1 StGB) unter Anwendung des § 28 StGB nach dem gemäß § 36 vorletzter Fall StGB reduzierten zweiten Strafsatz des § 148 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 (neun) Monaten

verurteilt.

Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird die Vorhaft vom , 17 Uhr bis , 10:55 Uhr auf die Strafe angerechnet. Im Umfang der Aufhebung des Schuldspruches VI wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Einzelrichter des Landesgerichtes Steyr zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen ihm die auf den erfolglosen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last;

II. den Beschluss

gefasst:

Gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO iVm § 53 Abs 1 StGB wird die mit Urteil des Landesgerichtes Steyr vom , GZ 10 Hv 84/03f-11, gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen, die Freiheitsstrafe von 3 Monaten ist zu vollziehen.

Gemäß § 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO iVm § 53 Abs 1, Abs 3 StGB wird vom Widerruf der mit Urteilen des Landesgerichtes Steyr vom , GZ 10 Hv 15/04k-8, und des Landesgerichtes Linz vom , GZ 33 Hv 59/04d-23, gewährten bedingten Strafnachsichten abgesehen, die jeweilige Probezeit auf 5 Jahre verlängert und für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet.

Mit seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diesen Beschluss verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am geborene Thomas L***** des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1, Abs 2, Abs 3 erster Fall StGB (I.), des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahles nach § 127, 130 erster Fall, 15 StGB (II.), des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (III.), des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 (ergänze: Z 1 erster Fall), Abs 2, 148 zweiter Fall StGB (IV.), des Vergehens der mittelbar unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung nach § 228 Abs 1 StGB (V.) und des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB (VI.) schuldig erkannt.

Danach hat er

I. am in Steyr den PKW Opel Vectra, pol. Kennzeichen SR ***** des Gerald M***** ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch genommen, wobei er sich die Herrschaft über das Fahrzeug durch eine in § 129 StGB geschilderte Handlung, nämlich das Öffnen mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel verschaffte und durch die Tat am Fahrzeug einen 2.000 Euro übersteigenden Schaden von insgesamt zumindest 2.500 Euro verursachte,

II. am in Steyr gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen nachstehenden Personen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch Zueignung dieser Gegenstände unrechtmäßig zu bereichern, und zwar


Tabelle in neuem Fenster öffnen
a.
der Lisa-Marie M***** ein Mobiltelephon im Wert von ca 79 Euro,
b.
der Mariella M***** ein Mobiltelephon im Wert von ca 199 Euro und
c.
der Claudia M***** einen Bargeldbetrag in Höhe von 180 Euro,
d.
(richtig: am wegzunehmen versucht - US 7, 8) Verfügungsberechtigten der Belegschaft der Baustelle H*****-AG den Betrag von 56,80 Euro;
III. Mitte Februar 2004 in Steyr einen Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, nämlich den Führerschein des Michael M*****, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass dieser im Rechtsverkehr zum Beweis von Rechten und Tatsachen gebraucht werde;
IV. in der Zeit zwischen 19. und in Linz, Leonding und Pasching gewerbsmäßig mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte von Telekommunikationsunternehmen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch Vorspiegelung, zahlungswilliger und zahlungsfähiger Kunde zu sein, zum Abschluss einschlägiger Verträge "bzw" zur Überlassung von Mobiltelephonen, sohin zu Handlungen verleitet, wodurch die nachstehenden Firmen in insgesamt 2.000 Euro weit übersteigenden Beträgen am Vermögen geschädigt wurden und wobei Thomas L***** die Betrugshandlungen beging, indem er zur Täuschung falsche Urkunden, nämlich mit anderen Namen unterfertigte Anmeldeformulare benützte, und zwar
a. Verfügungsberechtigte von T-Mobile zur Überlassung von 4 Mobiltelephonen im Wert von 1.004,19 Euro sowie zur Gestattung von Telephongesprächen, wodurch Gebühren im Ausmaß von 818,28 Euro entstanden,
b. Verfügungsberechtigte von Mobilkom zur Überlassung von 2 Mobiltelephonen im Wert von 408,29 Euro,
c. Verfügungsberechtigte von ONE zur Überlassung von 2 Mobiltelephonen im Wert von 658 Euro und zur Gestattung von Telephongesprächen, wodurch Gebühren im Ausmaß von 490,34 Euro entstanden,
d. Verfügungsberechtigte von Telering zur Überlassung von 2 Mobiltelephonen im Wert von 682,54 Euro
V. am in Linz bewirkt, dass Bedienstete des Magistrates Linz gutgläubig eine Tatsache, nämlich eine Meldebestätigung lautend auf den Namen "Michael M*****" in einer Meldebestätigung, sohin einer inländischen öffentlichen Urkunde, unrichtig beurkundeten, weil er diesen einen gestohlenen Führerschein des Michael M***** vorlegte, wobei er mit dem Vorsatz handelte, dass die Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis der Tatsache seiner Identität gebraucht werde,
VI. am in Asten eine Einrichtung, die der öffentlichen Sicherheit dient, nämlich den Zaun der Justizanstalt Asten dadurch beschädigt, dass er ein ca 80 x 50 cm großes Loch hineinschnitt, wodurch ein Schaden von 8,02 Euro entstand.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 9 lit a, 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist teilweise im Recht. Soweit sie allerdings unter Z 9 lit a vorbringt, es fänden "sich im gesamten Urteil keine Ausführungen dahingehend, welche den Schluss, der Schuldspruch sei auch in subjektiver Hinsicht gerechtfertigt, rechtfertigen", ignoriert sie die jeweils zur inneren Tatseite (mit einer Ausnahme) durchaus zureichenden Feststellungen US 6, 7. Weil sie es überdies unterlässt darzulegen, welche weiteren Annahmen zur "umfassenden und verlässlichen rechtlichen Beurteilung" erforderlich wären, bringt sie die behauptete materiellrechtliche Nichtigkeit nicht zur prozessordnungsgemäßen Ausführung (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) und war daher zu verwerfen.

Zutreffend macht der Angeklagte hingegen geltend (nominell Z 5, 9 lit a, der Sache nach Z 10), dass beim Schuldspruch VI die Qualifikation nach § 126 Abs 1 Z 5 StGB tragende Feststellungen zur subjektiven Tatseite (vgl etwa Leukauf/Steininger Komm³ § 126 RN 35) fehlen (US 7). In diesem Punkt war daher mangels meritorischer Entscheidungsmöglichkeit des Obersten Gerichtshofes mit Teilaufhebung und Auftrag zu neuerlicher Entscheidung vorzugehen. Der dafür zuständige Einzelrichter wird zu beachten haben, dass der Oberste Gerichtshof in diesem Zusammenhang - der Ansicht Bertels in WK² § 126 Rz 18 und der dieser folgenden Subsumtionsrüge (Z 10) des Rechtsmittelwerbers entgegen - weiterhin an seinem in SSt 61/12 = EvBl 1990/149 = RZ 1991/53 sowie in 11 Os 98/90 (nv) zur Beschädigung einer Betonlamelle des Fenstergitters eines Haftraumes vertretenen Rechtsstandpunkt (auf den der genannte Autor inhaltlich gar nicht eingeht) festhält: Eine zum Durchklettern geeignete Öffnung in einem der Sicherung vor Ausbruch dienenden Außenzaun einer Justizanstalt beeinträchtigt grundsätzlich die Funktionstauglichkeit der unter anderem der entweichungsresistenten Abschließung Gefangener von der Außenwelt (§ 20 Abs 2 StVG) - und somit (durch Verhinderung der Delinquenz praesumtiv gefährlicher Personen auch) der öffentlichen Sicherheit - dienenden Einrichtung und erfüllt daher den Tatbestand nach § 126 Abs 1 Z 5 erster Fall StGB.

Überdies musste sich der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Akten aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde davon überzeugen, dass der Schuldspruch III mit Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO belastet ist, welche von der Beschwerde nicht geltend gemacht wurde und daher von Amts wegen aufzugreifen war.

Wegen dieses Faktums wurde der Angeklagte nämlich bereits rechtskräftig mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom , GZ 33 Hv 59/04d-23 (dort Faktum IV/1), schuldig erkannt. Zufolge res iudicata war insoweit nach Kassation sofort mit Freispruch vorzugehen.

Im Hinblick auf das im Vergleich zu den in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüchen geringe Gewicht des noch offenen Vorwurfes und im Interesse einer möglichst ungesäumten Einleitung des Strafvollzuges (§ 397 StPO) war in analoger Anwendung des § 289 StPO die Strafe sogleich vom Obersten Gerichtshof festzusetzen (Mayerhofer StPO5 § 289 E 17).

Im durch § 36 vorletzter Fall StGB reduzierten Rahmen des zweiten Strafsatzes des § 148 StGB (6 Monate bis 10 Jahre Freiheitsentzug) war erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen und dreier Vergehen, die Wiederholung der gegen fremdes Vermögen gerichteten Angriffe, die einschlägige Vorstrafenbelastung und die (teilweise) Delinquenz in überaus raschem Rückfall während der Flucht aus dem Strafvollzug, mildernd das Geständnis und das Verbleiben eines Faktums (II./d.) im Versuchsstadium sowie der Umstand, dass mit Ausnahme der Taten vom alle anderen Fakten zeitlich vor zwei (zueinander im Verhältnis des § 31 StGB stehenden) Urteilen, nämlich des Landesgerichtes Steyr vom , GZ 10 Hv 15/04k-8, und des Landesgerichtes Linz vom , GZ 33 Hv 59/04d-23, lagen, mit denen der Angeklagte (überwiegend wegen in rund 100 Angriffen zwischen Herbst 2003 und Frühjahr 2004 gesetzten Straftaten gegen fremdes Vermögen, vor allem Diebstählen) zu jeweils teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen von je 7 Monaten verurteilt wurde.

Weiters war zugunsten des Angeklagten zu bedenken, dass er inhaltlich der Feststellungen zu Punkt V des Schuldspruches (US 6, 7) zwar nicht das Vergehen der mittelbar unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung nach § 228 Abs 1 StGB (mit einem Strafrahmen bis zu einem Jahr Freiheitsentzug) verwirklichte - weil die initiierte Meldebestätigung (§ 19 Abs 1 MeldeG 1991) als solche nicht unrichtig war, bestätigte sie doch realitätskongruent die Meldung des Michael M***** an einer bestimmten Anschrift seit einer bestimmten Zeit (vgl 14 Os 63/04 mwN; SSt 50/56) - wohl aber das mit der bereits im Urteil des Landesgerichtes Linz vom , GZ 33 Hv 59/04d-23 (Faktum IV/1), abgestraften Urkundenunterdrückung echt real konkurrierende (Kienapfel in WK² § 231 Rz 26) Vergehen des Gebrauches fremder Ausweise nach § 231 Abs 1 StGB. Wiewohl letztgenanntes Delikt mit einem geringeren Strafrahmen versehen ist, bestand in concreto kein Grund für eine die Subsumtion korrigierende Maßnahme nach § 290 Abs 1 Satz 2 StPO, weil der Oberste Gerichtshof die geringere Sanktionsdrohung des nicht strafsatzbestimmenden - im aktuellen Zusammenhang in der Relevanz für die Höhe der Strafe sogar weit zurücktretenden - Deliktes bei der Neubemessung der Unrechtsfolge berücksichtigen konnte (Ratz, WK-StPO Rz 22; Mayerhofer StPO4 E 32 - beide zu § 290).

Die aus dem Spruch ersichtliche Freiheitsstrafe entspricht (allerdings nur mit Rücksicht auf §§ 290 Abs 2, 295 Abs 2 Satz 1 StPO) dem aktuellen Tatunrecht und der (auch daraus ersichtlichen) Täterpersönlichkeit. Vor allem letztere steht aus präventiven Gründen einer Anwendung der §§ 43, 43a StGB entgegen. Der junge Erwachsene wird endlich lernen müssen, die volle sanktionsbezogene Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen.

Aus diesem spezialpräventiven Grund war überdies - wie zutreffend bereits in erster Instanz - mit dem Widerruf der bedingten Nachsicht der am wegen der am begangenen Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt und der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall; 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB über den Beschwerdeführer verhängten Freiheitsstrafe von drei Monaten und hinsichtlich der Verurteilungen am 26. April und mit - vom Angeklagten nicht bekämpfter - Verlängerung der Probezeiten auf 5 Jahre, verbunden mit der Anordnung der Bewährungshilfe, vorzugehen.

Mit seiner Berufung wegen Strafe und der Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss war der Rechtsmittelwerber auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Vorhaftanrechnung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle, die Kostenentscheidung auf § 390a Abs 1 StPO.