OGH vom 29.04.2020, 10Ob13/20i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Univ.Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Dr. Andreas Ladstätter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. DI K*****, und 2. Ing. G*****, beide vertreten durch Dr. Walter Schuhmeister und Mag. Franz Haydn, Rechtsanwälte in Schwechat, wegen 15.000 EUR sA, infolge Revision der beklagten Parteien (Revisionsinteresse 6.250 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 34 R 66/18k27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 37 C 780/16f18, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass – einschließlich der bereits rechtskräftigen Teilabweisung – das das Klagebegehren abweisende Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien zu Handen der Beklagtenvertreter binnen 14 Tagen die mit 6.697,44 EUR (darin enthalten 1.116,24 EUR USt) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens,
die mit 1.776,05 EUR (darin enthalten 296,01 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und des Kostenrekurses
sowie die mit 1.475,42 EUR (darin enthalten 114,82 EUR USt und 786,50 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob die Beklagten schlüssig auf die Anfechtung eines mit der Klägerin geschlossenen Optionsvertrags wegen Irrtums verzichtet haben.
Die Klägerin ist Eigentümerin eines als Bauland gewidmeten Grundstücks. Der von ihr mit dem Verkauf der Liegenschaft beauftragte Immobilienmakler machte die beiden Beklagten als Interessenten namhaft. Diese planten die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die die Liegenschaft erwerben und nach Parzellierung gewinnbringend weiterverkaufen sollte. Weder die Klägerin noch der Immobilienmakler informierten die Beklagten davon, dass laut dem von der Klägerin in Auftrag gegebenen Verkehrswertgutachten zur Erreichung der Bebaubarkeit die Errichtung eines Retentionsbeckens nötig ist, um Hangwässer abzuleiten. Die anteiligen Baukosten des Retentionsbeckens samt dem Risiko dieser Investition waren vom Sachverständigen mit rund 84.000 EUR geschätzt worden.
Mit Optionsvertrag vom räumte die Klägerin den Beklagten eine mit befristete Kaufoption an der Liegenschaft zu einem Kaufpreis von 375.000 EUR ein. Für die Einräumung des Optionsrechts bis wurde von der Klägerin als Optionsgeberin kein Entgelt begehrt. Sollte aber bis zum Ablauf des das Optionsangebot von den Beklagten als Optionsnehmern nicht angenommen worden sein, sollten diese für die Zeit vom bis zum 4 % Zinsen vom vereinbarten Kaufpreis an die Optionsgeberin zahlen.
Am (somit erst nach Abschluss des Optionsvertrags) übermittelte der Immobilienmakler dem Erstbeklagten das Verkehrswertgutachten, wodurch die Beklagten erstmals Kenntnis vom Erfordernis des Baues eines Retentionsbeckens erhielten. Hätten sie diese Kenntnis bereits vor Vertragsabschluss gehabt, hätten sie den Optionsvertrag nicht abgeschlossen. Die Beklagten unternahmen noch verschiedene Schritte, um das Projekt doch noch zu realisieren. Unter anderem versuchten sie, den für die Errichtung eines Retentionsbeckens erforderlichen Konsens mit den Eigentümern der benachbarten Liegenschaften zu erzielen. Letztlich kamen sie zum Schluss, dass das Projekt nicht wirtschaftlich sei. Mit Schreiben vom erklärten sie gegenüber der Klägerin den Rücktritt vom Optionsvertrag und gaben als Begründung an, dass ihnen bei Vertragsabschluss wesentliche Umstände verschwiegen worden seien. Dieses Schreiben blieb von der Klägerin unbehoben. Erst auf ihre Nachfrage vom hin kam sie in Kenntnis des Rücktritts.
Mit ihrer am eingebrachten begehrte die Klägerin die Zahlung von 15.000 EUR als vereinbartes Entgelt in Höhe von 4 % des Kaufpreises.
Die beantragten Klageabweisung. Nach Erkennen des Irrtums hätten sie versucht, das Projekt doch noch zu „retten“. Da ihre Bemühungen erfolglos geblieben seien, hätten sie ihr Recht in Anspruch genommen, wegen Irrtums vom Vertrag zurückzutreten.
Das wies das Klagebegehren ab. Die Beklagten seien einem wesentlichen Geschäftsirrtum über eine allgemeine Eigenschaft des Kaufgegenstands unterlegen, der vom Immobilienmakler, dessen Handeln der Klägerin zuzurechnen sei, veranlasst worden sei. Ihnen stehe daher das Anfechtungsrecht wegen Irrtums zu. Dessen Ausübung habe den Optionsvertrag wegfallen lassen.
Das gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte das Urteil dahin ab, dass es die Beklagten verpflichtete, der Klägerin 6.250 EUR samt 4 % Zinsen ab zu leisten. Der in der Berufung erhobene neue Rechtsaspekt des konkludenten Verzichts auf die Irrtumsanfechtung sei zulässig. Ein Verstoß gegen das Neuerungsverbot liege nicht vor, weil die Klägerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren entsprechendes Sachvorbringen erstattet habe. Aufgrund der besonderen Umstände lägen die Voraussetzungen für die Annahme eines konkludenten Verzichts der Beklagten auf die Anfechtung des Optionsvertrags wegen Irrtums vor: Insbesondere hätten sie über die unentgeltliche Rücktrittsmöglichkeit hinaus am Vertrag festgehalten; außerdem sei der Zweck des Optionsvertrags darin gelegen, das Kaufrecht während der noch vorzunehmenden Prüfung der Bebaubarkeit zu sichern. Weitere besondere Umstände stellten auch die anwaltliche Vertretung der Beklagten, das Ausnutzen beinahe der vollen Optionsfrist sowie das Fehlen einer Kommunikation mit der Klägerin oder dem Makler. Dieses Gesamtverhalten der Beklagten lasse bei Berücksichtigung aller Umstände keinen vernünftigen Grund übrig, am Verzicht auf Irrtumsanfechtung zu zweifeln. Auch die Klägerin habe das Verhalten der Beklagten als Verzicht auffassen müssen. Vernünftige wirtschaftliche Gründe für ein unangemessen langes Zuwarten mit der Ausübung der Irrtumsanfechtung seien nicht gegeben. Qualifiziere man das gegenständliche Vertragsverhältnis als Dauerschuldverhältnis, beinhalte es eine Parallele zu einem (außerordentlichen) Kündigungsgrund, der in angemessener Zeit auszuüben sei, andernfalls er als verschwiegen gelte.
Die im Optionsvertrag getroffene Entgeltvereinbarung sei (entsprechend dem Standpunkt der Beklagten) dahin auszulegen, dass trotz Fehlens des Kürzels „p.a“ die Zinsen auf das Jahr zu berechnen seien und nur aliquot für den Zeitraum von bis zustünden, somit nicht in Höhe von 15.000 EUR, sondern nur in Höhe von 6.250 EUR. Im Hinblick auf die Berufungsentscheidung erübrige sich ein Eingehen auf den von den Beklagten erhobenen Kostenrekurs.
Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich mit der Begründung zu, es sei nicht auszuschließen, dass der bei Beurteilung eines konkludenten Verzichts anzulegende strenge Maßstab nicht ausreichend berücksichtigt und das Zuwarten mit der Ausübung der Irrtumsanfechtung bis zum Ende der Optionsfrist unrichtig als stillschweigender Verzicht beurteilt worden sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die der beiden Beklagten, mit der sie die Abänderung im Sinn einer gänzlichen Klageabweisung anstreben.
Rechtliche Beurteilung
I.
Die Revision ist zulässig, weil die Beurteilung des Berufungsgerichts aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof zu korrigieren ist. Sie ist im Sinn der Wiederherstellung des Ersturteils auch berechtigt.
Die Revisionswerber machen geltend, das Berufungsgericht habe die teilweise Klagestattgebung zu Unrecht auf einen schlüssigen Verzicht der Beklagten auf die Irrtumsanfechtung gestützt. Entsprechendes Tatsachenvorbringen habe die Klägerin in erster Instanz nicht erhoben, weshalb das Berufungsgericht – entgegen dem Neuerungsverbot des § 482 ZPO – über ein neues Vorbringen der Klägerin entschieden habe. Selbst wenn doch erstinstanzliches Sachvorbringen in Richtung eines schlüssigen Verzichts erstattet worden sein sollte, lägen die (strengen) Voraussetzungen für die Annahme eines schlüssigen Verzichtsnicht vor. Es fehle auch an Feststellungen, dass die Klägerin (bzw der Makler) überhaupt Kenntnis vom Irrtum der Beklagten gehabt hätten, sodass die Klägerin das Verhalten der Beklagten gar nicht als Verzicht auf eine Irrtumsanfechtung verstehen habe können.
Dazu ist auszuführen:
1.
1.1 Von gewissen Ausnahmen abgesehen (siehe etwa Bollenberger in KBB6§ 872 Rz 22 mwN), insbesondere bei einem – hier nicht vorliegenden – Geschäft zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, kann auf die Irrtumsanfechtung bereits bei Vertragsabschluss verzichtet werden (RS0016245). Nach Kenntnis der Anfechtbarkeit ist ein Verzicht auf das Recht der Vertragsanfechtung selbst bei Verbrauchergeschäften möglich (Riedler in Schwimann/Kodek ABGB4 IV § 871 Rz 42 mwN), und zwar auch in Form eines schlüssigen Verzichts (RS0014269), etwa indem sich die zur Anfechtung berechtigte Vertragspartei in Kenntnis des Irrtums weiter an den Vertrag hält.
1.2 Die Beurteilung, ob auf eine Anfechtung des Vertrags schlüssig verzichtet wurde, hat nach den Grundsätzen des § 863 ABGB zu erfolgen (RS0014146, RS0014420 [T18], RS0014436 [T1] uva). Ein stillschweigender Verzicht darf immer nur angenommen werden, wenn besondere Umstände darauf hinweisen, dass er vom konkludent Erklärenden ernstlich gewollt ist (vgl RS0014190 [T3]). Maßgeblich ist nach allgemeinen Grundsätzen das Verständnis, das ein redlicher Erklärungsempfänger von der konkludenten Willenserklärung gewinnen durfte und gewonnen hat (RS0014160 [T24]; RS0014205 [T18]). Auch der stillschweigende Verzicht muss nämlich dem anderen Teil gegenüber erklärt und von diesem angenommen werden (6 Ob 189/98g; Riedler in Schwimann/Kodek ABGB4 IV § 863 Rz 25 mwN).
1.3 Die Tatsachen, aus denen auf das Vorliegen eines schlüssigen Verzichts auf die Irrtumsanfechtung geschlossen werden kann, sind von jener Partei zu behaupten und zu beweisen, die sich auf den Verzicht beruft. Eine amtswegige Berücksichtigung ohne entsprechende Sacheinwendung der Partei ist ausgeschlossen (RS0014261; in diesem Sinn auch RS0118822).
2.
2.1 Die Beklagten bringen in ihrer Revision vor, dass die Klägerin im Verfahren erster Instanz kein Sachvorbringen zum konkludenten Verzicht auf die Irrtumsanfechtung erstattet habe; aus diesem Grund sei die in der Berufung enthaltene Argumentation zu einem schlüssigen Verzicht unzulässig, weil sie dem Neuerungsverbot widerspreche.
2.2 Wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, können neue rechtliche Gesichtspunkte ohne Verletzung des Neuerungsverbots vorgetragen werden, soweit ihnen das bisherige tatsächliche Vorbringen zugrunde gelegt werden kann (RS0016473 [T10]).
2.3 Prüft man unter diesen Gesichtspunkten das erstinstanzliche Vorbringen der Klägerin, findet sich der Begriff des schlüssigen, konkludenten oder stillschweigenden Verzichts auf das Irrtumsanfechtungsrecht nicht. Auch inhaltlich lässt sich aus großen Teilen des erstinstanzlichen Vorbringens der Klägerin dazu nichts ableiten.
In dem am eingebrachten, mit datierten Schriftsatz ON 8 werden aber doch einzelne Umstände geltend gemacht, die Anhaltspunkte für einen Verzichtswillen der Beklagten abgeben. Unter anderem wird darauf hingewiesen, dass die Beklagten die Planungen nach Erkennen ihres Irrtums weitergeführt haben, weswegen sie sich nicht darauf berufen könnten, dass sie die Optionsvereinbarung bei Kenntnis des Verkehrswertgutachtens nicht abgeschlossen hätten. Ansonsten hätten sie auch den Rücktritt schon im März 2015 erklärt und damit nicht zugewartet.
2.4 Aus diesem Vorbringen kann (gerade noch) abgeleitet werden, dass davon (auch) der Gegeneinwand des konkludenten Verzichts auf das Irrtumsanfechtungsrecht umfasst ist.
3.
3.1 Wie bereits unter 1.2 dargestellt, ist die Annahme eines stillschweigenden Verzichts nach einem besonders strengem Maßstab zu beurteilen (RS0014146 [T2]). Das Verhalten des Verzichtenden muss – aus Sicht des Erklärungsempfängers – bei Überlegung aller Umstände des Falls unter Berücksichtigung der im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche den eindeutigen, zweifelsfreien, zwingenden Schluss zulassen, er habe ernstlich verzichten wollen (vgl 2 Ob 275/98z SZ 71/179; RS0014146 [T5]). Es darf kein vernünftiger Grund zu zweifeln bleiben, dass der Betreffende mit seinem Verhalten genau diese Erklärung abgeben wollte (RS0014190 [T5]).
3.2 An diese Grundsätze knüpft auch die zum nachträglichen Verzicht auf die Geltendmachung des Irrtumsanfechtungsrechts bestehende Rechtsprechung an. Nach dieser, durchwegs älteren Rechtsprechung (näher Riedler in Schwimann/Kodek ABGB4 IV § 871 Rz 42) kann ein Verzicht auf die Irrtumsanfechtung darin liegen, dass sich der irrende Vertragspartner in Kenntnis des Irrtums weiter an den Vertrag hält (RS0014269 [T2]), etwa wenn er nach Entdecken des Irrtums weitere Lieferungen annimmt (RS0015867). Ein nachträglicher (schlüssiger) Verzicht ist aber nicht schon dann gegeben, wenn der Irrende nach Aufklärung nicht sofort anficht, sondern noch einen Wechsel unterschreibt und abwartet, ob das Geschäft für ihn günstig ist (4 Ob 501/63). Aus der Weiterverwendung einer gelieferten Sache kann im Allgemeinen nicht auf einen schlüssigen Verzicht auf die Irrtumgsanfechtung geschlossen werden (RS0014245 [T5]; vgl auch 6 Ob 100/75 SZ 48/103 zur Ablehnung eines Verzichts auf das Wandlungsrecht bei bloßer Weiterbenützung eines mangelhaften PKW).
3.3 Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen bei Überlegung aller Umstände nicht der zweifelsfreie Schluss gezogen werden, die Beklagten hätten gegenüber der Klägerin mit der gebotenen Eindeutigkeit zu erkennen gegeben, auf ihr Irrtumsanfechtungsrecht zu verzichten.
3.3.1 Die bloße Untätigkeit des Berechtigten ist für sich allein noch kein Grund, einen schlüssigen Verzicht annehmen zu können (RS0014190 [T9]). Mögen die Beklagten auch bis zur Geltendmachung des Anfechtungsrechts mit der Klägerin keinen Kontakt aufgenommen haben, lässt dieses bloße Schweigen nicht den eindeutigen Schluss zu, die Beklagten hätten ihr Recht auf Irrtumsanfechtung nachträglich aufgeben wollen. Gerade weil der Zweck des Optionsvertrags darin lag, die Überprüfung der Bebaubarkeit der Liegenschaft zu ermöglichen, kann ein redlicher Erklärungsempfänger dem Schweigen durchaus auch die Bedeutung beimessen, die Beklagten wollten gerade diese dem Zweck der Option entsprechende Prüfung vornehmen und daher vorerst am Projekt festhalten (was sie auch tatsächlich versuchten). Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, sie würden auf ein Irrtumsanfechtungsrecht auch für den Fall des Scheiterns ihrer Bemühungen verzichten.
3.3.2 Den Beklagten stand zur Irrtumsanfechtung die dreijährige Frist des § 1487 ABGB ab Vertragsabschluss offen, die ihnen die Irrtumsanfechtung sogar noch nach Auslaufen der Befristung des Optionsvertrags (mit ) ermöglichte. Die Ungültigkeit des Vertrags infolge eines von der Klägerin veranlassten Irrtums wurde im Dezember 2015 geltend gemacht. In welchem konkreten Verhalten der Beklagten bis zum Dezember 2015 ein für die Klägerin eindeutiger erkennbarer (nachträglicher) Verzichtswille liegen soll bleibt offen.
3.3.3 Dass die Beklagten die im Optionsvertrag – bis eingeräumte – „unentgeltliche“ Nichtausübung der Option nicht wahrgenommen haben, ermöglicht keine andere Beurteilung. Die Untätigkeit der Beklagten gegenüber der Klägerin bis hatte keinerlei Aussagekraft, war doch vereinbart, dass sie die Option bis ausüben können.
3.3.4 Damit kann dahingestellt bleiben, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass der Klägerin (und dem Makler) bis zur Geltendmachung der Ungültigkeit des Vertrags gar nicht zur Kenntnis gelangte, dass die Beklagten ihren Irrtum erkannt hatten.
3.4 Letztlich beruft sich das Berufungsgericht noch auf den Zweck des Optionsvertrags, während der Zeit der noch vorzunehmenden Prüfung der Bebaubarkeit den (anwaltlich vertretenen) Beklagten ihr Kaufrecht zu sichern. Damit wird ein bereits bei Abschluss des Optionsvertrags abgegebener schlüssiger Verzicht auf das Anfechtungsrecht wegen Irrtums angesprochen. Gerade bei einem anwaltlich verfassten Optionsvertrag wäre aber zu erwarten, dass ein Verzicht auf eine Irrtumsanfechtung in einer entsprechenden Vertragsklausel zum Ausdruck käme. Selbst unter Bedachtnahme auf das Motiv der Option kann aus dem Optionsvertrag nicht der eindeutige Schluss gezogen werden, dass darin die gesetzlich normierte Irrtumsanfechtung von vornherein ausgeschlossen werden sollte.
4. Als ist festzuhalten, dass bei Überlegung aller Umstände erhebliche Zweifel daran bestehen bleiben, dass die Beklagten schon bei Vertragsabschluss oder durch Untätigkeit im Nachhinein auf das Recht, den Optionsvertrag wegen Irrtums anzufechten, konkludent verzichtet hätten. Die vom Berufungsgericht für die Annahme eines konkludenten Verzichts ins Treffen geführten Umstände werden den Erfordernissen des § 863 ABGB nicht gerecht.
Der Revision der Beklagten ist daher dahin Folge zu geben, dass das das Klagebegehren abweisende Urteil des Erstgerichts, das bereits teilweise rechtskräftig geworden ist, wiederherzustellen ist.
II.
1. Nach ständiger Rechtsprechung (4 Ob 171/06k; RS0036069 [T1]) ist bei einer Wiederherstellung des Ersturteils auf die Argumente eines Kostenrekurses Bedacht zu nehmen, den das Berufungsgericht wegen der Abänderung in der Hauptsache nicht zu behandeln hatte.
2. Das Erstgericht hatte im vorliegenden Fall den am eingebrachten Schriftsatz der beklagten Parteien (ON 11) – weil nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienend – nicht honoriert. Außerdem wurde den beklagten Parteien der doppelte Einheitssatz mit der Begründung nicht zugesprochen, dass weder der Erstbeklagte noch der Zweitbeklagte in dem Ort wohnten, in dem der Beklagtenvertreter seinen Kanzleisitz hat, und ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Beklagten und dem Beklagtenvertreter nicht vorgebracht worden sei.
3. Der als „Äußerung“ bezeichnete, am eingebrachte Schriftsatz, der keinen zusätzlichen Beweisantrag erhielt, war als „vorbereitender Schriftsatz“ gemäß § 257 Abs 3 ZPO unzulässig. Wie bereits das Erstgericht ausgeführt hat, hätte das darin enthaltene ergänzende Vorbringen auch zu Beginn der nächsten Verhandlung erstattet werden können, weshalb dieser Schriftsatz nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nötig war. Die Beklagten haben für diesen Schriftsatz keinen Ersatzanspruch, auch nicht einen solchen nach TP 2 RATG als „sonstiger Schriftsatz“ (G. Kodek in Fasching/Konecny3 III/1 § 257 Rz 37 f).
4. Berechtigt sind die Argumente im Kostenrekurs insoweit, als auf das Vorliegen eines besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen den beklagten Parteien und ihren Vertretern hingewiesen wird, das den Zuspruch des doppelten Einheitssatzes rechtfertigt. Einer der Beklagtenvertreter hat im Auftrag der Beklagten bereits den Optionsvertrag erstellt. Zudem ergibt sich aus dem Protokoll über die Einvernahme dieses Beklagtenvertreters als Zeugen (ON 14, S 33), dass er und der Zweitbeklagte befreundet sind und er den Beklagten schon im Vorfeld des Rechtsstreits beratend zur Seite gestanden ist.
5. Im Verhältnis zu der im Kostenrekurs angestrebten Erhöhung der Kosten um insgesamt 2.010,24 EUR wäre der Kostenrekurs zu rund 66 % erfolgreich gewesen, weshalb den Beklagten – im Hinblick auf die Zweiseitigkeit des Kostenrekursverfahrens – der Ersatz von 33 % der Kosten ihres Kostenrekurses zuzusprechen ist (RS0126888).
6. Die Entscheidung über den Ersatz der Kosten der Berufungsbeantwortung und der Revision beruht auf den § 41, 50 ZPO.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0100OB00013.20I.0429.000 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.