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OGH vom 22.05.1986, 7Ob544/86

OGH vom 22.05.1986, 7Ob544/86

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*** K*** KG, Steyr, Haager Straße 58, vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei H*** J. W***, Baumeister, Säge- und Hobelwerk, Steyr, Rennbahnweg 2-4, vertreten durch Dr. Alfred Haslinger, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 1,447.725,76 s.A. und Feststellung (Streitwert S 61.000,-) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom , GZ 2 R 300/85-9, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Steyr vom , GZ 4 Cg 181/85-5, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 15.318,43 (darin S 1.392,58 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens und die mit S 18.371,10 (darin S 1.670,10 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin bringt vor, der Beklagte habe über ihren Auftrag bzw. über Auftrag ihres Rechtsvorgängers zwei Hallen auf ihrem Betriebsgelände errichtet. Teilgegenstand dieses Auftrages sei die Lieferung und Aufstellung von Holzleimbindern gewesen. Am sei eine der beiden Hallen eingestürzt, wobei die Ursache für den Einsturz der Bruch von zwei Holzleimbindern in der Dachkonstruktion gewesen sei. Es werde daher der Klagebetrag aus dem Titel des Schadenersatzes und der Gewährleistung begehrt und auch ein Feststellungebegehren gestellt.

Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes, weil der zwischen den Parteien abgeschlossene Werklieferungsvertrag eine Schiedsklausel enthalte.

Die Klägerin behauptet die Unwirksamkeit dieser Schiedsklausel zufolge mangelnder Bestimmtheit.

Das Erstgericht wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Es stellte fest, daß Punkt 13 des zwischen den Parteien am geschlossenen Vertrages wie folgt lautet:

"Als Gerichtsstand gilt der ordentliche Wohnsitz des Auftraggebers für vereinbart. Bei Zwistigkeiten wird ein Schiedsgericht gemäß den einschlägigen Normen bestellt."

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, es seien alle Voraussetzungen für die Gültigkeit der Schiedsklausel erfüllt. Unter "Zwistigkeiten" seien alle Streitigkeiten zwischen den Parteien aus dem dem Vertrag zugrundeliegenden Rechtsverhältnis zu verstehen. Eine Bestimmung über die Ernennung der Schiedsrichter brauche die Schiedsklausel nicht zu enthalten, weil dieser Vorgang im Gesetz geregelt sei. Mit den "einschlägigen Normen" seien die gesetzlichen Bestimmungen der ZPO gemeint.

Das Rekursgericht hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme von dem Zurückweisungsgrund der sachlichen Unzuständigkeit auf. Die von den Parteien gewählte Formulierung sei nicht bestimmt und verständlich. Es sei nicht eindeutig erkennbar, welche Normen von den Parteien als einschlägig angesehen worden seien. Außer einem Schiedsgericht nach den Bestimmungen der Zivilprozeßordnung könne zB ein Ständiges Schiedsgericht iS des § 5 lit f Handelskammergesetz gemeint sein.

Der Beklagte bekämpft den Beschluß des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs und beantragt, ihn dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde. Die Schiedsklausel sei entgegen der Ansicht der zweiten Instanz durchaus bestimmt. Unter den "einschlägigen Normen" könnten nur jene der Zivilprozeßordnung verstanden werden, weil Punkt 16.3. der Bauverträgen zugrundeliegenden Ö-Norm B 2110 zur Schlichtung von Streitigkeiten ein Schiedsgericht vorsehe, auf dessen Verfahren die einschlägigen Bestimmungen der Zivilprozeßordnung anzuwenden seien. Lasse eine Schiedsklausel mehrere Auslegungsergebnisse zu, sei jenem Ergebnis der Vorzug zu geben, das die Gültigkeit des Schiedsvertrages favorisiere.

Die Klägerin beantragt in der von ihr erstatteten Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Die vom Beklagten zitierte Bestimmung der Ö-Norm B 2110 kann bei Beurteilung der Frage der Bestimmtheit der gegenständlichen Schiedsklausel allerdings nicht berücksichtigt werden. Ö-Normen, die nicht durch konkrete Rechtsvorschriften (gemäß § 4 Abs 6 des Normengesetzes) für verbindlich erklärt wurden, haben nur dann Bedeutung, wenn sie durch Parteienvereinbarung Vertragsinhalt werden (SZ 42/171, JBl 1972, 200 ua). Eine Verbindlicherklärung der Ö-Norm B 2110 ist nicht erfolgt. Daß die Anwendung der Ö-Norm B 2110 im vorliegenden Fall vereinbart worden sei, wurde von den Parteien im Verfahren vor dem Erstgericht nicht behauptet und kann auch dem Auftrag vom , Beilage 1, nicht entnommen werden. Die Revisionsrekursbehauptung, die genannte Ö-Norm liege dem Bauvertrag zugrunde, stellt daher eine unzulässige Neuerung dar. Der Oberste Gerichtshof vermag sich jedoch der Ansicht des Rekursgerichtes, die festgestellte Klausel sei unbestimmt, nicht anzuschließen. Notwendiger Inhalt des Schiedsvertrages ist die genaue Bezeichnung der Parteien und des Streitfalls gemäß § 577 Abs 1 ZPO oder im Fall des § 577 Abs 2 ZPO die genaue Bezeichnung des bestimmten Rechtsverhältnisses, sowie die wirksame Willenserklärung, in diesen Fällen die Entscheidung durch Schiedsrichter oder ein Schiedsgericht treffen zu lassen. Für die Bezeichnung des Gegenstandes genügt es, wenn er in einem einheitlichen Vertragswerk einwandfrei umschrieben ist (Fasching, Komm. IV 727 f und Lehrbuch Rdz 2180). Andere Bestimmungen, wie etwa über die Besetzung und die Bestellung der Schiedsrichter, können fakultativ vorhanden sein, gehören aber nicht zum notwendigen Inhalt. Bei Fehlen etwa von Bestimmungen über die Besetzung und die Bestellung der Schiedsrichter ist § 580 ZPO heranzuziehen (Fasching aaO).

Da kein Zweifel daran bestehen kann, daß unter den in der im Auftrag vom enthaltenen Schiedsklausel genannten "Zwistigkeiten" solche aus eben diesem Vertrag und zwischen den Parteien dieses Vertrages zu verstehen sind, weist die vorliegende Schiedsvereinbarung den notwendigen Inhalt im Sinne der vorstehenden Ausführungen auf. Der Umstand, daß "ein Schiedsgericht gemäß den einschlägigen Normen" zu bestellen ist, macht die Vereinbarung nicht unbestimmt. Unter "einschlägigen Normen" können nur die Bestimmungen der §§ 577 ff ZPO verstanden werden. Diese wären auch dann anzuwenden, wenn der genannte Hinweis nicht vorhanden wäre. Es ist nicht einzusehen, weshalb unter den "einschlägigen Normen" gerade das Handelskammergesetz bzw. die nach § 5 lit f dieses Gesetzes einzurichtenden Ständigen Schiedsgerichte gemeint sein sollten, zumal der Kompetenzbereich eines derartigen institutionellen Schiedsgerichtes eng auszulegen (Fasching Komm. IV 704 f; vgl. hiezu auch Fasching Komm. II 24 f) und die Zuständigkeit eines Ständigen Schiedsgerichtes der Kammer der gewerblichen Wirtschaft (nach der vom Kammertag gemäß § 24 Abs 4 lit b beschlossenen Schiedsgerichtsordnung) nur dann gegeben ist, wenn die Parteien diese Zuständigkeit (ausdrücklich; vgl. § 2 der Schiedsgerichtsordnung Beilage 3 und Art. 1 Abs 2 lit a der Schiedsgerichtsordnung Beilage 2) vereinbart (sich ihr "unterworfen") haben.

Es bedarf deshalb nicht der Erwägung, daß dann, wenn der Wortlaut eines Schiedsvertrages zwei gleichwertige Auslegungsergebnisse zuläßt, jener Auslegung der Vorzug zu geben ist, die die Gültigkeit des Schiedsvertrages favorisiert (Fasching Komm. IV 733).

Der Revisionsrekurs erweist sich damit als berechtigt, so daß ihm Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden war. Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.