OGH vom 15.10.2020, 12Os113/20i

OGH vom 15.10.2020, 12Os113/20i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. MichelKwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter in Gegenwart des Schriftführers Mag. Nikolic in der Strafsache gegen Osatohanmwen I***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 38 Hv 38/20k31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Osatohanmwen I***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 (I.) sowie des Vergehens des Zuführens zur Prostitution nach § 215 StGB (II.) schuldig erkannt.

Danach hat er in R***** Sandra U*****

I. am mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie an den Haaren erfasste und nach hinten riss, sie unter Ausnützung seiner überlegenen Körperkraft auf das Bett niederdrückte und von hinten mit seinem Penis in ihre Scheide eindrang,

II. von Mitte August bis zum der Prostitution, also der Vornahme geschlechtlicher Handlungen oder Duldung geschlechtlicher Handlungen am eigenen Körper gegen Entgelt durch eine volljährige Person in der Absicht, sich oder einem Dritten durch die wiederkehrende Vornahme oder Duldung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 74 Abs 1 Z 9 StGB), zugeführt, indem er sie dazu veranlasste, am 23. und in seiner Wohnung mit insgesamt drei verschiedenen von ihm angeworbenen Männern geschlechtliche Handlungen gegen Entgelt vorzunehmen und hinsichtlich eines weiteren Mannes dazu zu veranlassen versuchte, um ihr durch die wiederkehrende Vornahme solcher Handlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Unvollständig im Sinn der Z 5 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt lässt. Die fehlende Erörterung dieser Verfahrensergebnisse macht die in Hinsicht auf entscheidende Tatsachen getroffenen Feststellungen aus formalen Gründen mangelhaft (RIS-Justiz RS0118316).

Mit dem zum Schuldspruch I. erstatteten Vorbringen, die Tatrichter hätten den – im Übrigen nicht entscheidende (vgl dazu Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399) – Umstand, wonach die beim Opfer festgestellten länglichen oberflächlichen Risse im Bereich des Dammes nicht zwingend auf das Tatgeschehen zurückzuführen seien, sondern auch oberflächliche Risse nach einer Rasur im Intimbereich sein könnten (US 9), „ungewürdigt“ gelassen, wird kein Begründungsmangel im Sinn des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes geltend gemacht. Vielmehr wendet sich der Beschwerdeführer damit nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Die Aussage der Zeugin Bianca B***** blieb dem Beschwerdevorbringen (Z 5 zweiter Fall) zuwider nicht unberücksichtigt (US 13).

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen verhindern (RIS-Justiz RS0118780). Mit eigenen Erwägungen zur Verantwortung des Angeklagten, der Aussage der Zeugin Bianca B***** und den Verletzungen des Opfers zeigt die Beschwerde zum Schuldspruch I. keine erheblichen Bedenken im Sinn des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes auf, sondern zielt neuerlich auf eine im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässige Überprüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung (vgl RIS-Justiz RS0100555).

Ausgehend von den Feststellungen zur subjektiven Tatseite zum Schuldspruch I., wonach es dem Angeklagten darauf ankam, durch Anwendung körperlicher Gewalt gegen den Willen der Sandra U***** den Geschlechtsverkehr mit dieser zu erzwingen (US 8), leitet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ihre Behauptung, diese Feststellungen würden für die Annahme der Tatbestandsmäßigkeit nach § 201 Abs 1 StGB nicht ausreichen, und es wären nähere Feststellungen zum fehlenden Einverständnis des Opfers zu treffen gewesen, nicht methodisch korrekt aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116565).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch II. übergeht prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0099724) die Feststellung, wonach es dem Angeklagten darauf ankam, die gesamte Lebensführung der Sandra U***** in jene einer Prostituierten umzuwandeln, wobei er gezielt auf sie einwirkte, ihr künftiges Einkommen ausschließlich aus der Prostitution zu beziehen und aus dieser eine fortlaufende Einnahme zu erzielen (US 7).

Weshalb es zur rechtsrichtigen Subsumtion nach § 215 StGB weiterer Feststellungen dazu bedurft hätte (Z 9 lit a), dass der Angeklagte Sandra U***** an ein Bordell oder an einen Callgirl-Ring vermittelt, ihr ein eigenes entsprechendes Quartier verschafft oder mit ihr verschiedene Lokale aufgesucht hätte, um dort Kunden anzuwerben, leitet der Nichtigkeitswerber nicht methodisch korrekt aus dem Gesetz ab (erneut RIS-Justiz RS0116565).

Auch mit der Rechtsrüge wird wiederum bloß die Beweiswürdigung des Schöffensenats angegriffen (vgl RISJustiz RS0099810 [T33]).

Mit der Behauptung, die verhängte Strafe sei durch den Erfolgs-, Handlungs- und Gesinnungsunwert der Taten nicht gerechtfertigt, „unverhältnismäßig hoch“ und zudem die gänzliche Unbescholtenheit des Angeklagten nicht ausreichend berücksichtigt worden, erstattet die Sanktionsrüge (Z 11) lediglich ein Berufungsvorbringen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00113.20I.1015.000

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