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OGH vom 30.06.2015, 10Ob13/15g

OGH vom 30.06.2015, 10Ob13/15g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Karl Heinz Plankel und andere Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die beklagte Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Lederer Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 19.151,17 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 106/14h 21, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 23 Cg 183/10b 17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.187,28 EUR (davon 197,88 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Über Vermittlung der Beklagten und nach Beratung durch deren Mitarbeiter Ing. W***** erwarb die Klägerin im Mai 2007 um 20.000 EUR Immofinanz und Immoeast Aktien. Als sie einen Kursverfall dieser Aktien 2008/2009 zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt wahrnahm, stellte sie erstmals fest, dass sie mit diesen Aktien ein Finanzprodukt erworben hatte, das weder dem Inhalt der Beratung des Ing. W***** noch vom Risiko und der Risikostreuung im „Portfolio“ her dem entsprach, was sie 2007 hatte erwerben wollen. Sie hat insgesamt 848,83 EUR an Dividendenausschüttungen erhalten.

Mit der am eingebrachten Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten Zahlung von 20.000 EUR sA wegen fehlerhafter Anlageberatung durch deren Mitarbeiter Ing. W***** im Zusammenhang mit dem Erwerb von Immofinanz und Immoeast Aktien.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestritt jede Fehlberatung.

In der Verhandlungstagsatzung am verzichtete die Beklagte „auf den Einwand der nicht gehörigen Fortsetzung des Verfahrens bis hinsichtlich der hier verfahrensgegenständlichen Ansprüche für den Fall des einfachen Ruhens“. „Sohin“ vereinbarten die Parteien einfaches Ruhen.

Mit dem am Montag, dem , im Elektronischen Rechtsverkehr beim Erstgericht eingebrachten Schriftsatz beantragte die Klägerin die Fortsetzung des Verfahrens. In der darauf anberaumten Verhandlungstagsatzung am schlossen die Parteien einen bedingten Vergleich. Nach dessen rechtzeitigem Widerruf durch die Beklagte wurde das Beweisverfahren in der Verhandlungstagsatzung vom fortgesetzt. Zuletzt erhob die Beklagte den Einwand der Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens. Die Klägerin erwiderte, der „Verzicht der nicht gehörigen Fortsetzung“ hemme auch eine materielle Verjährungsfrist.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren großteils (Kaufpreis abzüglich erhaltener Dividendenzahlungen) statt. Zur im Rechtsmittelverfahren allein erheblichen Verjährungsfrage führte es aus, der letzte Tag der vereinbarten Frist sei ein Sonntag gewesen, weshalb der am nächstfolgenden Werktag eingelangte Fortsetzungsantrag rechtzeitig gewesen sei. Mangelndes Interesse der Klägerin an der Fortsetzung des Verfahrens lasse sich aus ihrem Verhalten nicht ableiten. Darüber hinaus habe sich die Beklagte in das Verfahren weiter eingelassen, sodass ihr erst am Schluss des Verfahrens erhobener Verjährungseinwand verwirkt sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Da die Klägerin über die dreimonatige Dauer des in der Tagsatzung vom vereinbarten Ruhens hinaus ohne Angabe von Gründen mehr als ein Jahr untätig geblieben sei, könne an sich von keiner gehörigen Fortsetzung des mit der rechtzeitigen Klage angestrengten Verfahrens ausgegangen werden. Die Beklagte habe jedoch in dieser Tagsatzung auf den Einwand der Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens verzichtet und diesen Verzicht bis zum terminisiert. Nach dem auch auf Verjährungsfristen anwendbaren § 903 letzter Satz ABGB habe die Klägerin den Fortsetzungsantrag rechtzeitig gestellt. Aus der datumsmäßigen Fixierung eines Endtermins lasse sich keine Abbedingung des § 903 dritter Satz ABGB ableiten. Auch die Auslegungsregel des § 915 ABGB komme nicht in Betracht, liege doch keine undeutliche Erklärung vor. Selbst die restriktive Auslegung von Verzichtserklärungen helfe nicht weiter, dürfe doch ein Rechtsausübender auf den Bestand des § 903 dritter Satz ABGB vertrauen.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass es in Übereinstimmung mit der Lehre gegen die Rechtsprechung (4 Ob 546/92) zur restriktiven Auslegung eines terminisierten Verzichts entschieden habe.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin beantwortete Revision der Beklagten ist zwar zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin macht geltend, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sei die in § 903 letzter Satz ABGB normierte Ablaufhemmung abbedungen worden. Durch die Koppelung des Verjährungsverzichts an eine rechtzeitige Fortsetzung, spätestens bis zum , sei im Zweifel „die Fortsetzung im Verhältnis zwischen den Streitparteien daher vor dem einzubringen, wenn eine gerichtliche Antragstellung am nicht möglich“ sei. Die Frist sei durch Rechtsanwälte vereinbart worden, die regelmäßig Fristen zu berücksichtigen hätten, sodass diese immer darauf achteten, ob ein durch „Ziffern bestimmtes Fristende“ ein Sonntag oder anerkannter Feiertag sei. Aber auch bei einer allfälligen Unklarheit im Zusammenhang mit der konkreten Verzichtserklärung wäre diese nach ständiger Rechtsprechung restriktiv auszulegen.

Hiezu wurde erwogen:

1. Nach § 1497 ABGB wird die Verjährung durch eine Klage unterbrochen, wenn das Verfahren vom Kläger gehörig fortgesetzt wird. Den eigentlichen Unterbrechungsgrund bildet nicht die Klage, sondern das dem Kläger günstige Urteil, weshalb keine Unterbrechung eintritt, wenn das Klagebegehren abgewiesen wird (4 Ob 124/14k; RIS-Justiz RS0034655). Die Unterlassung der gehörigen Fortsetzung der Klage ist kein eigener selbständiger Verjährungsgrund. Die gehörige Fortsetzung der Klage ist vielmehr eine Voraussetzung für die durch die Einbringung der Klage grundsätzlich bewirkte Unterbrechung der Verjährung (7 Ob 596/87; RIS Justiz RS0034573). Keine gehörige Fortsetzung liegt nur dann vor, wenn der Kläger eine ungewöhnliche Untätigkeit an den Tag legt, die darauf schließen lässt, dass ihm an der Erreichung des Prozessziels nicht mehr gelegen ist (RIS Justiz RS0034765). Dabei ist nicht nur auf die Dauer der Untätigkeit, sondern vor allem auf die Gründe Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0034849). Der Kläger kann sich zur Rechtfertigung seiner Untätigkeit nur auf solche Gründe berufen, die im Verhältnis zwischen den Prozessparteien liegen (RIS-Justiz RS0034867, RS0034863). Die Frage, ob ein längeres Zuwarten mit der Verfolgung eines Anspruchs im Sinn des § 1497 ABGB noch hingenommen werden kann oder ob eine ungewöhnliche Untätigkeit vorliegt, aus der entnommen werden muss, dass es der Partei an dem erforderlichen Ernst zur Erreichung des Prozessziels fehlt, ist unter Berücksichtigung der Umstände des einzelnen Falls zu beantworten. Es ist Aufgabe des Klägers, beachtliche Gründe für die Untätigkeit und für die Nichtaufnahme oder Nichtfortsetzung des Verfahrens vorzubringen und erforderlichenfalls zu beweisen (RIS-Justiz RS0034805). Ein Ruhen des Verfahrens allein beseitigt die Unterbrechungswirkung nicht (RIS-Justiz RS0034719).

2. Das Berufungsgericht hat die Frage der gehörigen Fortsetzung im Sinn von § 1497 ABGB mit der Begründung verneint, dass die Klägerin über die dreimonatige Dauer des in der Tagsatzung vom vereinbarten Ruhens hinaus ohne Angabe von Gründen mehr als ein Jahr lang untätig geblieben sei. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass die Untätigkeit der Klägerin verjährungsrechtlich nur insoweit relevant ist, als sie in die Zeit nach Ablauf der (ursprünglichen) Verjährungsfrist fällt (1 Ob 165/09k; 4 Ob 191/10g; 17 Ob 9/11i, JBl 2011, 793 [ Kogler ]; Dehn in KBB 4 § 1497 Rz 11). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war der Klägerin aufgrund des zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt in den Jahren 2008/2009 wahrgenommenen Kursverfalls bekannt, dass die von ihr erworbenen Aktien nicht der gewünschten Anlage entsprechen. Zu diesem Zeitpunkt begann somit für sie die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB zu laufen (vgl 4 Ob 135/13a; 2 Ob 63/12x). Für den Beginn der Verjährungsfrist ist die Beklagte behauptungs und beweispflichtig (RIS Justiz RS0034456). Da sie einen früheren Verjährungsbeginn als Ende 2009 nicht bewies, ist von einem Verjährungsbeginn Ende 2009 auszugehen. Die Klage wurde daher lange vor Ablauf der Verjährungsfrist eingebracht und der Fortsetzungsantrag rund sechs Monate nach dem Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist gestellt. In der Entscheidung 6 Ob 822/81 (RIS-Justiz RS0034674) ist der Oberste Gerichtshof in einem Fall, in dem Ruhen des Verfahrens eingetreten war und beinahe ein Jahr nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist andauerte, von einer Verjährung mangels gehöriger Fortsetzung ausgegangen. Im vorliegenden Fall beruht die Nichttätigkeit der Klägerin nach Ablauf der Verjährungsfrist beinahe im gesamten Zeitraum auf der dahin zu verstehenden Erklärung der Beklagten, dass sie auf die Einrede der Verjährung verzichtet, wenn die Klägerin bis zum den Fortsetzungsantrag einbringt. Dieser Verzicht auf die Einrede vor Ablauf der Verjährungsfrist war zwar unwirksam (§ 1502 ABGB), doch gab die Beklagte damit zu erkennen, sie werde aus einer auch längeren Unterlassung der Fortsetzung des Rechtsstreits durch die Klägerin nicht auf deren mangelndes Interesse an einer gerichtlichen Austragung der Sache schließen (vgl 5 Ob 130/72, SZ 45/97). Im Hinblick darauf und auf den Umstand, dass die Klägerin das Verfahren schon am Tag nach dem Endtermin des Verzichts fortsetzte, liegt eine ungewöhnliche Untätigkeit der Klägerin nicht vor. Sie hat das Verfahren im Sinn des § 1497 ABGB gehörig fortgesetzt.

3. Wurde demnach gemäß § 1497 ABGB durch die Klagseinbringung die dreijährige Verjährungsfrist unterbrochen, ist die Einrede der Verjährung nicht begründet. Die vom Berufungsgericht für erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO gehaltene Rechtsfrage ist somit nicht präjudiziell, sodass hiezu nicht Stellung zu nehmen ist.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 52 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0100OB00013.15G.0630.000