OGH vom 31.08.1999, 10ObS101/99x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Elmar A. Peterlunger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Walter Benesch (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in den verbundenen Sozialrechtssachen der klagenden Parteien
1. Franz R*****, Pensionist, und 2. Maria Elisabeth R*****, Pensionistin, beide *****, beide vertreten durch Mag. Robert Scheiblmaier, Rechtsanwalt in Mattighofen, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, 1081 Wien, Josefstädterstraße 80, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kostenersatz (Streitwert jeweils S 3.070,--), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 270/98g-35, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 21 Cgs 316/95h-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Oberste Gerichtshof stellt beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art 89 Abs 2 B-VG den
Antrag,
gemäß Art 139 Abs 4 B-VG auszusprechen, daß Punkt 13 Abs 4 der am , und am beschlossenen, mit Erlässen des Bundesministers für soziale Verwaltung vom , und , Zln 26.619/2 - 3/1976, 26.619/1 - 3/1977 und 26.619/2 - 3/1977 genehmigten Krankenordnung der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, kundgemacht in den Amtlichen Verlautbarungen - Soziale Sicherheit vom in der Fassung der am beschlossenen, mit Erlaß des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom , Zl 26.619/1 - 5/1992 genehmigten 18. Änderung der Krankenordnung, kundgemacht in den Amtlichen Verlautbarungen - Soziale Sicherheit vom , der mit der am beschlossenen, mit Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom , Zl 26.619/1 - 5/96, genehmigten
20. Änderung der Krankenordnung, kundgemacht in den Amtlichen Verlautbarungen - Soziale Sicherheit vom (Nr 42/1996) außer Kraft gesetzt wurde, gesetzwidrig war.
Mit der Durchführung des Revisionsverfahrens wird gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes innegehalten.
Text
Begründung:
Beiden Klägern wurden von einem Facharzt für Neurochirurgie zur Linderung verschiedener Leidenszustände vor allem im Bereich der Wirbelsäule Thermalbäder verordnet.
Mit Bescheid der beklagten Partei vom wurde dem Antrag der Kläger vom auf Ersatz der Kosten dieser über ärztliche Verordnung in der Kuranstalt Wildbad-Einöd in Anspruch genommenen Thermalbäder gemäß §§ 52 Z 2 und 62 Abs 2 B-KUVG mit der Begründung nicht stattgegeben, daß es sich dabei nicht um eine notwendige Krankenbehandlung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn gehandelt habe.
Mit ihren dagegen erhobenen Klagen begehren die Kläger von der Beklagten die Zahlung von jeweils S 3.070,--, und zwar S 550,-- an Kosten für einen Zehner-Block zum zehnmaligen Eintritt in das Thermalbad und S 2.520,-- an Fahrtkosten zum Thermalbad im wesentlichen mit der Begründung, daß es sich dabei um Kosten einer notwendigen Krankenbehandlung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn gehandelt habe.
Die beklagte Partei bestritt die Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und wendete im wesentlichen ein, daß gemäß Pkt 13 Abs 4 der Krankenordnung der beklagten Partei Bäder, die nicht den für Heilbäder geltenden Voraussetzungen - dh Verabfolgung nach ärztlicher Vorschrift unter ärztlicher Aufsicht in ärztlich geleiteten Kuranstalten - entsprechen, nicht auf Rechnung der beklagten Partei gewährt werden. Die von den Klägern in Anspruch genommenen Thermalbäder erfüllten nicht diese Voraussetzungen, weil sie weder unter ärztlicher Aufsicht erfolgt seien, noch dabei physiotherapeutische Leistungen erbracht worden seien.
Das Erstgericht wies die beiden Klagebegehren ab. Den Klägern stehe ein Kostenersatz für die von ihnen in Anspruch genommenen Thermalbäder nach § 62 B-KUVG iVm Pkt 13 Abs 4 der Krankenordnung der beklagten Partei nicht zu. Die Kuranstalt Wildbad-Einöd erfülle zwar grundsätzlich die Voraussetzungen, die für ein Heilbad gefordert werden, doch seien die von den Klägern konsumierten Bäder ohne ärztliche Hilfe und Aufsicht und ohne (begleitende) medizinische Behandlung durchgeführt worden. Der von den Klägern (neben den Fahrtkosten) begehrte Betrag von je S 550,-- betreffe nur die Kosten für einen Zehner-Block, der zum zehnmaligen Eintritt in den Thermalbadbereich berechtigt habe. Damit seien aber nicht sämtliche Voraussetzungen für einen Kostenersatz nach Pkt 13 Abs 4 der Krankenordnung erfüllt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge. Bei Thermalwasser handle es sich zwar um ein Heilmittel im Sinne des § 64 Abs 1 Z 2 B-KUVG, aus der Bestimmung des § 62 Abs 2 B-KUVG gehe jedoch die Absicht des Gesetzgebers hervor, die von den öffentlichen Krankenversicherungsträgern zu erbringenden Leistungen nicht ausufern zu lassen. Gewisse im Verordnungsweg verfügte Einschränkungen der Ersatzleistungen bezüglich der Inanspruchnahme solcher Mittel seien daher als gesetzeskonform anzusehen.
Nach Pkt 13 Abs 4 der als Verordnung zu wertenden Krankenordnung der beklagten Partei werden Bäder, die nicht den für Heilbäder geltenden Voraussetzungen - dh Verabfolgung nach ärztlicher Vorschrift unter ärztlicher Aufsicht in ärztlich geleiteten Kuranstalten - entsprechen, insbesondere auch Hand-, Fuß- und Sitzbäder, die auch im Hause des Kranken bereitet werden können, nicht auf Rechnung der beklagten Partei gewährt. Eine Kostenübernahme von Thermal- oder Heilbädern durch die beklagte Partei habe daher nicht nur zur Voraussetzung, daß die Kuranstalt unter ärztlicher Leitung stehe, sondern auch, daß die Verabreichung der Bäder nach ärztlicher Vorschrift und unter ärztlicher Aufsicht erfolge. Hier werde nur die zuerst genannte Voraussetzung erfüllt, da die Kuranstalt Wildbad-Einöd (insgesamt) unter ärztlicher Leitung stehe, nicht jedoch die zweitgenannte Voraussetzung, daß die einzelnen von den Klägern in Anspruch genommenen Bäder nach ärztlicher Vorschrift und unter ärztlicher Aufsicht verabreicht worden seien. Die Abweisung der beiden Klagebegehren durch das Erstgericht sei daher zu Recht erfolgt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung als nichtig aufzuheben, hilfsweise die Entscheidung im Sinne einer Stattgebung der Klagebegehren abzuändern. Ebenfalls hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Die beklagte Partei hat sich zur Begründung ihres Antrages auf Abweisung der Klage auf die Bestimmung des Punktes 13 Abs 4 der Krankenordnung berufen: Diese hatte folgenden Wortlaut:
"13........-
(4) Bäder, die nicht den für Heilbäder geltenden Voraussetzungen - dh Verabfolgung nach ärztlicher Vorschrift unter ärztlicher Aufsicht in ärztlich geleiteten Kuranstalten - entsprechen, insbesondere auch Hand-, Fuß- und Sitzbäder, die auch im Hause des Kranken bereitet werden können, werden nicht auf Rechnung der BVA gewährt."
Am wurde vom Vorstand der beklagten Partei die 20. Änderung der Krankenordnung beschlossen. In dem dabei nach Pkt 74 neu eingefügten Pkt 75 wird nunmehr bestimmt, daß unter anderem Pkt 13 Abs 4 der Krankenordnung auf Sachverhalte, die sich nach Ablauf des Tages der Kundmachung der 20. Änderung ereignen, nicht mehr anzuwenden ist. Die Kundmachung dieser vom Bundesminister für Arbeit und Soziales mit Bescheid vom genehmigten Änderung der Krankenordnung (bei dem im abschließenden Absatz der 20. Änderung der Krankenordnung verwendeten Ausdruck "Satzung" handelt es sich offensichtlich um ein Redaktionsversehen) erfolgte in den Amtlichen Verlautbarungen in der Zeitschrift "Soziale Sicherheit" vom .
Der den Kostenersatzbegehren der Kläger zugrundeliegende Sachverhalt ereignete sich noch im Jahr 1995 und damit vor Inkrafttreten der 20. Änderung der Krankenordnung. Die Bestimmungen des Punktes 13 Abs 4 sind bei der Prüfung des Anspruches der Kläger auch anzuwenden, weil sich die beklagte Partei und die Vorinstanzen in der Begründung der Abweisung des Kostenersatzbegehrens ausdrücklich auf diese Bestimmung gestützt haben. Der im Kapitel "Arzthilfe" enthaltene Pkt 13 Abs 4 Krankenordung legt fest, daß die Kosten für Bäder, die nicht den für Heilbäder geltenden Voraussetzungen entsprechen, von der beklagten Partei nicht ersetzt werden. Diese Bestimmung stellt sich somit offenkundig als Durchführungsbestimmung zu § 62 Abs 2 B-KUVG dar. Wenn die Voraussetzungen für einen im Gesetz eingeräumten Anspruch in einer Verordnung näher determiniert sind bzw sich in der Verordnung diesbezügliche Beschränkungen finden, so ist der Anspruch auf der Grundlage der Verordnung zu prüfen. Solange eine wirksame Verordnung besteht, die einen Anspruch ausschließt, bildet die Verordnung die Entscheidungsgrundlage und es ist unzulässig, unter Übergehung der Verordnung die die Grundlage der Verordnung bildenden gesetzlichen Bestimmungen als Anspruchsgrundlage heranzuziehen (vgl 10 ObS 380/98z). Pkt 13 Abs 4 der Krankenordnung ist daher für die vorliegende Entscheidung präjudiziell.
Die Satzung der Versicherungsträger ist ihrer Struktur nach eine Verordnung (VfSlg 5422, 3709 ua); dasselbe gilt für die Krankenordnung der Versicherungsträger (SVSlg 9833 ua). Gemäß § 158 B-KUVG gelten hinsichtlich der Satzung, Krankenordnung und Geschäftsordnungen der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter die Bestimmungen des Abschnittes VII des Achten Teiles des ASVG. Gemäß § 456 ASVG hat der Träger der Krankenversicherung eine Krankenordnung aufzustellen, die insbesondere die Pflichten der Versicherten und der Leistungsempfänger im Leistungsfalle, das Verfahren bei der Inanspruchnahme von Leistungen der Krankenversicherung und die Kontrolle der Kranken zu regeln hat. Demgegenüber wird in Pkt 13 Abs 4 der Krankenordnung nicht eine der genannten Angelegenheiten geregelt, sondern es wird darin festgelegt, unter welchen Voraussetzungen von der beklagten Partei die Kosten für Bäder ersetzt werden. Für eine solche Regelung fehlt aber die gesetzliche Grundlage im B-KUVG. Auch die Verwendung des Wortes "insbesondere" im § 456 ASVG vermag keine gesetzliche Deckung für die im Pkt 13 Abs 4 der Krankenordnung getroffene Regelung abzugeben, weil sonst § 456 ASVG mangels hinreichender Determinierung selbst verfassungswidrig wäre (VfSlg 13.236).
Abschließend wird noch darauf hingewiesen, daß der Verfassungsgerichtshof zu V 102/98 die Bestimmung des Punktes 33 der Krankenordnung der beklagten Partei samt seinem Anhang als gesetzwidrig aufgehoben hat, weil dort entgegen dem § 456 ASVG Regelungen über die Anspruchsvoraussetzungen für den Kostenersatz für Zahnersatz enthalten waren.