OGH vom 18.02.2003, 10ObS407/02d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Georg Eberl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dimitrie D*****, Balletttänzer, ***** vertreten durch Dr. Günther Fornara, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Hans Pernkopf, Rechtsanwalt in Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 177/02g-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 30 Cgs 143/01y-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der am geborene Kläger besuchte über einen Zeitraum von neun Jahren eine choreographische Schule in Rumänien, die er mit einem Diplom abschloss. Anschließend war er fünf Jahre in Rumänien an einem Opernhaus als Balletttänzer tätig. Von November 1972 bis 1974 war er als Balletttänzer am Stadttheater Klagenfurt, danach am Opernhaus Graz und dann wieder am Stadttheater Klagenfurt beschäftigt. Von 1977 bis 1980 übte er seine Tätigkeit aufgrund eines Bühnenvertrages in Salzburg aus.
Seit 1980 leitet er seine eigene Ballettschule in Klagenfurt. Er beschäftigt keine Mitarbeiter, weshalb ihm neben dem Unterricht von Ballettschülern, wozu insbesondere das Erlernen und Vorzeigen von Ballettfiguren zählt, auch die Kundenwerbung und alle Bürotätigkeiten obliegen. Er unterliegt seit 1980 nicht mehr der Pflichtversicherung nach dem ASVG, sondern ist bis heute freiwillig weiterversichert. Der Kläger kann aufgrund seiner Leiden, darunter Schmerzsyndrom der Wirbelsäule aufgrund von Bandscheibendegenerationen und -vorwölbungen in mehreren Etagen im HWS- und LWS-Bereich mit geringfügigen neurologischen Affektionen, Arthrose der rechten Hüfte und Stimmungsstörung, die eine deutlich geringere psychische Belastbarkeit bedingt, nur mehr leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten im Sitzen, Gehen und Stehen im Raum und im Freien verrichten. Kontinuierlich stehende Arbeiten sind durchschnittlich jeweils mit einer halben Stunde und insgesamt mit etwa einem Drittel der Tagesarbeitszeit zu limitieren. Auszuscheiden sind wiederholte Arbeiten über Kopf, in gebückter Körperstellung, in exponierten Positionen, in unebenem Gelände, bei schlechter Beleuchtung, in Zwangshaltungen, mit Ganzkörpervibrationsbelastung, unter ständigem Termindruck sowie Tätigkeiten, die längerdauernde bzw anhaltende oder überdurchschnittlich hohe konzentrative Aufmerksamkeitsleistung erfordern.
Der Kläger kann seine bisherigen Tätigkeiten als Balletttänzer und Ballettmeister nicht mehr ausüben, weil diese Berufe auch regelmäßiges Tanztraining von täglich mehreren Stunden erfordern, um die körperliche Kondition und die Kontrolle der Bewegungen aufrechtzuerhalten bzw zu steigern. Da alle Bewegungen einer Ballettgruppe ganz genau aufeinander abgestimmt sein müssen, erfordern die Arbeit und die Proben viel Disziplin und oftmalige Wiederholungen einzelner getanzter Details, die Fähigkeit zur Zusammenarbeit, eine gewisse Reaktionsfähigkeit und Merkfähigkeit, insbesondere betreffend Schrittkombinationen, Pausenlängen etc. Weiters muss eine generelle Lernfähigkeit betreffend die Neueinstudierung von Stücken und eine psychische Belastbarkeit im Hinblick auf unregelmäßige Arbeitszeiten gegeben sein. Diese beschriebenen Anforderungen sind dem Kläger aufgrund seines medizinischen Leistungskalküls nicht mehr zumutbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt es weitaus mehr als 100 Tätigkeiten, die dem medizinischen Leistungskalkül des Klägers entsprechen.
Das Erstgericht wies das auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß gerichtete Begehren des Klägers ab. Es ging bei seiner Entscheidung davon aus, dass der Kläger als ausgebildeter Balletttänzer zwar innerhalb seiner Berufsgruppe nicht mehr verweisbar sei, ein Balletttänzer jedoch ähnlich einem Berufsfußballer keinen Berufsschutz genieße, weil auch diese Tätigkeit von vornherein eine zeitlich befristete und somit vorübergehende Erwerbsquelle darstelle. Selbst bei völliger Gesundheit könnten Balletttänzer ihre Tätigkeit "altersbedingt" nur über eine relative kurze Zeitspanne ausüben und sei die Aufnahme einer anderen Erwerbstätigkeit - schon vor Beginn der Tätigkeit als Balletttänzer - bis zum Erreichen des Regelpensionsalters unvermeidbar und kennzeichne die Tätigkeit eines Balletttänzers. Der Kläger habe daher schon bei Beginn der Tätigkeit mit einem späteren Berufswechsel rechnen müssen. Da es am allgemeinen Arbeitsmarkt noch ausreichende Verweisungstätigkeiten gebe, die seinem medizinischen Leistungskalkül entsprechen, sei er nicht berufsunfähig. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es aussprach, dass der Anspruch auf Berufsunfähigkeitspension für den Zeitraum bis zu Recht bestehe, und der beklagten Partei die Erbringung einer vorläufigen Zahlung auftrug. Es verwies in seinen Rechtsausführungen darauf, dass der Kläger unbestritten zur beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten leistungszugehörig und diese für ihn leistungszuständig sei. Ungeachtet dessen sei bei der Prüfung eines Pensionsanspruches wegen geminderter Arbeitsfähigkeit die tatsächlich verrichtete Tätigkeit des Versicherten entscheidend. Die arbeitsvertragliche Einstufung als Arbeiter oder Angestellter sei nicht maßgeblich.
Die Frage des Stellenwertes der Zeiten der freiwilligen Versicherung bezogen auf den Berufsschutz werde von der Rechtsprechung so beantwortet, dass diese Zeiten quasi "neutrale" Zeiten seien, weshalb auch ohne Bedeutung sei, ob eine Tätigkeit und welche Tätigkeit in diesem Zeitraum verrichtet worden sei. Daraus folge, dass die Tätigkeit des Klägers als Leiter einer Ballettschule für die Frage der Berufsunfähigkeit keine Rolle spiele.
Es sei daher zu prüfen, ob die Tätigkeit eines Balletttänzers eine Angestelltentätigkeit sei. Der Aufgabenbereich von Balletttänzern umfasse die tänzerische Gestaltung von Ballettaufführungen sowie die Darstellung von Tanzeinlagen in Opern, Operetten, Musicals und Varietees oder bei Film- oder Fernsehaufnahmen. Ausgehend vom klassischen Bühnentanz bedienten sie sich dabei der ganzen tänzerisch-künstlerischen Ausdrucksformen. Die gestaltenden Elemente der Tänzer sei die Rhythmik, die Gestik und die Mimik. Für künstlerische Berufe wie den des Balletttänzers gebe es keine ausschließlichen verbindlichen Ausbildungswege. Der Zugang könne neben den Wegen über Studien an Kunsthochschulen, Konservatorien, Schauspielschulen unter anderem auch über Praxis in verwandten Berufsfeldern führen. Für den beruflichen Erfolg seien vor allem die musikalischen und künstlerischen Fähigkeiten ausschlaggebend. Als höhere Dienstleistung komme nach der Rechtsprechung jede Arbeit in Betracht, die - ohne dass ein bestimmter Studiengang vorausgesetzt werde - doch in die Richtung der Betätigung entsprechende Vorkenntnisse und Schulung, Vertrautsein mit den Arbeitsaufgaben und eine gewisse fachliche Durchdringung desselben verlange, also nicht rein mechanisch ausgeübt werde und nicht von einer zufälligen Ersatzkraft geleistet werden könne. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes könne kein Zweifel daran bestehen, dass ein Balletttänzer, der wie der Kläger eine neunjährige Ausbildung an einer choreographischen Schule absolviert habe und die dargestellten Aufgaben wahrnehme, eine Angestelltentätigkeit ausübe, weil diese künstlerische Tätigkeit der dargestellten Definition der höheren nicht kaufmännischen Dienstleistungen entspreche.
Anders als im § 255 ASVG, wo es auf die während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübte Tätigkeit ankomme, werde im § 273 Abs 1 ASVG nicht von den letzten 15 Jahren gesprochen. Die maßgebliche "zuletzt nicht nur vorübergehende ausgeübte Tätigkeit" als Angestellter sei auch dann erheblich, wenn sie mehr als 15 Jahre zurückliege. Im Falle des Klägers handle es sich bei der bis 1980 ausgeübten Tätigkeit als Balletttänzer um die Angestelltentätigkeit, die das Verweisungsfeld bestimme. Da er diese Tätigkeit ebensowenig ausüben könne wie eine Verweisungstätigkeit innerhalb seiner Berufsgruppe, sei er berufsunfähig.
Die in Anlehnung an die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes SSV-NF 12/146 vertretene Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass die Tätigkeit eines Balletttänzers ebenso wie die eines Berufsfußballers eine von vornherein befristete und somit vorübergehende Erwerbsquelle darstelle, werde vom Berufungsgericht nicht geteilt, zumal im genannten Verfahren festgestellt worden sei, dass die Tätigkeit eines Berufsfußballers von vornherein mit einem Lebensalter von 27 bis 30 Jahren (bei Tormännern etwas darüber) zeitlich begrenzt sei und vom Bewusstsein getragen werde, dass der überwiegende Teil des Berufslebens in zeitlicher Hinsicht außerhalb der aktiven Fußballertätigkeit liege. Im gegenständlichen Verfahren sei keine solche Feststellung getroffen worden. Es sei auch gerichtsbekannt, dass viele Balletttänzer ihre Karriere keineswegs Ende 20 beenden, sondern noch viele Jahre länger tätig seien. So gingen Balletttänzer bei den Bundestheatern häufig nach 28 Dienstjahren in Pension. Andere Tänzer - wie der Kläger - übten später einen Beruf ihrer Berufsgruppe (zB Tanzschullehrer oder Choreograph) aus.
Da der Kläger aufgrund seiner medizinischen Einschränkungen nach den Feststellungen nicht mehr als Balletttänzer tätig sein könne und auch keine Verweisungstätigkeit innerhalb seiner Berufsgruppe ausüben könne, sei er berufsunfähig nach § 273 Abs 1 ASVG, weshalb ihm die begehrte Berufsunfähigkeitspension vorerst befristet für den Zeitraum von 24 Monaten zustehe. Obzwar der Kläger seine Ballettschule weiterführe, falle die Berufsunfähigkeitspension seit dem Stichtag an, weil § 86 Abs 2 ASVG nur die Aufgabe der Tätigkeit verlange, aufgrund der der Versicherte als berufsunfähig gelte (= Tätigkeit als Balletttänzer).
Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung des klageabweisenden Ersturteiles abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.
Eingangs ist festzuhalten, dass die Bezeichnung der beklagten Partei amtswegig von "Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten" auf "Pensionsversicherungsanstalt" zu berichtigen war, weil mit alle Rechte und Verbindlichkeiten der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten auf die neu errichtete Pensionsversicherungsanstalt als Gesamtrechtsnachfolger übergingen (§ 538a ASVG idF 59. ASVG Nov BGBl I Nr 1/2002).
Die beklagte Partei bekämpft in ihren Revisionsausführungen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes insoweit, als das Berufungsgericht die vom Obersten Gerichtshof in seiner Entscheidung SSV-NF 12/146 für Berufsfußballer entwickelten Grundsätze nicht auch auf den vorliegenden Fall angewandt habe. Sowohl Berufsfußballer als auch Balletttänzer könnten ihre Tätigkeit selbst bei völliger Gesundheit schon "altersbedingt" nur eine relativ kurze Zeitspanne lang ausüben. Deswegen entrichteten Ballettmitglieder auch einen um 25 % höheren Pensionsbeitrag als sonstige Bundestheaterbedienstete. Die Revisionswerberin räume jedoch ein, dass das Ausstiegsalter bei Balletttänzern (von maximal 43 Jahren) etwas höher liege als bei Berufsfußballern. Der Kläger habe seine Tätigkeit als Balletttänzer bereits im Alter von 31 Jahren beendet. Sowohl bei Berufsfußballern als auch bei Balletttänzern herrrsche das Bewusstsein vor, dass diese Tätigkeit nicht während des überwiegenden Teiles eines durchschnittlichen Berufslebens ausgeübt werden könne. Es könne daher den Mitgliedern der Solidargemeinschaft nicht zugemutet werden, aus den Erträgnissen ihrer in der Regel bis zum Erreichen des Regelpensionsalters ausgeübten "normalen Erwerbstätigkeit" diejenigen Beiträge aufzubringen, aus denen die Invalidität der noch jungen ehemaligen Berufsfußballer oder Balletttänzer eine Pensionsleistung bewirke, obwohl diese Personen unstrittig noch fähig seien, im normalen Erwerbsleben eine Tätigkeit gewinnbringend auszuüben. Für Berufsfußballer und Balletttänzer gelte auch gleichermaßen, dass ihre Tätigkeit besonders gefahrengeneigt sei, weil die berufstypische Überbeanspruchung und die naheliegenden Verletzungsfolgen geeignet seien, die Laufbahn noch vor Eintritt der altersbedingten Ungeeignetheit zu beenden.
Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:
Wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung SSV-NF 12/146 (= ZAS 1999/24 [Holzer] = DRdA 1999/52 [B. Karl]) ausgeführt hat, setzen die Bestimmungen über die Versicherungsfälle der geminderten Arbeitsfähigkeit als Leitbild des bisherigen Berufes regelmäßig eine Tätigkeit voraus, die potentiell zumindest bis zum
57. bzw 60. Lebensjahr, regelmäßig aber bis zum 65. Lebensjahr ausgeübt werden kann. Die Intention des Gesetzgebers ist somit grundsätzlich darauf gerichtet, den Versicherten bis zur Erreichung der für den Anfall der Alterspension vorgesehenen Altersgrenzen ("Regelpensionsalter") im Erwerbsleben zu halten. Diese Intention kommt besonders deutlich in der grundsätzlichen Befristung der Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit zum Ausdruck. Im Gegensatz zur Alterspension ist die Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nicht als dauernde Pension gedacht und wird daher grundsätzlich nur befristet zuerkannt. Erst wenn das Anfallsalter für eine Alterspension erreicht wird, soll die Pension dauernd gebühren (B. Karl aaO 385).
Dem Umstand, dass manche Berufe aufgrund der damit verbundenen besonderen körperlichen oder geistigen Anforderungen auch potentiell regelmäßig nicht bis zum Erreichen des Regelpensionsalters ausgeübt werden können, wird durch entsprechende Sonderregelungen Rechnung getragen (vgl § 275 Abs 1 ASVG: Anspruch auf Knappschaftssold nach Vollendung des 45. Lebensjahres; Art X NSchG: Anspruch auf Sonderruhegeld nach Vollendung des 57. bzw 52. Lebensjahres). Da auch Ballettmitglieder bereits aufgrund der körperlichen Anforderungen in der Regel nicht in der Lage sind, bis zum Erreichen der Grenze für den ("normalen") dauernden Ruhestand ihren Beruf auszuüben, hat ein Bundestheaterbediensteter gemäß § 2a Bundestheaterpensionsgesetz (BThPG) unter anderem Anspruch auf Versetzung in den zeitlichen Ruhestand, wenn er dauernd unfähig geworden ist, einen seiner Ausbildung, seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechenden Dienst in den Bundestheatern zu versehen, aber das 60. Lebensjahr (seit der Novelle BGBl I 95/2000 bzw nach ihrer Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof BGBl I 86/2001 das 738. Lebensmonat = 61,5 Jahre) noch nicht vollendet hat. Tatsächlich werden bei den Bundestheatern Balletttänzer häufig nach Beendigung des 28. Dienstjahres in den zeitlichen Ruhestand versetzt, wobei bei Bediensteten des Ballettkorps in den Bundestheatern nach Vollendung des 15. Lebensjahres zurückgelegte Dienstzeiten angerechnet werden (§ 7 Abs 1 Z 1 BThPG). Die Ballettmitglieder, die im Durchschnitt vom
15. bis zum 42. Lebensjahr arbeiten, haben somit eine Sonderstellung, zumal sie aufgrund der berufsbedingten körperlichen Abnützungserscheinungen nicht in der Lage sind, wie andere Arbeitnehmer ihren Beruf bis zur Vollendung des 60. bzw 65. Lebensjahres auszuüben. Aus diesem Grund entrichten sie auch einen um 25 % höheren Pensionsbeitrag als sonstige Bundestheaterbedienstete (vgl Noll, Tänzer iR in ZAS 2001, 167 ff).
Die Berufskarriere eines Balletttänzers unterscheidet sich jedoch in wesentlichen Punkten von jener eines Berufsfußballers. Ein Unterschied besteht zunächst regelmäßig schon darin, dass die Ausbildung zum Balletttänzer oft schon in sehr jungen Jahren beginnt und, wie die erwähnte Anrechnungsbestimmung zeigt, die Tätigkeit oftmals schon nach Vollendung des 15. Lebensjahres berufsmäßig ausgeübt wird. Demgegenüber verrichtet der Berufsfußballer vor Aufnahme des Berufssports in der Regel eine andere Berufstätigkeit, wie auch der der Entscheidung SSV-NF 12/146 zugrunde liegende Sachverhalt zeigt. Während Berufsfußballer ihre Tätigkeit selbst bei völliger Gesundheit schon "altersbedingt" nur eine relativ kurze Zeitspanne, regelmäßig nicht weit über das 30. Lebensjahr hinaus, ausüben können, arbeitet ein Ballettmitglied, wie erwähnt, im Durchschnitt vom 15. bis zum 42. Lebensjahr. Aus der Sicht des Berufsfußballers stellt sich seine Tätigkeit somit als eine von vornherein nur zeitlich befristete, also eine nur vorübergehende Erwerbsquelle dar und es liegt daher die Rückkehr in die vor Aufnahme des Berufssports verrichtete Berufstätigkeit oder die Aufnahme einer anderen "normalen Erwerbstätigkeit" schon von Beginn dieser Tätigkeit an als in absehbarer naher Zukunft unvermeidbar im Blickfeld des Berufsfußballers. Die Notwendigkeit der Rückkehr in einen "normalen" Beruf nach absehbar vorübergehender Zeit kennzeichnet somit die Tätigkeit des Berufsfußballers in unverwechselbarer Weise (vgl SSV-NF 12/146). Demgegenüber liegt das "Ausstiegsalter" bei Balletttänzern, wie auch die Revisionswerberin selbst einräumt, in der Regel deutlich höher als bei Berufsfußballern. Zutreffend verweist der Kläger in diesem Zusammenhang darauf, dass der Beruf als Balletttänzer manchmal auch noch über das 42. Lebensjahr hinaus ausgeübt werden kann (vgl beispielsweise die beiden Kläger im Verfahren 9 ObA 23/02a, die im Alter von 49 bzw 43 Jahren in den zeitlichen Ruhestand versetzt wurden). Weiters ist auch die beim Berufsfußballer dargestellte "Notwendigkeit der Rückkehr in einen normalen Beruf nach absehbar vorübergehender Zeit" beim Balletttänzer nicht in vergleichbarer Weise gegeben, da dieser seinen Beruf in der Regel über einen längeren Zeitraum hindurch ausübt und deshalb beispielsweise durch die erwähnten Bestimmungen des Bundestheaterpensionsgesetzes für ihn auch eine entsprechende Absicherung gegen den durch das Absinken der Arbeitskraft bedingten Entfall des Arbeitseinkommens vorgesehen ist. Darüber hinaus üben Balletttänzer, wie auch bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nach ihrer aktiven Zeit oftmals einen Beruf ihrer Berufsgruppe (zB Ballettmeister, Tanzschullehrer oder Choreograph) bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze aus. Im Hinblick auf diese dargestellten Unterschiede kann dem von der Revisionswerberin noch erwähnten Aspekt der Gefahrengeneigtheit beider Tätigkeiten jedenfalls keine entscheidende Bedeutung zukommen (vgl auch B. Karl und Holzer aaO, nach deren übereinstimmender Ansicht die Gefahrengeneigtheit einer Tätigkeit in diesem Zusammenhang überhaupt nicht zu berücksichtigen sei). Das Berufungsgericht hat somit zu Recht die in der Entscheidung SSV-NF 12/146 für Berufsfußballer entwickelten Grundsätze nicht auf den Kläger angewandt.
Es ist jedoch noch zu prüfen, ob für den Kläger Verweisungstätigkeiten in Betracht kommen. Bei der Bestimmung des Verweisungsfeldes ist der Umstand ins Kalkül zu ziehen, dass die Tätigkeit als aktiver Balletttänzer nicht bis zum Regelpensionsalter ausgeübt werden kann. Entspricht es der üblichen Berufslaufbahn, dass ein Baletttänzer nach Beendigung seiner aktiven Berufslaufbahn als Choreograph, Tanzschullehrer oder in ähnlichen einschlägigen Berufen tätig ist, muss auch eine Verweisung des Versicherten auf solche Tätigkeiten als zulässig angesehen werden. Ob eine solche Verweisung für den Kläger noch in Betracht kommt, wurde von den Vorinstanzen bisher nicht geprüft. Aus der - rechtlichen - Beurteilung des Erstgerichtes, dass der Kläger als ausgebildeter Balletttänzer nicht verweisbar sei, ergibt sich nicht, ob auch eine Tätigkeit des Klägers im beschriebenen Verweisungsfeld nicht mehr möglich ist. Gegebenenfalls wird auch zu klären sein, ob eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen in möglichen Verweisungsberufen vorhanden ist. Insoweit erweist sich das Verfahren als ergänzungsbedürftig, weshalb der Revision Folge zu geben war. Da es offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, war unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.