OGH vom 15.01.2002, 10ObS407/01b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Herbert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Eveline J*****, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Hans Pernkopf, Rechtsanwalt in Wien, wegen Neubemessung der Alterspension, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 286/01i-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 1 Cgs 7/01b-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am geborene Klägerin bezieht seit von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten eine vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer (§ 253b ASVG). Während des Pensionsbezuges arbeitete die Klägerin wiederholt kurzzeitig bei der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse, und zwar vom bis , vom bis , vom bis , vom bis sowie vom bis . Während dieser Zeiträume bezog die Klägerin infolge des Wegfalles des Pensionsanspruches gemäß § 253b Abs 2 ASVG keine Pension.
Mit Bescheid der beklagten Partei vom wurde der Antrag der Klägerin vom auf Neubemessung ihrer vorzeitigen Alterspension gemäß § 261b ASVG mit der Begründung abgelehnt, dass nach dieser Gesetzesstelle nur volle Kalendermonate des Wegfalles der Pension, in denen eine Pflichtversicherung nach dem ASVG, GSVG, BSVG oder FSVG vorgelegen sei, für die Neubemessung berücksichtigt werden könnten. Da bei der Klägerin kein voller Kalendermonat des Wegfalles der Pension vorliege, sei ihr Antrag auf Neubemessung der Pension nicht berechtigt.
Das Erstgericht wies das dagegen erhobene Klagebegehren ab und schloss sich der Rechtsansicht der beklagten Partei an. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und erkannte die beklagte Partei schuldig, die Alterspension der Klägerin ab unter Berücksichtigung der Versicherungszeiten Mai 1997, Mai 1998 sowie Mai und Juli 1999 gemäß § 261b ASVG neu zu bemessen. Nach seiner Rechtsansicht verfolge die Bestimmung des § 261b ASVG den Zweck, dass den Versicherten, deren vorzeitige Alterspension wegen einer Erwerbstätigkeit weggefallen sei, wenigstens die Berücksichtigung dieser Zeiträume in Form des erhöhten Steigerungsbetrages ab Erreichen des Anfallsalters für die Alterspension zugute kommen solle. Zwar stelle die Bestimmung des § 261b Abs 5 ASVG ebenso wie jene des Abs 3 zunächst auf Kalendermonate ab, doch erscheine dies insofern unproblematisch, als die zwölf Kalendermonate ohnehin ein gesamtes Jahr abdecken und somit eine sprachliche Unterscheidung zwischen Kalendermonat und Versicherungsbzw Beitragsmonat nicht erforderlich scheine. Nach § 261b Abs 3 dritter Satz ASVG, auf den § 261b Abs 5 ASVG verweise, wird ein Rest von weniger als zwölf Monaten in der Weise berücksichtigt, dass für jeden restlichen Monat ein Zwölftel des um 1 verminderten Faktors zu errechnen und die Summe dieser Beträge aus den restlichen Monaten um 1 erhöht wird. In dieser "Aliquotierungsregelung" falle auf, dass nicht mehr von Kalendermonaten sondern nur noch von "Monat" die Rede sei. Gemäß § 231 Z 1 lit a ASVG sei jeder Kalendermonat, in dem mindestens Versicherungszeiten in der Dauer von 15 Tagen oder zwei ganzen Beitragswochen, für die der Beitrag nach Beitragsklassen berechnet worden ist, oder eine solche Beitragswoche und acht Tage an sonstigen Versicherungszeiten liegen, ein Versicherungsmonat. Gemäß lit b dieser Gesetzesstelle seien dann, wenn in einem Kalendermonat nicht Versicherungszeiten in dem in lit a angegebenen Mindestausmaß vorliegen, diese Versicherungszeiten solchen in den nachfolgenden Kalendermonaten desselben Kalenderjahres, die nicht schon nach lit a Versicherungsmonate sind, solange zuzuschlagen, bis in einem Kalendermonat Versicherungszeiten in dem in lit a angegebenen Mindestausmaß vorliegen; dieser Kalendermonat ist sodann ein Versicherungsmonat. Der letzte im Kalenderjahr liegende Kalendermonat, in dem - auch nach dem Zuzählen von Versicherungszeiten aus vorangegangenen Kalendermonaten - Zeiten vorliegen, die das Mindestausmaß nach lit a nicht erreichen, gelte jedenfalls als Versicherungsmonat.
Im vorliegenden Fall habe die Klägerin in den Jahren 1997 bis 2000 jeweils - wenn auch auf zwei Kalendermonate aufgeteilt - nahezu ein ganzes Monat gearbeitet, im Jahr 1999 sogar zwei Monate. Aus der zitierten Bestimmung des § 231 Z 1 lit a ASVG ergebe sich bereits zweifelsfrei, dass jedenfalls der Mai jedes Jahres sowie der Juli 1999 als Versicherungsmonat (Beitragsmonat) zu gelten haben. Durch das Abstellen auf Kalendermonate könne die Anwendung des sogenannten "Resttagsmonats" gemäß lit b zweiter Satz ausgeschlossen werden, es bestehe aber keine Veranlassung für die Annahme, dass jene Monate, in denen mindestens an 15 Tagen eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt worden sei, die letztlich auch zum Wegfall der Pension geführt habe, nicht als "Monat" im Sinn des § 261b Abs 3 dritter Satz ASVG gelten sollten. Nach Auffassung des Berufungsgerichtes sei daher bei Anwendung dieser Aliquotierungsbestimmung letztlich auf jene "Kalendermonate" abzustellen, die als Beitragsmonate im Sinn des § 231 ASVG zu werten seien und in denen es zum Wegfall der Pension wegen einer Erwerbstätigkeit gekommen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Wird im Fall der Gewährung einer Gleitpension gemäß § 253c ASVG die neben dem Pensionsbezug ausgeübte Erwerbstätigkeit eingestellt, und verzichtet der (die) Versicherte auf die Gleitpension oder vollendet der (die) Versicherte das 65. Lebensjahr (das 60. Lebensjahr), so gebührt dem (der) Versicherten gemäß § 261b Abs 1 ASVG ein erhöhter Steigerungsbetrag, der nach den Absätzen 3 und 4 zu berechnen ist. Danach ist der Prozentsatz des Steigerungsbetrages der Pension, von der die Teilpension berechnet wurde, 1. für je zwölf Kalendermonate des Bezuges der Teilpension bei einer Teilpension von mehr als 60 % mit dem Faktor 1,01 und bei einer Teilpension von 40 % bis 60 % mit dem Faktor 1,02 und 2. für je zwölf Kalendermonate des Wegfalles der Teilpension gemäß § 253c Abs 6 mit dem Faktor 1,04 zu vervielfachen. War ein Jahresausgleich durchzuführen, so ist die gemäß § 92 Abs 1 ermittelte Teilpension für die Faktorenzuordnung maßgebend. Ein Rest von weniger als zwölf Monaten wird in der Weise berücksichtigt, dass für jeden restlichen Monat ein Zwölftel des um 1 verminderten Faktors zu errechnen und die Summe dieser Beträge aus den restlichen Monaten um 1 erhöht wird. Der sich ergebende Faktor ist auf fünf Dezimalstellen zu runden (§ 261b Abs 3 ASVG). Der mit dem Faktor erhöhte Hundertsatz ist auf die zum Monatsersten nach Einstellung der Erwerbstätigkeit (Bemessungszeitpunkt) neu zu ermittelnde Bemessungsgrundlage anzuwenden (§ 261b Abs 4 ASVG). In den Fällen der §§ 253a und 253b ASVG, in denen die Pension wegen einer Erwerbstätigkeit weggefallen ist, gebührt dem (der) Versicherten gemäß § 261b Abs 2 ASVG ab dem Erreichen des Anfallsalters für die Alterspension gemäß § 253 Abs 1 ein erhöhter Steigerungsbetrag, der gemäß Abs 5 und 6 zu berechnen ist. Danach ist der Hundertsatz des Steigerungsbetrages der Pension für je zwölf Kalendermonate des Wegfalls der Pension, in denen eine Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz, dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz, dem Sozialversicherungsgesetz der frei beruflichen selbständig Erwerbstätigen oder dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz bestanden hat, mit dem Faktor 1,015 zu vervielfachen. Abs 3 dritter und 4. Satz sind anzuwenden (§ 261b Abs 5 ASVG). Der mit dem Faktor erhöhte Hundertsatz ist auf die zum Monatsersten nach Vollendung des 65. (60.) Lebensjahres (= Bemessungszeitpunkt) neu zu ermittelnde Bemessungsgrundlage anzuwenden (§ 261b Abs 6 ASVG).
Zutreffend verweist die Revisionswerberin darauf, dass den soeben erwähnten Berechnungsregeln nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut (Wortinterpretation) "Kalendermonate" und nicht Versicherungsmonate im Sinn des § 231 ASVG zugrunde liegen (vgl auch Teschner/Widlar, MGA, ASVG 74. ErgLfg Anm 3 zu § 261b ASVG; Radner ua, BSVG3 Anm 4 ff zur vergleichbaren Bestimmung des § 134 BSVG). Es muss insbesondere auch die Bestimmung des § 261b Abs 3 dritter Satz ASVG, auf die § 261b Abs 5 ASVG verweist, im Zusammenhang mit der Regelung des § 261b Abs 3 erster Satz ASVG gesehen werden (Auslegung nach dem Bedeutungszusammenhang), in der wie auch in der Bestimmung des § 261b Abs 5 ASVG ausdrücklich von "Kalendermonaten" die Rede ist. Dass § 261 Abs 3 dritter Satz ASVG nur in diesem Sinne zu verstehen ist und es sich bei der Verwendung des Begriffes "Kalendermonat" im ersten Satz des Absatzes auch nicht um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers gehandelt hat, zeigt insbesondere der von der Revisionswerberin mit Recht geltend gemachter Umstand, dass die Pensionen jeweils für ein Monat ausbezahlt werden (§ 104 Abs 2 ASVG) und die Gleitpension gemäß § 253c Abs 6 ASVG nur für ganze Kalendermonate wegfallen kann. Nach zutreffender Rechtsansicht der Revisionswerberin sind daher auch für die Berechnung des Prozentsatzes des erhöhten Steigerungsbetrages gemäß § 261b Abs 5 ASVG nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers nur volle Kalendermonate des Wegfalls der Pension zu berücksichtigen. Es liegt somit auch keine Gesetzeslücke vor, die durch eine analoge Anwendung der Regelung über den Begriff des Versicherungsmonates im § 231 ASVG geschlossen werden müsste.
Da bei der Klägerin unbestritten kein einziger voller Kalendermonat des Wegfalls der Pension vorliegt, sind die Voraussetzungen für die Neubemessung der Pension nach § 261b ASVG nicht erfüllt. Es erübrigt sich somit ein Eingehen auf die Frage, ob für eine Neubemessung der Pension nach § 261b Abs 5 ASVG bereits das Vorliegen eines einzigen vollen Kalendermonats des Wegfalls der Pension genügt oder ob dafür insgesamt zumindest zwölf (volle) Kalendermonate vorliegen müssen. Es war daher in Stattgebung der Revision der beklagten Partei das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.