OGH vom 11.06.2001, 8Ob313/00p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Gerhard B*****, Rechtsanwalt in Wien, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der B***** & Co GmbH, *****, wider die beklagte Partei Wilhelm R*****, vertreten durch Dr. Josef Lachmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 72.658,36 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 37 R 354/00h-19, mit der infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom , GZ 7 C 1084/99t-14, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin erkannt, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 18.594,08 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 1.995,68 USt und S 6.620,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Über das Vermögen der B***** & Co GmbH wurde mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Die nunmehrige Gemeinschuldnerin ist Miteigentümerin einer Liegenschaft, die jedenfalls seit Anfang 1997 vom Beklagten verwaltet wird.
Die nunmehrige Gemeinschuldnerin vermietete und vermietet seit Dezember 1997 die Objekte 5, 6 und 7 dieser Liegenschaft, die kraft ausdrücklicher Nutzungsvereinbarung mit den der Gemeinschuldnerin gehörenden Liegenschaftsanteilen verbunden sind, an Stanislaw Eugen K*****. Das Mietverhältnis ist aufrecht, vereinbart wurde für diese Objekte jeweils ein Nettomietzins von S 5.000 wertgesichert, zuzüglich Betriebskosten, Heizungsbeitrag und USt.
Mit rechtskräftigem und vollstreckbarem Versäumungsurteil wurde die nunmehrige Gemeinschuldnerin verpflichtet, dem Beklagten S 351.997,80 sA zu bezahlen. Eine entsprechende Forderung wurde vom Beklagten als Konkursgläubiger im gegenständlichen Konkursverfahren angemeldet.
Im Zeitraum bis wurden vom Beklagten Mieteinnahmen aus der Vermietung der drei Wohnungen in Höhe von insgesamt S 72.658,36 einbehalten.
Schon lange vor diesen Ereignissen räumte die Rechtsvorgängerin der nunmehrigen Raiffeisenlandesbank N***** der späteren Gemeinschuldnerin einen Kredit ein. Am wurde eine Pfandbestellungsurkunde errichtet und unter anderem vereinbart "zur Sicherstellung aller Forderungen an Haupt- und Nebenverbindlichkeiten aller Art bis zu einem Höchstbetrag von S 17,600.000, welche die Gläubigerin gegen den Schuldner aus im Inland beurkundeten, bereits gewährten oder künftig zu gewährenden Geld-, Haftungs- oder Garantiekrediten zu stellen berechtigt ist oder zu stellen berechtigt sein wird" die damals der späteren Gemeinschuldnerin zur Gänze gehörige Liegenschaft als Simultanpfand zu bestellen. Weiters trat die spätere Gemeinschuldnerin mit dieser Urkunde (Punkt XI) die Hauptmietzinse an dieser Liegenschaft ab und bewilligte, dass diese Abtretung iSd § 42 MRG grundbücherlich angemerkt werde. Es wurde vereinbart, dass die spätere Gemeinschuldnerin die eingehenden Hauptmietzinse treuhändig verwahren und nach Maßgabe der Fälligkeiten ausschließlich an die kreditgewährende Bank überweisen oder überweisen lassen werde. Entsprechend dieser Vereinbarung wurde tatsächlich das Höchstbetragspfandrecht einverleibt und die Abtretung der Hauptmietzinse angemerkt. Der Rechtsnachfolgerin der Kreditgeberin stehen nach wie vor Forderungen gegen die nunmehrige Gemeinschuldnerin in einer Höhe zu, die den gegenständlichen Klagsbetrag übersteigt. Sie betreibt derzeit die Zwangsversteigerung der der Gemeinschuldnerin noch gehörigen Liegenschaftsanteile wegen einer Forderung von S 100.000 sA.
Der klagende Masseverwalter begehrte zuletzt die Bezahlung von S 72.658,36 sA und brachte zusammengefasst vor, der beklagte Hausverwalter behalte unter anderem seit der Konkurseröffnung von ihm vereinnahmte Mietzinse solange ein, bis die aus dem Versäumungsurteil resultierende Schuld getilgt sei; er habe den klagsgegenständlichen Betrag mit seiner Forderung, die bereits zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung bestanden habe, gegenverrechnet. Der Beklagte sei jedoch mit seiner vor Konkurseröffnung erworbenen Forderung als Konkursgläubiger zu qualifizieren und habe diese Forderung konsequenter Weise als Konkursforderung angemeldet. Hinsichtlich der von ihm in seiner Eigenschaft als Hausverwalter nach Konkurseröffnung vereinnahmten Mietzinszahlungen sei er verpflichtet, diese an die Konkursmasse abzuführen. Die von ihm vorgenommene Aufrechnung seiner als Konkursforderung zu qualifizierenden Ansprüche mit dem Klagsbetrag sei gemäß § 20 Abs 1 KO unzulässig.
Der beklagte Hausverwalter beantragte die Klagsabweisung und wandte ua ein, dass die Gemeinschuldnerin ihre Mietzinsansprüche sicherungsweise an die genannte Bank abgetreten habe, weshalb diese gemäß § 10 KO absonderungsberechtigt sei. Der Anspruch auf Mietzins stünde nicht mehr dem Vermieter, sondern dem Zessionar zu.
Das Erstgericht wies die Klage ab, weil der Sicherungszessionar im Außenverhältnis uneingeschränkter Forderungsinhaber sei, und dem Masseverwalter infolge dessen keine Verfügungsberechtigung über die Mietzinse, insbesondere keine Klagsberechtigung zukomme.
Über Berufung des Klägers hob das Berufungsgericht das angefochtene Urteil auf, verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil "ein Fall wie der vorliegende, bei dem vom Masseverwalter die Herausgabe einer Sache, an der ein Absonderungsrecht bestehe, begehrt werde, von der höchstgerichtlichen Judikatur noch nicht behandelt" worden sei.
Es bejahte mit dem Erstgericht eine wirksame Sicherungsabtretung, hielt aber die Rechtsansicht des Erstgerichtes für unzutreffend, dass der Kläger als Masseverwalter im Konkurs der Gemeinschuldnerin nicht zur Geltendmachung der Forderung berechtigt sei. Es meinte, dass die Sicherungsabtretung grundsätzlich eine echte Zession sei, nicht bloße Verpfändung, wenn auch die für eine pfandrechtliche Begründung vorgeschriebene Form eingehalten werde müsse. Die abgetretene Forderung scheide aus dem Vermögen des bisherigen Gläubigers für die Dauer der Wirksamkeit der Sicherungsabtretung aus und gehe in das Vermögen des Sicherungsnehmers über. Dem bisherigen Gläubiger verbleibe bei der Sicherungsabtretung lediglich ein Anspruch auf Rückabwicklung der Forderung, sobald der Sicherungszweck weggefallen sei. Wenngleich also auch bei der Sicherungszession der Zessionar nach außen hin das volle Recht erwerbe, stehe dem im Konkurs des Zedenten doch die Bestimmung des § 10 Abs 3 KO entgegen, wonach der Sicherungszessionar keinen Aussonderungs-, sondern nur einen Absonderungsanspruch habe, er also wie im Falle einer Verpfändung zu behandeln sei. Diese bloß für den Konkurs des Sicherungszedenten geltende Bestimmung des § 10 Abs 3 KO stelle eine Spezialnorm zur sonstigen Regel dar, dass der Sicherungszessionar wie auch jeder andere Zessionar das volle Recht an der Forderung erwerbe. Infolge dessen sei der Masseverwalter trotz dieser sicherungsweisen Abtretung im Konkurs zur Geltendmachung der Forderung berechtigt. Die Frage, in welcher Form Absonderungsrechte zu verwerten seien - ob nämlich durch den Pfandgläubiger oder durch den Masseverwalter - stelle sich hier nicht, weil der Beklagte hier sozusagen ein Dritter sei, von dem die dem Gemeinschuldner zustehende Sache herauszugeben sei. Im fortgesetzten Verfahren sei daher von der aktiven Klagslegitimation auszugehen und die übrigen Einwendungen des Beklagten zu prüfen, was das Erstgericht infolge der Verneinung der Aktivlegitimation des Klägers unterlassen habe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der beklagten Hausverwaltung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Wiederherstellung des Ersturteils.
Der Kläger beantragt den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.
Der Beklagte bekämpft ua die Aktivlegitimation des Masseverwalters; dieser Einwand ist berechtigt.
Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die Sicherungszession wirksam zustande gekommen ist, weil die abzutretenden Forderungen hinreichend bestimmt und die notwendigen Publizitätsvorschriften, die den pfandrechtlichen entsprechen müssen, eingehalten worden sind; diesbezüglich genügt es auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Sicherungsübereignung und Sicherungszession sind nach herrschender Lehre und Rechtsprechung (für alle Koziol in Koziol/Welser Bürgerliches Recht I11 360 ff, insb 361, 364 mwN; SZ 50/150 ua) Fälle eigennütziger Treuhand; der Gläubiger erhält die nach außen uneingeschränkte Stellung eines Eigentümers oder Forderungsinhabers, ist jedoch im Innenverhältnis gegenüber dem Sicherungsgeber entsprechend der Sicherungsabrede treuhändig gebunden. Dem bisherigen Gläubiger (Sicherungszedenten) verbleibt bei der Sicherungsabtretung lediglich ein Anspruch auf Rückabwicklung der Forderung, sobald der Sicherungszweck weggefallen ist. Dem Sicherungszessionar steht also im Außenverhältnis das Vollrecht zu.
Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung vom , 3 Ob 31, 32/81, SZ 54/89, unter Berücksichtigung der bisherigen Lehre und Rechtsprechung darlegt, dass das Recht des Sicherungseigentümers oder -zessionars keine grundsätzliche Änderung durch die Konkurseröffnung, insbesondere durch § 10 Abs 3 KO erfährt. Nur innerhalb des Konkursverfahrens wird er auf die Rechte eines Absonderungsgläubigers eingeschränkt. Was allerdings die Verwertung von sicherungsweise abgetretenen Forderungen betrifft, treibt der Gläubiger und Sicherungsnehmer selbst und nicht der Masseverwalter die Forderung ein und hat ein allfälliges Übermaß dem Masseverwalter auszufolgen (siehe Bartsch/Pollak Komm KO, AO, AnfO I3 § 119 KO Rz 36; Petschek/Reimer/Schiemer Insolvenzrecht 604; auch in der Denkschrift 113, wonach man von diesen Sicherungseigentümern eine Verwertung ihrere Deckungsgegenstände im Konkurs nicht verlangen könne, wird vorausgesetzt, dass das Verwertungsrecht beim Sicherungseigentümer verbleibt). In der neueren Lehre wird - bis auf Frotz (aktuelle Probleme des Kreditsicherungsrechts 123 ff), der die Sperrwirkung des Sicherungseigentums im Konkurs, aber auch in der Einzelzwangsvollstreckung beseitigen und den gesicherten Gläubiger auf die Pfandvorrechtsklage verweisen will - die Aktivlegitimation des Sicherungseigentümers gar nicht in Zweifel gezogen, aber die (analoge) Anwendung des § 120 Abs 3 KO auch auf den Sicherungszessionar befürwortet, damit überschießende Deckungen den anderen Gläubigern nicht vorenthalten werden können (siehe Burgstaller, Das Pfandrecht in der Exekution 154 ff; E. Walter, Die Treuhand im Exekutions- und Insolvenzverfahren 132 ff; Deixler-Hübner in Konecny/Schubert Insolvenzgesetze § 10 KO Rz 41; Apathy in Bartsch/Pollak/Buchegger Insolvenzrecht I § 10 KO Rz 24). Da nicht einmal behauptet wurde, dass der Kläger bezüglich der gegenständlichen Forderung einen Antrag gemäß § 120 Abs 3 KO gestellt hätte, erübrigt es sich, zu dieser Frage Stellung zu nehmen und ist jedenfalls die Aktivlegitimation des klagenden Masseverwalters zu verneinen.
Dies muss auch dann gelten, wenn sich die Sache bei einem beliebigen Dritten befindet, zB wenn wie hier der Schuldner die abgetretenen Mietzinsforderungen vereinbarungsgemäß nicht an den Sicherungszessionar, sondern an einen Dritten, hier den Hausverwalter des Sicherungszedenten, bezahlt hat. Der Masseverwalter des Sicherungszedenten (Hauseigentümers) kann die Herausgabe des sich beim Hausverwalter befindlichen Mietzinses nicht begehren, zumal eine Rückzession der Forderung vom Sicherungszessionar (Bank) an den Gemeinschuldner zwecks Eintreibung vom Hausverwalter bzw Aufrechnung mit Forderungen des Hausverwalters weder behauptet noch festgestellt wurde. Eine gewillkürte Prozessstandschaft, auf die sich der Kläger im Übrigen gar nicht beruft, wird von der österreichischen Rechtsprechung ebenso wie von der überwiegenden Lehre abgelehnt (hiezu Fasching Lb2 Rz 344 f mwN).
Die aktive Klagslegitimation des Masseverwalters ist daher zu verneinen. Infolge dessen erübrigt es sich auf die übrigen Einwendungen des Beklagten einzugehen. Die Rechtssache ist vielmehr spruchreif im klagsabweisenden Sinn, weshalb die erstgerichtliche Entscheidung wiederherzustellen ist.