VfGH vom 10.10.1996, B1088/93

VfGH vom 10.10.1996, B1088/93

Sammlungsnummer

14644

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Vorschreibung einer Zapfsäulenabgabe an Tankstellenbesitzer; kein Verstoß des Sbg ZapfsäulenabgabeG gegen das Determinierungsgebot, gegen das Eigentums- und das Gleichheitsrecht sowie gegen das Gebot der Einheitlichkeit des Wirtschaftsgebietes

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführer sind Betreiber einer öffentlichen Tankstelle im Bundesland Salzburg. Aus Anlaß der Erlassung des Gesetzes vom über die Erhebung einer Zapfsäulenabgabe, LGBl. für das Land Salzburg Nr. 51 (in der Folge: ZapfsäulenabgabeG), beantragten sie die Feststellung, daß sie nicht verpflichtet seien, die Zapfsäulenabgabe zu entrichten. Mit Bescheid des Landesabgabenamtes Salzburg vom wurde ihre Abgabepflicht für das Jahr 1992 festgestellt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom abgewiesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Nach Ansicht der Beschwerdeführer handle es sich beim ZapfsäulenabgabeG nicht um eine Abgabe im Sinne des F-VG, sondern um eine Lenkungsmaßnahme, die nach der allgemeinen Kompetenzverteilung des B-VG den Kompetenztatbeständen des Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG ("Luftreinhaltung, unbeschadet der Zuständigkeit der Länder für Heizungsanlagen") und Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG ("Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie") zuzuordnen sei. § 1 Abs 2 und § 3 ZapfsäulenabgabeG widersprächen Art 18 B-VG; das ZapfsäulenabgabeG verstoße überdies gegen Art 4 B-VG, sowie gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums.

3. Die Salzburger Landesregierung hat die Verwaltungsakten vorgelegt und führte hiebei aus:

"Die der belangten Behörde eingeräumte Möglichkeit, anläßlich dieses Beschwerdeverfahrens gem. Art 144 B-VG eine Gegenschrift zu erstatten, in welcher die Argumente des Beschwerdeführers hinsichtlich der behaupteten Verfassungswidrigkeit des Gesetzes über die Erhebung einer Zapfsäulenabgabe, LGBl. Nr. 51/1992, im Detail bereits entkräftet werden könnten, wird nicht wahrgenommen. Es sei jedoch in diesem Zusammenhang grundsätzlich angemerkt, daß die Salzburger Landesregierung die Verfassungskonformität des zitierten Gesetzes annimmt."

4. Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst hat auf Einladung des Verfassungsgerichtshofes eine Stellungnahme zu den in der Beschwerde aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken erstattet, in der es der Auffassung der Beschwerde, das Salzburger ZapfsäulenabgabeG sei nicht als Abgabe im finanzverfassungsrechtlichen Sinn, sondern als eine materielle Regelung einer Angelegenheit anzusehen, zu der dem Landesgesetzgeber die Zuständigkeit fehlt, beitritt. Hingegen teilt das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst die hinsichtlich der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie Art 4 B-VG geäußerten Bedenken nicht.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (s. Erkenntnis vom G 12/95) - Beschwerde erwogen:

Zunächst sei festgehalten, daß das ZapfsäulenabgabeG inzwischen mit Gesetz vom , LGBl. für das Land Salzburg Nr. 142, aufgehoben wurde.

1. Aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde beschloß der Verfassungsgerichtshof am , die Verfassungsmäßigkeit des § 1 ZapfsäulenabgabeG gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen im Hinblick auf kompetenzrechtliche Bedenken zu prüfen.

2. Mit Erkenntnis vom G12/95 sprach der Verfassungsgerichtshof aus, daß § 1 des Gesetzes vom über die Erhebung einer Zapfsäulenabgabe, LGBl. für das Land Salzburg Nr. 51, nicht verfassungswidrig war. Die von den Beschwerdeführern geäußerten kompetenzrechtlichen Bedenken treffen sohin nicht zu.

3. Die Beschwerdeführer vermeinen, das ZapfsäulenabgabeG verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot des Art 18 Abs 1 B-VG.

3.1. Aus dem Gesetz sei nicht ersichtlich, in welchem Ausmaß die Verdampfung von Kraftstoffen beim Betanken zu unterbinden sei bzw. die Rückführung der Kraftstoffdämpfe in den Lagerbehälter zu erfolgen habe, um in den Genuß des Befreiungstatbestandes gemäß § 1 Abs 2 leg.cit. zu gelangen. Die nur beispielhafte Anführung des Gaspendelverfahrens als geeignete Maßnahme räume der Behörde "offenkundig ein schrankenloses Ermessen" ein, das Art 18 und Art 130 Abs 2 B-VG widerspreche.

Auf diese Bedenken, welche sich ausschließlich gegen § 1 Abs 2 ZapfsäulenabgabeG richten, war mangels Präjudizialität dieser Bestimmung nicht näher einzugehen.

3.2. Einen weiteren Verstoß gegen das Determinierungsverbot erblicken die Beschwerdeführer darin, daß das ZapfsäulenabgabeG in seinem § 3 als Abgabepflichtigen den Eigentümer der Anlage bestimmt, obwohl "die Eigentümerstruktur einer Tankstelle in der Regel nicht eindeutig" sei. Häufig hätten die Teile einer Tankstellenanlage wie Grundstück, Treibstoffkessel, Rohranlage, Zapfanlage und sonstige bauliche Einrichtungen nicht denselben Eigentümer. Bauliche Einrichtungen würden oft aufgrund eines Superädifikates gebaut. Der Kessel gehöre jemandem anderen, und die Rohrleitungen mit der Zapfsäule wieder jemandem anderen, wobei nicht gänzlich bezahlte Zapfanlagen meist unter Eigentumsvorbehalt des Verkäufers stünden oder sich auch im Eigentum einer Leasinggesellschaft befänden.

Gegen § 3 ZapfsäulenabgabeG bestehen unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebotes des Art 18 Abs 1 B-VG keine Bedenken.

Gemäß Art 18 Abs 1 B-VG darf die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden. In ständiger Rechtsprechung legt der Verfassungsgerichtshof nicht nur dar, daß daher bereits im Gesetz die wesentlichen Voraussetzungen und Inhalte des behördlichen Handelns umschrieben sein müssen (VfSlg. 8395/1978 und die dort genannten Beispiele aus der Vorjudikatur sowie VfSlg. 8813/1980, 9226/1981, 9606/1983, 10158/1984 und 11499/1987), sondern auch, daß bei Ermittlung des Inhaltes einer gesetzlichen Regelung, soweit nötig, die der Auslegung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen sind, und daß eine Regelung die in Art 18 B-VG enthaltenen rechtsstaatlichen Erfordernisse erst verletzt, wenn auch nach Heranziehung sämtlicher Interpretationsmethoden noch nicht beurteilt werden kann, was im Einzelfall rechtens sein soll (VfSlg. 8395/1978, 10158/1984 und 11499/1987).

Aus den - inbesondere sachenrechtlichen - Bestimmungen des ABGB und unter Berücksichtigung der dazu ergangenen Judikatur läßt sich bestimmen, in wessen Eigentum eine Tankanlage steht. Eventuell ergibt sich, daß diese im Eigentum mehrerer Personen steht. Tatsächlich ist im vorliegenden Fall auch nicht strittig, wer Eigentümer der Anlage und damit abgabenpflichtig ist.

4. Die Beschwerdeführer behaupten weiters der Sache nach, daß es sich bei der Zapfsäulenabgabe um eine konfiskatorische Abgabe handle. Eigentümer umsatzschwacher kleiner Tankstellen würden in einer Weise finanziell belastet, die einer Enteignung gleichkäme. Das ZapfsäulenabgabeG verstoße daher gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums.

Dies trifft jedoch nicht zu. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind unter dem historisch auszulegenden Enteignungsbegriff niemals Geldleistungen an die öffentliche Hand wie unter anderem Steuern und Abgaben verstanden worden. Es lag hier also keine Enteignung vor (s. VfSlg. 10468/1985 und die dort angeführte Vorjudikatur). Die Einhebung der Abgabe lag auch im öffentlichen Interesse, zumal sie zweckgebunden zur Speisung eines Umweltfonds bestimmt war und als Nebeneffekt einen gewissen Anreiz zur Umrüstung auf emissionsarme Zapfsäulen bot.

5. Die Beschwerdeführer bringen auch vor, das ZapfsäulenabgabeG verletze das Gleichheitsgebot des Art 7 B-VG, weil die kostenintensive Umrüstung auf Gaspendelleitungen - mit all den für die Beschwerdeführer daraus resultierenden Nachteilen - in keiner Weise den vom Gesetzgeber mit der Abgabe verfolgten Zielvorstellungen gerecht werde.

Die Bedenken der Beschwerdeführer, die landesgesetzliche Norm habe somit dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz widersprochen, trifft nicht zu.

Der in Art 7 B-VG normierte Gleichheitsgrundsatz richtet sich zwar auch an den Gesetzgeber und setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen. Er verwehrt dem einfachen Gesetzgeber von Verfassungs wegen - außer im Fall des Exzesses - aber nicht, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignete Art zu verfolgen (vgl. zB VfSlg. 7864/1976, 7996/1977, 11369/1987).

Grundsätzlich steht es dem Gesetzgeber frei zu entscheiden, welche Mittel er - unter Berücksichtigung allfälliger erwünschter oder in Kauf genommener Nebenwirkungen - jeweils zur Zielerreichung geeignet erachtet (vgl. zB VfSlg. 11639/1988). Ob eine Regelung zweckmäßig ist, oder gar ob mit ihr der optimale Weg zur Zielerreichung beschritten wird, sind Fragen, die nicht vom Verfassungsgerichtshof unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgebotes zu beurteilen sind (vgl. zB VfSlg. 6541/1971, 7885/1976, 11369/1987).

Wie aus den Gesetzesmaterialien ersichtlich ist, diente die Abgabe zweckgebunden der Speisung des Salzburger Umweltfonds. Das Gesetz erfaßte Zapfsäulen zum Betanken von Kraftfahrzeugen mit Kraftstoffen für Ottomotoren auf öffentlichen Tankstellen gleichmäßig. Lediglich Anlagen, die technische Einrichtungen zur Unterbindung der Verdampfung von Kraftstoffen beim Betanken von Kraftfahrzeugen ohne Entstehung anderer Emissionen aufwiesen, zB Gaspendelverfahren, waren von der Abgabe ausgenommen.

Mit Erlassung des ZapfsäulenabgabeG - sowohl in Ansehung des angestrebten Zieles (Aufbringung finanzieller Mittel für den Umweltfonds) und allfälliger Nebenwirkungen (Umrüstung auf emissionsarme Systeme) als auch bezüglich der Auswahl der zur Zielerreichung eingesetzten Mittel - hat der Landesgesetzgeber den Rahmen der ihm von Verfassungs wegen eingeräumten Gestaltungsfreiheit nicht überschritten. Die aufgeworfenen Gleichheitsbedenken treffen sohin nicht zu.

6. Die Beschwerdeführer behaupten, das ZapfsäulenabgabeG verstoße auch gegen Art 4 B-VG. Es verletze das Gebot der Einheitlichkeit des Wirtschaftsgebietes. Die Abgabe zwinge zu einem regional unterschiedlichen "Betankungsverhalten" der Bevölkerung. Dieses habe negative Auswirkungen auf eine bundesweit gleichförmig zu gestaltende Verkehrspolitik und intendiere eine Verkehrsbeschränkung. Soweit die Abgabe auf die Konsumenten überwälzt werden könne, führe dies zu einer Verteuerung der regionalen Lebenshaltungs- und Wirtschaftskosten, was eine unbegründete Benachteiligung eines Wirtschaftsgebietes zur Folge habe.

Dem ist entgegenzuhalten, daß das ZapfsäulenabgabeG den Verkehr über die Landesgrenzen nicht behinderte und dieses auch nicht zu einer verfassungswidrigen Einschränkung der durch Art 4 B-VG normierten Wirtschaftseinheit führte. Art 4 B-VG gebietet nicht, daß in allen Teilen Österreichs die gleichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bestehen müssen (VfSlg. 5084/1965). Die länderweise unterschiedliche Regelung eines in die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers fallenden Sachgebietes entspricht dem Wesen des Bundesstaates (vgl. zB VfSlg. 11979/1989, 5275/1966, 1281/1929).

7. Unter dem Gesichtspunkt der vorliegenden Beschwerde bestehen gegen die den Bescheid tragenden landesgesetzlichen Regelungen keine Bedenken. Der Vollziehung anzulastende, in die Verfassungssphäre reichende Fehler sind im Verfahren nicht hervorgekommen; solche wurden in der Beschwerde auch nicht ausgeführt.

Die Beschwerdeführer wurden sohin durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

8. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.