OGH vom 10.10.2012, 12Os111/12h (12Os112/12f)

OGH vom 10.10.2012, 12Os111/12h (12Os112/12f)

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krausam als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mario G***** wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG, AZ 43 Hv 25/11a des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil und einen Beschluss dieses Gerichts vom , GZ 43 Hv 25/11a 47, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Höpler, des Angeklagten und der Verteidigerin Dr. Wolf zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren des Landesgerichts für Strafsachen Wien verletzen das Gesetz

1./ das Urteil vom , GZ 43 Hv 25/11a 47, in § 270 Abs 4 Z 2 StPO und § 35 Abs 1 SMG iVm § 37 SMG;

2./ die Mario G***** erteilte Weisung, den Nachweis seiner Drogenfreiheit für die Dauer von einem Jahr zu erbringen, in §§ 50 Abs 1, 51 Abs 1 StGB.

Es werden das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie der Beschluss aufgehoben und dem Landesgericht für Strafsachen Wien aufgetragen, das Verfahren nach §§ 35 Abs 1, 37 SMG durchzuführen.

Text

Gründe:

Mit dem zulässig gekürzt ausgefertigten und einen unbekämpft gebliebenen Freispruch enthaltenden Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom , GZ 43 Hv 25/11a 47, wurde Mario G***** der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG schuldig erkannt, weil er im Zeitraum Juni 2010 bis in W***** und K***** Cannabiskraut und Speed (Letzteres ohne Nennung der enthaltenen Wirkstoffe [vgl ON 24 S 5 und 7; RIS Justiz RS0114428], jedoch ohne Nachteil für den Angeklagten aufgrund des Erwerbs und Besitzes auch von Cannabiskraut) erworben und besessen hat.

Gemäß § 43 Abs 1 StGB wurde die nach dem privilegierten Strafsatz des § 27 Abs 2 SMG bemessene Freiheitsstrafe von dreieinhalb Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen und entgegen § 494 Abs 1 StPO nicht in Form eines gesonderten Beschlusses dem Angeklagten gemäß § 50 Abs 1 und 3 StGB „mit seiner Zustimmung“ die Weisung erteilt, den Nachweis seiner Drogenfreiheit für die Dauer von einem Jahr zu erbringen sowie eine Entwöhnungstherapie zu machen, diese binnen einem Monat anzutreten und Nachweise über deren Fortgang vorzulegen.

Im Schuldspruch (ON 47 S 5) ist nicht ausdrücklich angegeben, dass die angelastete Tat ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begangen wurde. Dies ergibt sich jedoch hinreichend deutlich aus der Verwirklichung des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift ausschließlich durch dessen Erwerb und Besitz (§ 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG) im Zusammenhalt mit der (sich zum Vorteil des Angeklagten auswirkenden) Subsumtion auch unter § 27 Abs 2 SMG.

Feststellungen zu einem allfälligen Vorteil des Angeklagten aus der Suchtgiftdelinquenz wurden nicht getroffen.

Das Urteil und der Beschluss blieben unbekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, wurde im Verfahren AZ 43 Hv 25/11a des Landesgerichts für Strafsachen Wien das Gesetz verletzt:

Nach § 35 Abs 1 SMG iVm § 37 SMG hat das Gericht nach Einbringung der Anklage unter den in § 35 Abs 3 bis Abs 7 SMG genannten Voraussetzungen und Bedingungen das Strafverfahren unter anderem wegen einer Straftat nach § 27 Abs 1 und 2 SMG, die ausschließlich für den eigenen persönlichen Gebrauch oder den persönlichen Gebrauch eines anderen begangen worden ist, ohne dass der Angeklagte daraus einen Vorteil gezogen hat, unter Bestimmung einer Probezeit von einem bis zu zwei Jahren mit Beschluss einzustellen. Die Anwendung des § 35 Abs 1 SMG ist zwingend ( Schwaighofer in WK² SMG § 35 Rz 17).

Im Falle einer Verurteilung hat die gekürzte Urteilsausfertigung neben den wesentlichen Bestandteilen des Urteils (§ 270 Abs 2 StPO) auch die vom Gericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung zu enthalten, sodass insgesamt die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts nachvollziehbar und überprüfbar ist (RIS Justiz RS0125764 [T3], RS0101786).

Mit Blick auf die vom Gericht nach Einbringen der Anklage gemäß § 37 SMG sinngemäß anzuwendenden Bestimmungen der §§ 35 und 36 SMG hätte das Schöffengericht in Ansehung der Annahme nicht weiter qualifizierten Erwerbs und Besitzes von Suchtgift nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG in Verbindung mit der zuerkannten Privilegierung nach § 27 Abs 2 SMG, welche die Tatbegehung ausschließlich zum persönlichen Gebrauch impliziert, nach § 270 Abs 4 Z 2 StPO erforderliche klare Tatsachenannahmen in Richtung einer zwar dem ausschließlich persönlichen Gebrauch dienenden, gleichwohl nicht nach § 35 Abs 1 vorletzter Halbsatz SMG beurteilbaren Suchtgiftdelinquenz zu treffen gehabt oder aber die an keine weiteren Voraussetzungen gebundenen, zwingenden Diversionsbestimmungen nach §§ 35 Abs 1, 37 SMG anwenden müssen (15 Os 182/09t).

Da dies vorliegend unterblieb, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Verurteilung dem Angeklagten somit zum Nachteil gereichend §§ 35 Abs 1, 37 SMG entgegenstanden (RIS Justiz RS0113620).

Nach §§ 50 Abs 1, 51 Abs 1 StGB hat das Gericht einem Rechtsbrecher, soweit das notwendig oder zweckmäßig ist, Weisungen zu erteilen, die geeignet sind, ihn von weiteren mit Strafe bedrohten Handlungen abzuhalten. Die Weisungen bedürfen einer spezifischen Verhaltensaufforderung, die über das generelle und daher nicht eigens hervorzuhebende Verbot, neuerlich strafbare Handlungen zu begehen, hinausgeht.

Unzulässig ist somit die gegenständlich erteilte Weisung, innerhalb eines bestimmten Zeitraums den Nachweis der Drogenfreiheit zu erbringen, liegt doch darin lediglich der Auftrag, in dieser Zeit keine strafbare Handlung nach dem SMG zu begehen ( Schroll in WK² § 51 Rz 6 mwN).

Der Oberste Gerichtshof sah sich daher veranlasst, das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuld- und demgemäß im Strafausspruch sowie den Beschluss auf Erteilung einer Weisung aufzuheben und dem Landesgericht für Strafsachen Wien aufzutragen, das Verfahren nach §§ 35 Abs 1, 37 SMG durchzuführen.

Die vom kassierten Urteil rechtslogisch abhängigen Entscheidungen und Verfügungen gelten damit gleichfalls als beseitigt (RIS-Justiz RS0100444).