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OGH vom 14.11.2017, 10ObS100/17d

OGH vom 14.11.2017, 10ObS100/17d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Schramm, die Hofrätin Dr. Grohmann und die fachkundigen Laienrichter Dr. Gabriele Griehsel (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Wolfgang Kozak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Prutsch Partner Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, 1080 Wien, Josefstädter Straße 80, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Wochengeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 6 Rs 14/17a10, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 32 Cgs 200/16z6, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 210,59 EUR (darin enthalten 70,20 EUR USt) bestimmten Kosten der Revision zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin bezog für ihre am geborene Tochter bis Wochengeld und anschließend bis ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld von 53,39 EUR täglich. Ihr Dienstverhältnis beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung war bis zum 2. Lebensjahr ihrer Tochter gegen Entfall des Arbeitsentgelts karenziert. Die Klägerin wurde erneut schwanger. Voraussichtlicher Geburtstermin für ihren am geborenen Sohn war der .

Mit Bescheid vom wies die beklagte Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter den Antrag der Klägerin auf Auszahlung von Wochengeld ab dem ab. Die Klägerin habe zwar dem Grunde nach aufgrund der aufrechten Versicherung und Inanspruchnahme des zweijährigen gesetzlichen Karenzurlaubs nach § 15 MSchG Anspruch auf Wochengeld, jedoch in den letzten 13 Wochen bzw drei Kalendermonaten vor Eintritt des Versicherungsfalls kein Einkommen erzielt. Bei Anwendung der Schutzfristregel des § 122 Abs 3 letzter Satz ASVG ergebe sich der Beginn der 32. Woche vor Eintritt des Versicherungsfalls mit . Eine Bemessung des Wochengeldes könne daher nicht aufgrund des bis bezogenen Kinderbetreuungsgeldes erfolgen.

Die Klägerin begehrte in ihrer Klage die Zahlung eines Wochengeldes von 66 EUR für die Zeit vom 20. 5. bis . Die Schutzfrist des § 122 Abs 3 ASVG sei keine absolute Frist, sondern könne geringfügig erstreckt werden. Nach § 162 Abs 3a Z 3 ASVG gebühre ein Wochengeld in Höhe von 53,39 EUR zuzüglich eines Zuschlags von 25 %, sohin 66,74 EUR, begrenzt durch den Maximalbetrag von 66 EUR.

Die Beklagte hielt den im Bescheid vertretenen Standpunkt aufrecht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin habe sich zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls der zweiten Mutterschaft () und zu Beginn der 32. Woche vor dem Eintritt des Versicherungsfalls () in Karenz befunden, jedoch nach der von ihr gewählten Variante kein Kinder-
betreuungsgeld mehr bezogen. Mangels Pflichtversicherung habe sie keinen sozialversicherungsrechtlichen Anspruch auf Wochengeld.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und ließ die Revision nicht zu. Rechtlich folgerte es, der Krankenversicherungsschutz der Klägerin sei zufolge § 6 Abs 1 Z 5, § 7 Abs 2 Z 2 B-KUVG nach Ende des Kinderbetreuungsgeldbezugs aufrecht geblieben. Ein Schutzfristfall des § 122 Abs 3 ASVG liege nicht vor, weil die Klägerin aufgrund der aufrechten Krankenversicherung ohnehin nach § 122 Abs 1 ASVG anspruchsberechtigt sei. Das Wochengeld gebühre nach § 162 Abs 3 ASVG in der Höhe des in den letzten 13 Wochen bzw drei Kalendermonaten vor dem Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft erzielten Arbeitseinkommens. Fielen in diesen Zeitraum auch Zeiten des Bezugs einer Leistung nach dem KBGG, so gelte als Arbeitsverdienst jenes Wochengeld, das aufgrund des § 162 Abs 3a Z 2 iVm Abs 5 Z 3 beim Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft während des Leistungsbezugs gebührt hätte. In den Schutzfristfällen des § 122 Abs 3 erster Satz ASVG seien, wenn dies für die Versicherte günstiger sei, für die Ermittlung der Höhe des Wochengeldes die letzten 13 Wochen bzw drei Kalendermonate vor dem Ende der Pflichtversicherung oder vor dem Ende des Dienstverhältnisses heranzuziehen. Die Klägerin habe in dem Zeitraum des § 162 Abs 3 ASVG iVm § 84 B-KUVG weder Arbeitsentgelt noch Kinderbetreuungsgeld bezogen, weshalb ein Wochengeld nicht zu berechnen sei. Wochengeld habe grundsätzlich den Zweck, den durch die Mutterschaft erlittenen Entgeltverlust zu ersetzen und eine finanzielle Absicherung zu schaffen. Selbst wenn man im vorliegenden Fall die für die Klägerin günstigere Variante nach den Schutzfristregeln heranziehe, wären die Voraussetzungen nicht erfüllt, weil die Klägerin zum Zeitpunkt des Beginns der 32. Woche vor Eintritt des Versicherungsfalls, das sei der , kein Kinderbetreuungsgeld mehr bezogen habe. Dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass es sich dabei um eine Ermessensfrist handle, die – wenn auch geringfügig – erstreckt werden könnte.

Rechtliche Beurteilung

Die – nach Freistellung durch den Obersten Gerichtshof beantworteteRevision der Klägerin ist zur Klarstellung zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. Nach § 53 Z 3 B-KUVG, dessen Bestimmungen hier unstrittig anzuwenden sind, tritt der Versicherungsfall der Mutterschaft mit dem Beginn der achten Woche vor der voraussichtlichen Entbindung ein; wenn die Entbindung vor dieser Zeit erfolgt, mit der Entbindung. Nach § 84 Abs 1 B-KUVG sind auf nach § 1 Abs 1 Z 17 B-KUVG versicherte Landesbedienstete und auf nach § 1 Abs 1 Z 20 B-KUVG versicherte Bezieherinnen von Kinderbetreuungsgeld, wenn nach § 28 KBGG die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter zuständig ist, §§ 162 sowie 165 bis 168 ASVG anzuwenden.

1.1 Nach § 7 Abs 1 B-KUVG wird die Versicherung für die Zeit eines Urlaubs gegen Einstellung der Bezüge (Karenzurlaub) unterbrochen. Die Unterbrechung der Krankenversicherung, der die Leistung des Wochengeldes zuzuordnen ist (§ 51 Abs 1 Z 2 B-KUVG), tritt zufolge § 7 Abs 2 Z 2 B-KUVG während (soweit relevant) einer längstens bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres des Kindes dauernden Karenz nach dem MSchG nicht ein, soweit keine Pflichtversicherung aufgrund eines Kinderbetreuungsgeld-
bezugs besteht. Diese sieht § 1 Abs 1 Z 20 B-KUVG für Bezieherinnen von Kinderbetreuungsgeld nach dem KBGG vor, wenn nach dessen § 28 – wie hier – die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter zuständig ist.

1.2 Damit ergibt sich im vorliegenden Fall eine aufrechte Krankenversicherung nach dem B-KUVG zunächst aus dem Dienstverhältnis der Klägerin, die gemäß § 7 Abs 1 Z 2 B-KUVG für die Dauer des Kinderbetreuungsgeldbezugs mit aufrechter Pflichtversicherung nach § 1 Abs 1 Z 20 B-KUVG vom bis einschließlich unterbrochen war und danach während der restlichen Karenzzeit wieder bestand. Es ist auch nicht strittig, dass die Klägerin zum Eintritt des Versicherungsfalls der zweiten Mutterschaft am aus ihrem Dienstverhältnis aufrecht krankenversichert war und daher dem Grunde nach Anspruch auf Wochengeld aus der zweiten Schwangerschaft hat.

2. Die Höhe des Wochengeldes bemisst sich nach § 162 Abs 3 Satz 1 ASVG nach dem Durchschnitt des in den letzten 13 Wochen (bei monatlicher Abrechnung oder Bemessung drei Kalendermonaten) vor dem Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft gebührenden Arbeitsverdienstes, vermindert um die gesetzlichen Abzüge; die auf diesen Zeitraum entfallenden Sonderzahlungen sind nach Maßgabe des Abs 4 zu berücksichtigen.

2.1 Fallen in den für die Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes maßgeblichen Zeitraum auch Zeiten des Bezugs einer Leistung nach dem KBGG, so gilt für diese Zeiten als Arbeitsverdienst jenes Wochengeld, das aufgrund des § 162 Abs 3a Z 2 ASVG iVm Abs 5 Z 3 beim Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft während des Leistungsbezugs gebührt hätte (§ 162 Abs 3 Satz 4 ASVG).

2.3 In den Fällen des § 122 Abs 3 erster Satz ASVG sind, wenn dies für die Versicherte günstiger ist, für die Ermittlung der Höhe des Wochengeldes nicht die letzten 13 Wochen bzw drei Kalendermonate vor dem Eintritt des Versicherungsfalls heranzuziehen, sondern die letzten 13 Wochen bzw drei Kalendermonate vor dem Ende der Pflichtversicherung oder vor dem Ende des Dienstverhältnisses (§ 162 Abs 3 letzter Satz ASVG).

2.4 § 122 Abs 3 ASVG enthält für den Versicherungsfall der Mutterschaft eine eigene Schutzfristbestimmung. Danach sind – über Abs 2 hinaus – Leistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft auch zu gewähren, wenn der Versicherungsfall nach dem Ende der Pflichtversicherung eintritt, der Beginn der 32. Woche vor dem Eintritt des Versicherungsfalls in den Zeitraum des Bestands der beendeten Pflichtversicherung fällt und die Pflichtversicherung mindestens 13 Wochen bzw drei Kalendermonate ununterbrochen bestanden hat.

2.5 Nach § 162 Abs 3a Z 2 ASVG in der Fassung vor dem Familienzeitbonusgesetz (FamZeitbG), BGBl I 2016/53, gebührte den Bezieherinnen von pauschalem Kinderbetreuungsgeld das Wochengeld – abweichend von Abs 3 – in der Höhe des um 80 vH erhöhten pauschalen Kinderbetreuungsgeldes. Bezieherinnen von einkommens-
abhängigem Kinderbetreuungsgeld erhielten nach § 162 Abs 3a Z 3 ASVG in der genannten Fassung Wochengeld in Höhe des um 25 vH erhöhten einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes.

3. § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG ist nach der Rechtsprechung planwidrig lückenhaft; die Gesetzeslücke ist dadurch zu schließen, dass in diese Bestimmung auch ein Verweis auf den die Bezieherinnen von Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens betreffenden Abs 3a Z 3 hineinzulesen ist (RIS-Justiz RS0130645, zuletzt 10 ObS 63/16m). Der Oberste Gerichtshof lehnt eine Unterscheidung zwischen Frauen, die bei Eintritt des Versicherungsfalls noch Kinderbetreuungsgeld beziehen, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, mit Hinweis auf die Materialien zum SRÄG 2005 ab. § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG bringe ganz allgemein den Grundsatz zum Ausdruck, dass für Zeiten des Bezugs einer Leistung nach dem KBGG jenes Wochengeld gebühren solle, welches gebührt hätte, wenn der Versicherungsfall der Mutterschaft bereits während des Leistungsbezugs des Kinderbetreuungsgeldes eingetreten wäre (10 ObS 99/15d).

3.1 In den Entscheidungen 10 ObS 34/16x und 10 ObS 63/16m hat der Oberste Gerichtshof zu Schutzfristfällen des § 122 Abs 3 ASVG, in denen nach Geburt des ersten Kindes Wochengeld und im Anschluss daran ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld ausgezahlt wurde, über den Bezugszeitraum hinaus eine Karenz nach dem MSchG in Anspruch genommen wurde und der Versicherungsfall der zweiten Mutterschaft zwar während der Karenz, aber nach Ende des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld eingetreten ist, das Wochengeld in Höhe des um 25 vH erhöhten Kinderbetreuungsgeldes als Ersatz des Erwerbseinkommens (§ 162 Abs 3a Z 3 ASVG idF vor dem FamZeitbG) zuerkannt.

3.2 Dieser Rechtsprechung hat der Gesetzgeber mit dem FamZeitbG, BGBl I 2016/53, den Boden entzogen. Für Versicherungsfälle nach dem (§ 698 Abs 2 ASVG) besteht zufolge § 162 Abs 3a Z 2 ASVG kein Anspruch auf Wochengeld aus Kinderbetreuungsgeld mehr, wenn der Versicherungsfall nach Ende des Kinderbetreuungsgeldbezugs eintritt, selbst wenn der Beginn der 32. Woche vor dessen Eintritt in den Zeitraum des Kinderbetreuungsgeldbezugs fällt. § 122 Abs 3 ist insoweit ausdrücklich nicht anzuwenden (Schober in Sonntag, ASVG8§ 162 Rz 33b). Wochengeld steht nur zu, wenn am Tag des Beginns des Beschäftigungsverbots vor der Geburt eines weiteren Kindes Kinderbetreuungsgeld bezogen wurde. Seine Höhe wird an das davor bezogene Kinderbetreuungsgeld angepasst (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 13). § 162 Abs 3a Z 3 ASVG wurde mit Ablauf des aufgehoben (§ 698 Abs 3 ASVG).

3.3 Die neue Rechtslage ist hier zwar nicht anzuwenden, weil der Versicherungsfall der zweiten Mutterschaft am eingetreten ist. Ungeachtet dessen ist das Begehren der Klägerin auf Zuspruch von Wochengeld entgegen ihrer Auffassung nicht mit § 122 Abs 3 ASVG zu rechtfertigen.

3.4 Die Klägerin will die Frist des § 122 Abs 3 ASVG, welche sie nicht als absolute Frist sieht, um einige Tage nach hinten (vom 9. 10. auf den ) in den Zeitraum des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld erstrecken.

3.5 Abgesehen davon, dass sich diese Möglichkeit der Erstreckung nicht aus der dazu zitierten Entscheidung 10 ObS 59/14w ableiten lässt, liegt hier schon deshalb kein Schutzfristfall vor, weil die Pflichtversicherung der Klägerin zum Eintritt des Versicherungsfalls der zweiten Mutterschaft aufrecht war (10 ObS 16/10s, SSV-NF 24/69). Sie erfüllt zudem – anders als in den der Rechtsprechung zu § 122 Abs 3 ASVG zugrunde liegenden Fällen – die Voraussetzung nicht, dass sie zum Zeitpunkt des Beginns der 32. Woche vor dem Eintritt des Versicherungsfalls noch Kinderbetreuungsgeld bezogen hat. Wäre sie nach dem ASVG versichert gewesen, hätte sie keinen Anspruch auf Wochengeld gehabt. Eine sachlich nicht gerechtfertigte Schlechterstellung gegenüber den nach dem ASVG Versicherten liegt damit nicht vor.

3.6 § 122 ASVG regelt die Anspruchs-
berechtigung auf Leistungen aus der Krankenversicherung während der Dauer der Versicherung und nach dem Ausscheiden aus der Versicherung. Die Höhe und das Ausmaß der Krankenversicherung regeln hingegen die §§ 162 ff ASVG (10 ObS 22/16g, ZAS 2016/49, 290 [Auer-Mayer]). Die Höhe des der Klägerin dem Grunde nach gemäß § 7 Abs 1 iVm § 7 Abs 2 Z 2 B-KUVG zustehenden Wochengeldanspruchs war aufgrund des in § 84 Abs 1 B-KUVG enthaltenen Verweises nach § 162 Abs 3 erster und letzter Satz ASVG zu beurteilen.

4. Der Oberste Gerichtshof hat sich mit Fällen befasst, in denen ein Anspruch auf Wochengeld dem Grunde nach bestand, die gesetzlichen Regelungen zu dessen Bemessung aber nicht unmittelbar herangezogen werden konnten.

4.1 In dem zu 10 ObS 16/10s entschiedenen Fall bezog eine Arbeitnehmerin nach Geburt ihres ersten Kindes Wochengeld, danach vom bis tägliches Kinderbetreuungsgeld. Ab war sie in Bildungskarenz und bezog ab zusätzlich zum Kinderbetreuungsgeld ein tägliches Weiterbildungsgeld. Ihr zweites Kind wurde am geboren. Der Mutterschutz begann am . Der Normalfall der Berechnung des Wochengeldanspruchs nach § 41 Abs 1 Satz 2 AlVG (nach dem vorangegangen Arbeitsverdienst) kam nicht zum Tragen, weil die Bildungskarenz nicht aus einem aufrechten Arbeitsverhältnis heraus, sondern während des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld, damit zu einem Zeitpunkt ohne aktuellen Arbeitsverdienst angetreten wurde. Der Oberste Gerichtshof schloss die seiner Ansicht nach gegebene Lücke, indem er das um 80 % erhöhte Weiterbildungsgeld als Bemessungsgrundlage heranzog, um der Versicherten einen adäquaten Ersatz ihres aktuellen Einkommensentfalls zu sichern. Abgelehnt wurde jedoch die von der beklagten Gebietskrankenkasse vertretene Rechtsansicht zur Bemessung nach dem unmittelbar vor Beginn des Weiterbildungsgeldbezugs bezogene Kinderbetreuungsgeldes, weil dieses nicht als „Arbeitsverdienst“ iSd § 41 Abs 1 AlVG iVm § 162 Abs 3 ASVG qualifiziert werden könne.

4.2 Zu 10 ObS 76/16y bejahte der Oberste Gerichtshof eine planwidrige Gesetzeslücke in einem Fall, in dem der Wochengeldanspruch dem Grunde nach rechtskräftig feststand, seine Höhe sich jedoch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Arbeitnehmerkündigung aufgrund des fortdauernden Krankenstands und des Krankengeldbezugs nach dem Wortlaut des § 162 Abs 3 ASVG mit 0 errechnet hätte. Insoweit § 162 Abs 3 Satz 6 lit b ASVG mit Bezugnahme auf das – offensichtlich aus einem Arbeitsverhältnis stammende – Entgelt abstelle, erweise sich die Regelung für den Ausnahmefall des § 122 Abs 2 Z 1 lit b ASVG, in dem der Wochengeldanspruch kein aufrechtes Arbeitsverhältnis voraussetze, als lückenhaft. Diese Lücke sei planwidrig, weil für einen Fall, in dem ein Wochengeldanspruch dem Grunde nach bestehe, eine Regelung zur Höhe fehle. Dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, dass er die Weitergewährung von Krankengeld infolge des Versicherungsfalls der Mutterschaft und Eröffnung des Wochengeldanspruchs versage, gleichzeitig aber die Bemessung des Wochengeldes mit 0 zulasse, während ohne den Versicherungsfall weiter Anspruch auf Krankengeld bestanden hätte. Dass eine Bemessung des dem Grunde nach zustehenden Wochengeldes mit 0 nicht den gesetzgeberischen Intentionen entspreche, finde eine Stütze in § 165 ASVG. Danach gebührt bei Zusammentreffen von Ansprüchen auf Wochengeld und Krankengeld nur das Wochengeld. Der Oberste Gerichtshof schloss die Gesetzeslücke dadurch, dass sich in diesem Fall der Beobachtungszeitraum nicht nur einmalig nach hinten verschiebt, sondern so lange, bis ein Zeitraum von drei vollen Kalendermonaten erreicht wird, aus dem sich ein durchschnittlicher Arbeitsverdienst errechnen lässt.

4.3 Hier ist kein Fall, wie er in dieser Judikatur behandelt wird, verwirklicht. Die Bestimmungen des § 162 Abs 3 erster und letzter Satz ASVG über die Bemessung des Wochengeldes sind unmittelbar auf den Anspruch der Klägerin anzuwenden. Eine Analogie scheidet schon deshalb aus, weil keine Gesetzeslücke vorliegt. Die Klägerin hatte zu Beginn der Schutzfrist nach dem MSchG kein Einkommen (wie Weiterbildungsgeld, Kinderbetreuungsgeld oder Krankengeld), dessen Entfall das Wochengeld in seiner Funktion als Einkommensersatzleistung (10 ObS 22/16g mwN; RIS-Justiz RS0117195), ausgleichen sollte. Eine Lösung durch Verschieben des Beobachtungszeitraums nach hinten, wie sie der Oberste Gerichtshof in 10 ObS 76/16y zur Schließung einer planwidrigen Lücke fand, kommt hier nicht in Betracht.

5. Ergebnis: Das Wochengeld einer nach dem B-KUVG Versicherten, deren Krankenversicherung (anders als bei nach dem ASVG Versicherten) nach Ende des Bezugs von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls der zweiten Mutterschaft noch vor Ende der zweijährigen Karenzzeit nach dem MSchG aufrecht war, bemisst sich mit 0, wenn sie innerhalb des Beobachtungszeitraums des § 162 Abs 3 erster Satz ASVG keinerlei Einkommen mehr bezogen hat.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Es entspricht der Billigkeit, der Klägerin die Hälfte der Revisionskosten zuzusprechen (RISJustiz RS0085871).

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:010OBS00100.17D.1114.000
Schlagworte:
;Sozialrecht;

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