VfGH vom 26.11.2001, B1080/01
Sammlungsnummer
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Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung einer am letzten Tag der Berufungsfrist nach Ende der Amtsstunden mittels Telefax eingebrachten Berufung als verspätet; Rechtzeitigkeit der Berufung infolge Einbringung vor Ablauf des letzten Tages der Frist; Zeitpunkt des Einbringens, nicht aber des Einlangens für die Wahrung der Rechtsmittelfrist entscheidend
Spruch
Die Beschwerdeführerinnen sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Tirol ist schuldig, den Beschwerdeführerinnen zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 32.200,- (€ 2.340,07) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Der Bürgermeister der Stadtgemeinde Schwaz erteilte mit Bescheid vom die baubehördliche Bewilligung zum Abbruch des bestehenden und Wiederaufbau eines Wohnhauses auf dem Grundstück Nr. 751/4, KG Schwaz. Die dagegen von den nunmehrigen Beschwerdeführerinnen erhobenen Berufungen wurden mit Bescheiden des Stadtrates der Stadtgemeinde Schwaz vom , den Beschwerdeführerinnen zugestellt am , als unbegründet abgewiesen. Die zweiwöchige Rechtsmittelfrist endete daher am . Dagegen erhoben die Beschwerdeführerinnen Vorstellungen, die sie mittels Telefax am um 20.43 Uhr bei der Stadtgemeinde Schwaz einbrachten. Die Tiroler Landesregierung als zuständige Vorstellungsbehörde wies die Vorstellungen mit Bescheid vom als verspätet zurück und begründete dies (gestützt auf § 13 Abs 5 AVG) im Wesentlichen damit, dass die mittels Telefax am nach den (von 8.00 bis 12.00 Uhr und 14.00 bis 17.00 Uhr dauernden) Amtsstunden eingebrachten Vorstellungen erst mit dem Wiederbeginn der Amtsstunden am als bei ihr eingelangt gelten und daher verspätet seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende auf Art 144 B-VG gestützte Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie vorbringt, dass der Wortlaut des § 13 Abs 5 letzter Satz AVG keinen Interpretationsspielraum offen lasse, und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Die Beschwerde erweist sich, da sämtliche Prozessvoraussetzungen gegeben sind, als zulässig; sie ist auch gerechtfertigt.
Der vorliegende Sachverhalt gleicht - hinsichtlich der von der belangten Behörde als verspätet beurteilten, mittels Telefax eingebrachten Vorstellungen - in allen wesentlichen Belangen jenem, welcher der zu B460/00 protokollierten Beschwerde zugrunde lag. Es genügt somit, auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom zu verweisen, aus welchem sich auch für den vorliegenden Fall entsprechend ergibt, dass die Beschwerdeführerinnen im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG) verletzt wurden.
Der angefochtene Bescheid ist daher aufzuheben.
III. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 4.950,-
(€ 359,73) und ein Streitgenossenzuschlag in der Höhe von S 2.250,-
(€ 163,51) enthalten.
IV. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Fundstelle(n):
DAAAD-78160