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OGH vom 07.06.1999, 8Ob291/98x

OGH vom 07.06.1999, 8Ob291/98x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Adamovic und Dr. Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Bernhard K*****, wider die beklagte Partei Dr. Wilfrid Stenitzer, Rechtsanwalt, 8430 Leibnitz, Hauptplatz 32-34, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der R***** GesmbH, ***** wegen S 145.710,40 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 33/98k-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 28 Cg 17/97m-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.370,-- (darin S 1.395,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat die nachmalige Gemeinschuldnerin, für die der Beklagte zum Masseverwalter bestellt wurde, in einem Rechtsstreit anwaltlich vertreten, in welchem die nachmalige Gemeinschuldnerin für Fassadenrenovierungen einen restlichen Werklohn von S 627.259 sA begehrte. Bis zu der aufgrund der Konkurseröffnung am eingetretenen Verfahrensunterbrechung hat der Kläger Vertretungsleistungen erbracht, welche ein tarifmäßiges Honorar von S 145.710,40 rechtfertigen. Die vom Kläger in diesem Verfahren verfaßte Klage enthält den Vermerk: "Gemäß § 19a RAO begehrt der Klagevertreter die Bezahlung der Verfahrenskosten zu seinen Handen".

Mit Schreiben vom ersuchte der Beklagte den Kläger, ihm alle Unterlagen des Rechtsstreits zu übersenden, damit er beurteilen könne, ob er in das Verfahren eintrete. Mit Schreiben vom entsprach der Kläger diesem Verlangen und wies darauf hin, daß er sein gesetzliches Pfandrecht gemäß § 19a RAO geltend mache. Er schätze die Erfolgsaussichten im Rechtsstreit zu obsiegen als sehr positiv ein und mache den Abschluß von Vergleichen, wenn dadurch sein gesetzliches Pfandrecht beeinträchtigt werden könnte, von seiner vorherigen Zustimmung abhängig.

Der Beklagte nahm das Verfahren gemäß § 7 Abs 2 KO auf und schloß in der Folge mit konkursgerichtlicher Genehmigung einen außergerichtlichen Vergleich, worin sich die Prozeßgegnerin zur Zahlung von S 150.000 bei gegenseitiger Kostenaufhebung verpflichtete und ewiges Ruhen des Verfahrens vereinbart wurde.

Der Kläger meldete im Konkurs seine Honorarforderung als Konkursforderung an und machte diesbezüglich auch ein Absonderungsrecht geltend. Masseverwalter und Gemeinschuldnerin anerkannten die Forderung in der Prüfungstagsatzung sowie das Absonderungsrecht an einem allenfalls gegenüber der Prozeßgegnerin bestehenden Kostenersatzanspruch bis zur Höhe der Honorarforderung.

Mit seiner am beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger, den Beklagten zur Zahlung des Honorarbetrages von S 145.710,40 sA schuldig zu erkennen. Der Beklagte habe durch den Vergleichsabschluß eigenmächtig die Möglichkeit des Klägers, sein gesetzliches Pfandrecht zu realisieren, zunichte gemacht. Die von der Gemeinschuldnerin dem Kläger erteilte Prozeßvollmacht sei nach wie vor aufrecht. Der Beklagte hätte dem Kläger die weitere Prozeßführung überlassen müssen und hätte der Kläger in diesem Falle von der Prozeßgegnerin Kostenersatz erlangt. Der nicht sachgerechte Vergleich sei vom Beklagten in Verletzung seiner Pflicht zur Führung von Rechtsstreitigkeiten geschlossen worden, um zu Lasten des Klägers für die Konkursmasse ein Aktivum zu erreichen. Die Konkursmasse sei dadurch unrechtmäßig bereichert, zumal sie sich in der Höhe des Klagsbetrags eigene Prozeßkosten erspart habe, die sie hätte aufwenden müssen, um "dieselbe, die beklagte Partei zermürbende Prozeßlage herzustellen". Die Austragung des Rechtsstreits wäre auch im Interesse der Konkursgläubiger geboten gewesen. Der vom Beklagten abgeschlossene Vergleich sei insbesondere im Umfang der vereinbarten gegenseitigen Kostenaufhebung gegenüber dem Kläger unwirksam.

In der Tagsatzung vom stellte der Kläger das Eventualbegehren, die zwischen dem Beklagten und der Prozeßgegnerin zur Beendigung des Rechtsstreits getroffene Vereinbarung sei unwirksam, allenfalls werde sie aufgehoben. Der Beklagte sei schuldig, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Erledigung durch Richterspruch - erforderlichenfalls unter Ausschöpfung aller Rechtsmittel - fortzuführen oder die Führung des Verfahrens endgültig abzulehnen. Der Beklagte könne die vorstehenden Rechtsfolgen dadurch abwenden bzw sich von den vorstehenden Pflichten dadurch befreien, daß er dem Kläger den Klagsbetrag bezahle.

Der Beklagte wendete gegen Haupt- und Eventualbegehren ein, daß ein Absonderungsanspruch des Klägers nie entstanden sei. Der Kläger habe dem Beklagten gegenüber kein Weisungsrecht. Der Vergleichsabschluß habe den Pflichten des Beklagten als Masseverwalter entsprochen und sei zudem konkursgerichtlich genehmigt worden.

Das Erstgericht wies Haupt- und Eventualbegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, daß das gesetzliche Pfandrecht des Rechtsanwalts nach § 19a RAO erst mit dem rechtskräftigen Kostenzuspruch an seine Partei entstehe. Aus der rechtzeitigen Verzeichnung der Kosten erwachse ihm lediglich ein Anwartschaftsrecht auf ein solches Pfandrecht. Im Fall eines rechtswirksamen Verzichts der Partei auf die Kostenforderung erlösche auch das Pfandrecht des Rechtsanwalts. Der Kläger habe seine Vertretungstätigkeit vor der Konkurseröffnung erbracht und könne daraus keine Masseforderung nach § 46 Abs 1 Z 6 KO ableiten. Er habe nur eine - ohnedies anerkannte - Konkursforderung. Die aus § 81 Abs 1 KO allenfalls herauszulesende Prozeßführungspflicht des Masseverwalters werde dadurch relativiert, daß er nicht die Sonderinteressen einzelner Beteiligter zu wahren habe, sondern die gemeinsamen Interessen. Die konkursgerichtliche Vergleichsgenehmigung zeige, daß im besonderen Fall diese gemeinsamen Interessen durch den Vergleichsabschluß besser gewahrt worden seien als durch die dem Masseverwalter nicht aussichtsreich erscheinende Fortführung des Prozesses.

Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Dem Kläger stehe für seine Vertretungsleistungen aufgrund der ihm von der späteren Gemeinschuldnerin erteilten Prozeßvollmacht nur eine Konkursforderung zu. Eine Bereicherung der Masse sei nicht eingetreten, weil nach dem klägerischen Vorbringen bei Fortsetzung des Prozesses ein wesentlich höherer Betrag hätte ersiegt werden können. Es lägen auch keine Rechtshandlungen des Masseverwalters vor, die die Ansprüche des Klägers als Masseforderung erscheinen ließen, weil die Rechtshandlungen konkursgerichtlich genehmigt worden seien und Amtshaftungsansprüche oder Schadenersatzansprüche gegen den Masseverwalter selbst nicht erhoben würden. Ein pflichtwidriges Vorgehen des Beklagten sei nicht zu erkennen, weil der Beklagte gemäß § 81 Abs 2 KO die gemeinsamen Interessen aller Gläubiger zu wahren gehabt habe.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

§ 19a Abs 1 RAO räumt dem Rechtsanwalt, der die Partei zuletzt vertreten hat, ein gesetzliches Pfandrecht an deren Kostenersatzforderung aus gerichtlichem Zuspruch oder vergleichsweiser Zusage ein. Nach Abs 4 dieser Bestimmung kann die zum Kostenersatz verpflichtete Partei die Kosten jederzeit an den pfandberechtigten Anwalt und solange dieser die Bezahlung nicht an ihn gefordert hat, auch an die Partei wirksam bezahlen. Vor der Beschlußfassung des Nationalrats über diese Gesetzesbestimmung wurde immer wieder die Frage erwogen, ob nicht ein direktes Recht des Anwalts an den zugesprochenen Kosten gegen die unterlegene Partei festgesetzt werden solle (vgl Lohsing, Österreichisches Anwaltsrecht, 280). Dies führte zur Einfügung des letzten Halbsatzes des Abs 4 im Justizausschuß und damit zu einer Ergänzung der Regierungsvorlage (298 BlgNR 3. GP, 47 und 338 BlgNR 3. GP, 7). Durch diese Ergänzung sollte eine doppelte Exekutionsführung vermieden, dem Anwalt jedoch weitestgehende Sicherheit für seine Kostenforderung geboten werden. Im Gegensatz zur sonst für das Pfandrecht geltenden Regelung nach den §§ 459 ff ABGB erhält der Rechtsanwalt mit der Geltendmachung seines Pfandrechts gegenüber dem kostenersatzpflichtigen Gegner bereits das Recht auf Einzug seiner Forderung (AnwBl 1990, 741). Dies vermag aber nichts daran zu ändern, daß Gläubigerin des Kostenersatzanspruches selbst nach der Erklärung im Sinn des Abs 4 des § 19 RAO die Partei selbst bleibt (SZ 23/114; EvBl 1972/302; 7 Ob 591/80; 7 Ob 703/83).

Es entspricht der nunmehr weitaus überwiegenden Rechtsprechung, der der erkennende Senat beitritt, daß das gesetzliche Pfandrecht des Rechtsanwalts erst mit Rechtskraft der Kostenentscheidung (SZ 25/289; EvBl 1967/121; SZ 53/133; EvBl 1990/131; SZ 67/143; RdW 1998, 616) bzw durch eine Kostenregelung in einem vor Gericht, einer anderen öffentlichen Behörde oder einem Schiedsgericht abgeschlossenen Vergleich entsteht, wobei dann allerdings die Kostenersatzforderung der Partei nur mit der Belastung durch das gesetzliche Pfandrecht des Rechtsanwalts existent wird (EvBl 1964/14, EvBl 1967/121, WBl 1987, 346; SZ 53/133). Liegt eine gerichtliche Kostenentscheidung oder eine ihr gleichzuhaltende Kostenregelung in einem Vergleich nicht vor, kann das gesetzliche Anwaltspfandrecht nicht existent werden (RdW 1998, 616). Der Rechtsanwalt ist damit im Ergebnis nicht anders gestellt als der einfache Nebenintervenient, etwa nach Rückziehung dessen Berufung durch die Hauptpartei, wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung RdW 1998, 616 ausführlich darstellte.

Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, daß die Partei ungeachtet der Bestimmung des § 19a RAO Herrin des Verfahrens bleibt.

Zu untersuchen ist nunmehr, ob die rechltichen Besonderheiten des Konkursverfahrens zu einer anderen Beurteilung des Sachverhalts nötigen. Dies ist zu verneinen: Wie bereits die Vorinstanzen zutreffend dargelegt haben, ist der Masseverwalter gemäß § 81 Abs 2 KO verpflichtet, gegenüber den Sonderinteressen einzelner Beteiligter die gemeinsamen Interessen zu wahren. Unter dem Gesichtspunkt dieser Interessenwahrungspflicht ist unter anderem auch die Bestimmung des § 7 Abs 2 KO zu sehen, wonach infolge der Konkurseröffnung unterbrochene Rechtsstreitigkeiten vom Masseverwalter aufgenommen werden können. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers steht es daher keineswegs im Belieben des Masseverwalters, den Kosteninteressen eines einzelnen Gläubigers folgend, ein auch nach Ansicht des Revisionswerbers jedenfalls nicht aussichtsloses Verfahren nicht aufzunehmen und so im Ergebnis auf Ansprüche der Masse ohne weitere Rechtfertigung zu verzichten. Unter dem Postulat der Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen steht selbstverständlich auch die im § 81 Abs 1 (nunmehr § 81a Abs 2) KO genannte Führung von Rechtsstreitigkeiten, welche die Masse ganz oder teilweise betreffen. Abgesehen davon kann schon aus dem Gesetzeswortlaut die vom Revisionswerber angestrebte unbedingte Fortführungspflicht von Rechtsstreitigkeiten nicht abgeleitet werden. Ebenso wie die Prozeßpartei vor Eröffnung des Konkurses bleibt auch der Masseverwalter Herr des Prozesses und hat dessen Führung ausschließlich an den für eine möglichst effiziente Abwicklung des Konkursverfahrens maßgeblichen Überlegungen zu orientieren. Weder hat der Machthaber gegenüber dem Machtgeber ein Weisungsrecht, sondern ist vielmehr Ersterer Letzterem zum Gehorsam verpflichtet (§ 1009 ABGB) noch besteht ein Recht des Gemeinschuldners oder dessen Vertreters, dem Masseverwalter Aufträge zu erteilen, sondern wird dem Gemeinschuldner durch die Konkurseröffnung gerade die Verfügungsmöglichkeit über sein Vermögen entzogen (§ 1 KO). Auch für das Konkursverfahren gilt daher, daß mangels Kostentitels und damit gegebenen Entstehens des Pfandrechtes gemäß § 19a RAO kein Fall des § 11 KO und somit keine Privilegierung des Revisionswerbers gegeben ist. Es kommt ihm weder ein Weisungsrecht gegenüber dem Masseverwalter noch ein bevorzugtes Befriedigungsrecht zu, zumal sein Argument, erst seine Tätigkeit habe es ermöglicht, daß der Masseverwalter Gelder hereinbringen habe können, im Ergebnis wohl auch auf andere Gläubiger, wie etwa Warenlieferanten, zutrifft.

Es liegt auch keine Masseforderung im Sinn des § 46 KO vor. Wie bereits dargestellt, hat der Masseverwalter durch den Vergleichsabschluß nicht gegen eine dem Gesetz nicht zu entnehmende unbedingte Pflicht zur Prozeßfortführung verstoßen. Er hat vielmehr von den ihm durch die Konkursordnung eingeräumten Rechten Gebrauch gemacht, ohne daß sich im Verfahren ergeben hätte, zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des Klägers bestünde ein derart krasses Mißverhältnis, daß das Verhalten des Beklagten als rechtsmißbräuchlich anzusehen wäre (vgl SZ 66/45; JBl 1994, 191; RZ 1998/1; RdW 1998, 616). Wer von seinem Rechte innerhalb der rechtlichen Schranken Gebrauch macht, hat aber gemäß § 1305 ABGB den für einen anderen daraus entspringenden Nachteil nicht zu verantworten. Schadenersatzansprüche wegen pflichtwidrigen innerhalb seines Wirkungskreises liegenden Verhaltens des Masseverwalters im Sinne des § 46 Abs 1 Z 2 KO liegen daher nicht vor. Ebensowenig sind die im § 46 Abs 1 Z 6 KO genannten Ansprüche aus grundloser Bereicherung der Masse gegeben, weil der Vergleichsbetrag der Abfindung von Forderungen der Masse und nicht etwa der Tilgung des Kostenersatzanspruches des Klägers diente (vgl RdW 1998, 616). Schließlich liegt auch kein Fall des § 46 Abs 1 Z 5 KO vor, weil der Vergleichsabschluß als Rechtshandlung des Beklagten keine Ansprüche des Klägers zum Gegenstand hatte.

Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.